Judenfeindliche Vorfälle
Wie Hochschulen mit Antisemitismus umgehen

Seit dem Hamas-Terrorangriff auf Israel haben antisemitische Übergriffe zugenommen. Auch an deutschen Hochschulen fühlen sich zahlreiche jüdische Studierende nicht mehr sicher. Uni-Leitungen stehen wegen des Umgangs mit Gewalt und Hetze in der Kritik.

    Teilnehmer einer propalästinensischen Kundgebung an der Freien Universität im Februar 2024
    An Universitäten und Hochschulen finden seit Monaten propalästinensische und teils antisemitische Demonstrationen statt. (picture alliance / dpa / Monika Skolimowska)
    Es brodelt an deutschen Hochschulen. Seit dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem Beginn des Gaza-Kriegs hat ein Teil der Studenten Sympathien für die radikalislamische Terrororganisation bekundet. Viele jüdische Studierende fühlen sich diskriminiert und nicht mehr sicher. Seit Monaten häuft sich die Kritik an Uni-Rektoren wegen ihres Umgangs mit Antisemitismus.

    Inhalt

    Wie groß ist das Antisemitismus-Problem an den Hochschulen?

    Nicht alle propalästinensischen Demos an Hochschulen waren gleich antisemitisch – aber es waren doch viele. Interessant ist dabei auch die Zusammensetzung der Aktivisten. Vielerorts haben sich linke Organisationen mit islamistischen zusammengetan. Besonders häufig in den Schlagzeilen waren neben Universitäten in Nordrhein-Westfalen und Frankfurt am Main Hochschulen in Berlin – etwa die FU und die Universität der Künste. Da gab es von besetzten Hörsälen und beschmierten Toiletten bis hin zu Israel-feindlichen Flugblättern so ziemlich alles. Allein bis Ende November 2023 zählte die Antisemitismus-Meldestelle Rias an deutschen Hochschulen 37 Vorfälle.
    Auch 2024 reißt die Reihe von judenfeindlichen Zwischenfällen nicht ab. Anfang Februar war ein jüdischer Student der Freien Universität (FU) auf einer Straße in Berlin-Mitte mutmaßlich von einem Mitstudenten angegriffen und schwer verletzt worden. Der Tatverdächtige soll unter anderem im Dezember bereits bei einer Hörsaalbesetzung propalästinensischer Aktivisten beteiligt gewesen sein.  Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung, die Tat werde als antisemitisch eingestuft.

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    Wie gehen Hochschulleitungen mit Antisemitismus um?

    FU-Präsident Günter Ziegler sprach von einem „Spektrum von Maßnahmen“ für einen „sicheren und respektvollen Campus“. Er nannte Ansprechstellen, Veranstaltungen und eine Aktionswoche gegen Antisemitismus. Gegen den Tatverdächtigen der jüngsten Attacke verhängte die FU ein Hausverbot.
    In Düsseldorf lehnte es Uni-Rektorin Anja Steinbeck ab, nach dem Vorbild der Ukraine auch Israel-Fahnen aus Solidarität aufzuhängen. Im WDR erklärte sie den Verzicht mit den Worten, „weil wir auf dem Campus auch sehr viele muslimische Studierende haben, die sich ganz deutlich von der Hamas distanzieren. Die wären dann gekommen und hätten gesagt: Können wir nicht auch die palästinensische Fahne aufhängen?“ Man wolle den „Frieden“ auf dem Campus sichern. Jüdische Studierende zeigten sich enttäuscht vom Verhalten der Uni-Leitung. Bei einer Anhörung im nordrhein-westfälischen Landtag wurde zudem kritisiert, dass es im bevölkerungsreichsten Bundesland keine Anlaufstelle für Antisemitismus-Fälle an Unis gebe.

    Welche Reaktionen gibt es in Politik und Gesellschaft?

    Der Berliner Fall löste zahlreiche Reaktionen aus. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, forderte mehrfach Konsequenzen. „Das Land Berlin hat in seinem Hochschulgesetz die Universitäten eindeutig dazu verpflichtet, gegen Antisemitismus vorzugehen“, sagte Klein dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Nun muss es darum gehen, die rechtlichen Rahmenbedingungen, die im Land schon lange bestehen, konsequent und konkret umzusetzen, sowie entschlossen gegen Israelfeindlichkeit und Judenhass auf dem Campus einzuschreiten.“ Wissenschaftssenatorin und Hochschulleitung müssten handeln.
    Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, forderte die Exmatrikulation des Angreifers. Wer einen Kommilitonen krankenhausreif schlage, weil dieser Jude sei, habe an einer deutschen Universität nichts zu suchen. Eine Exmatrikulation sei alternativlos. Die FU Berlin trage Verantwortung dafür, dass es in ihren Reihen keinen Platz für Extremismus und Antisemitismus gebe.
    Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) kündigten an, Gespräche über eine Reform des Hochschulgesetzes führen zu wollen. Dieses verhindert laut der Hochschule etwa eine Exmatrikulation des mutmaßlichen Täters.
    Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte von den Hochschulleitungen ein konsequenteres Einschreiten gegen Antisemitismus verlangt. Dass Jüdinnen und Juden sich im Uni-Alltag davor fürchteten, erkannt zu werden, dürfe kein Normalzustand werden.

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    Die Bundesländer reagierten mit einem Aktionsplan gegen Antisemitismus. Unter anderem sollen Anlaufstellen für Betroffene geschaffen werden.

    Wie gehen Unis in anderen Ländern mit Hass auf Juden um?

    Internationale Schlagzeilen machten antisemitische Zwischenfälle an der US-Eliteuniversität Harvard. Uni-Präsidentin Claudine Gay musste Anfang Januar 2024 zurücktreten. Es begann mit einem unglücklichen Auftritt vor dem Kongress bei einer Anhörung zu Antisemitismus an Hochschulen. Dabei konnte sich Gay nicht dazu durchringen, den Hamas-Terror gegen Israel eindeutig zu verurteilen. Später kamen neue Plagiatsvorwürfe hinzu – befeuert auch von rechtskonservativen Politikern und Medien.
    Auch andere Uni-Leitungen in den USA stehen seit Monaten in der Kritik. Der Vorwurf: ein zu lasches Vorgehen gegen Antisemiten auf dem Campus. Judenfeindliche Hetze und Gewalt sind auch Thema an Unis in Großbritannien und Frankreich.

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