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Antisemitismus
Die Kette der Angriffe reißt nicht ab

Antisemitisch motivierte Gewalt in Deutschland nimmt zu, Berlin ist besonders stark betroffen. Juden fühlen sich hierzulande immer unsicherer. Die Suche nach den Gründen für den wachsenden Antisemitismus läuft.

Von Sebastian Engelbrecht |
Ein Hakenkreuz und ein durchgestrichener Davidstern sind an einer Gedenkstätte zu sehen.
Ein Hakenkreuz und ein durchgestrichener Davidstern sind an einer Gedenkstätte zu sehen (dpa-Bildfunk / Daniel Reinhardt)
Vier israelische Touristen unterhalten sich am Montag früh um fünf vor einer Diskothek im Berliner Bezirk Friedrichshain auf Hebräisch. Ein Mann hört ihnen zu, geht auf einen der vier Israelis, einen 21-Jährigen, zu, schlägt ihm mit der Faust ins Gesicht und flüchtet. Der Israeli wird im Gesicht verletzt. Zeugen sagen, der Täter habe arabisch ausgesehen.
Tags zuvor war ein Mann, der durch seine Kleidung als Jude erkennbar war, im Bezirk Mitte antisemitisch beleidigt worden. Auf dem Bahnhof Oranienburg bei Berlin soll ein Mann zu Beginn der Woche den Hitlergruß gezeigt haben - gegenüber Besuchergruppen auf dem Weg zur KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen. Die Kette antisemitischer Angriffe und Beleidigungen in der Öffentlichkeit reißt nicht ab.
"Warum passiert das ausgerechnet in Berlin?"
Auch davon alarmiert luden das Simon Wiesenthal Center aus Los Angeles und das Berliner Mideast Freedom Forum zu einer Pressekonferenz ein. Rabbiner Abraham Cooper, stellvertretender Vorsitzender des Simon Wiesenthal Center, fragt nach den Gründen.
"Warum passiert das, warum? Am Dienstag habe ich den Bürgermeister von Berlin getroffen, und in der Nacht wird - in der, wie ich finde, kosmopolitischsten Stadt in Europa, hier werden 30, 50 Sprachen auf den Straßen gesprochen - wird jemand, der Hebräisch spricht, zusammengeschlagen. Es gab einen antisemitischen Vorfall während des Besuchs."
Cooper dankt dem Regierenden Bürgermeister Müller für seine Bereitschaft zum Gespräch. Zugleich glaubt er, dass sich deutsche Politiker deutlicher von der politischen Führung des Iran distanzieren sollten. Cooper und das Simon Wiesenthal Center sind der Ansicht, dass eine dialogische Position gegenüber dem Iran eine Ermutigung für Antisemiten in der Stadt ist, ihren Judenhass zu zeigen.
Zwei gelbe Davidsterne sind an eine Stele am Marx-Engels-Forum in Berlin geschmiert
Juden in Berlin - Leben zwischen Klischees und Antisemitismus
Fast jeden Tag kommt es in Deutschland zu antisemitischen Übergriffen und Schmierereien. Antisemitismus zeigt sich aber auch an anderer Stelle: Wenn beispielsweise Medien judenfeindliche Klischees bedienen – wie jüngst der "Spiegel" mit dem Cover eines Sonderheftes. Berliner Juden zeigen sich überrascht bis empört.
Besonders kritisch sieht der Rabbiner, dass der Regierende Bürgermeister Müller am vergangenen Freitag seinen Amtskollegen aus Teheran, Pirouz Hanachi, getroffen hat.
"Das Treffen mit dem Bürgermeister Teherans war ein Fehler. Vor allem deshalb, weil die Tatsache, dass das Treffen stattfand, ein Sieg für die Iraner war. Und deshalb ist die beste Art und Weise, sich mit diesem Fehler, diesem Irrtum zu befassen, warum auch immer er passierte, dass sich der Bürgermeister dieser kosmopolitischen Stadt mit der Opposition trifft."
Soziale Medien als Grund für die Zunahme
Rabbiner Cooper bittet Müller also, iranische Oppositionelle in Berlin zu empfangen. Einen weiteren Grund für die Zunahme antisemitischer Angriffe sieht er in den sozialen Medien. Diese seien ein "System zur Verbreitung von Extremismus in aller Welt".
Berlin ist aber besonders stark betroffen. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin ("RIAS"), hat im vergangenen Jahr allein in Berlin 1083 antisemitische Vorfälle registriert.
Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, fordert deshalb, das Strafrecht müsse so erweitert werden, dass antisemitische Taten härter bestraft werden. Klein übte auch Kritik an der Kriminalstatistik der Polizei. Sie schreibe antisemitische Straftaten vor allem rechtsextremen Tätern zu, auch wenn dies nicht immer klar erwiesen sei. Juden nähmen im Alltag viel stärker den Antisemitismus wahr, der von Muslimen ausgehe, erklärte Klein.
Er traf sich in diesen Tagen auch mit Rabbiner Cooper vom Wiesenthal Center aus Los Angeles. Der gab dem Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung diese Bitte mit auf den Weg:
"Was als nächstes passieren muss, ist der schwierige Teil der Aufgabe: nämlich, sich ehrlich mit den Gründen zu beschäftigen und praktische Schritte zu unternehmen, um solche Dinge zu verringern."