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Antisemitismus
Mehr Einsatz vom Staat gefordert

Ende 2017 ging das Video eines antisemitischen Ausfalls gegen einen jüdischen Restaurantbesitzer in Berlin um die Welt. Kurz darauf beschloss der Bundestag, dass die Bundesregierung einen Antisemitismusbeauftragten brauche. Auch die offizielle Definition von Antisemitismus wurde erweitert. Die Jüdischen Gemeinden haben jedoch noch Fragen.

Von Sebastian Engelbrecht |
    Yorai Feinberg vor seinem Restaurant in Berlin-Schöneberg
    Restaurantbesitzer Yorai Feinberg sagt, er musste gegen die antisemitischen Attacken eine "Elefantenhaut entwickeln" (Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht)
    Ein Freitagnachmittag im "Feinberg's". Das Restaurant für "Israelische Spezialitäten" liegt in einem bürgerlichen Gründerzeit-Viertel, in Berlin-Schöneberg. An der Bar gibt es Champagner, israelischen Rotwein und Anisschnaps.
    "Wir kommen immer zurück von unserem Winterurlaub im Januar, und da war an der Eingangstür eine Papiertüte mit Hundekot. Einmal hat die Kellnerin nicht gewusst, was drin ist, hat die Tür aufgemacht, und das hat sehr viel Ärger gemacht."
    Berliner Polizei vor der Gaststätte auf Patrouille
    Yorai Feinberg, 36 Jahre alt, hat sein Restaurant in der Fuggerstraße vor fünf Jahren eröffnet. Es läuft gut, aber gegen die antisemitischen Attacken musste er eine "Elefantenhaut entwickeln", wie er sagt.
    "Boykott Israel-Aufkleber, sehr oft Anrufe mit verschiedenen – ich werde sie jetzt nicht wiederholen – Grüßen von dem damaligen Führer, manchmal auch lustige 'Wir sind 50 Palästinenser, wir kommen gleich zu Euch in fünf Minuten, hahaha!'"
    Die antisemitische Hetzrede eines Passanten vor seinem Lokal ging im Dezember als Video in sozialen Netzwerken um die Welt. Seither ist die Berliner Polizei vor der Gaststätte häufiger auf Patrouille. Yorai Feinberg lobt die Polizei. Sie mache eine "heilige Arbeit", sagt er. Von den Politikern ist er nicht so überzeugt. "Sie reden viel, aber tun weniger", meint Feinberg.
    Kurz vor der Veröffentlichung des "Feinberg's"-Videos hatten mehrere antiisraelische Demonstrationen die Öffentlichkeit schockiert. "Tod, Tod Israel" hatten arabische Einwanderer, vor allem Palästinenser, am 8. Dezember bei einer Demonstration gegen Donald Trumps Nahostpolitik vor dem Brandenburger Tor skandiert.
    Carl Chung, Koordinator für Politische Bildung des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) in Berlin
    Carl Chung, Koordinator für Politische Bildung des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) in Berlin, bleibt skeptisch (Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht)
    Beauftragter für Antisemitismus
    Die Politik reagierte schnell. Schon am 18. Januar beschloss der Bundestag die Berufung eines Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung. Und er schloss sich – wie zuvor schon das Bundeskabinett – einem erweiterten Antisemitismus-Begriff an. Dazu zählen nun auch Angriffe – in Wort oder Tat – auf den Staat Israel, "der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird". Zudem verurteilte der Bundestag die Aktivitäten der antiisraelischen "BDS"-Bewegung, die zum Boykott israelischer Geschäfte und Waren aufruft, "aufs Schärfste".
    All das fordert das "Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus" in Berlin schon seit Jahren. Carl Chung, Koordinator für Politische Bildung des Forums, bleibt dennoch skeptisch.
    "Und dann kommt es natürlich darauf an, was man daraus macht. Was ist das dann für eine Person, die Antisemitismusbeauftragte oder der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung wird? Mit welchen Kompetenzen ist diese Person wirklich ausgestattet? Wie weit reichen diese Kompetenzen, um wirklich ressortübergreifend zu koordinieren und nicht dafür zu sorgen, dass alle Ressorts auf diese Person alle Probleme mit Antisemitismus abschieben?"
    Zufrieden mit den politischen Konsequenzen aus den Ereignissen vom Dezember zeigt sich der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount Königsberg.
    "Wenn es in dem Tempo weitergeht – wunderbar! Von daher: Ich sehe, dass sich was bewegt."
    Sigmount Königsberg will mehr erreichen: Auch das Land Berlin müsse sich der "Arbeitsdefinition" von Antisemitismus anschließen, die der Bundestag angenommen habe. Die Israel-Boykotteure von der BDS-Bewegung dürften künftig weder öffentliche Mittel erhalten, noch öffentliche Räume nutzen. Und die alljährliche antiisraelische "Al-Quds"- Demonstration dürfe am Samstag nicht mehr auf dem Kurfürstendamm stattfinden, weil sie das Beten in zwei benachbarten Synagogen praktisch unmöglich mache. Mit diesen Forderungen stößt der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde beim Berliner Senat auf "offene Ohren", wie er sagt – mehr nicht. Er müsse diese Forderungen "immer wieder platzieren", um etwas zu erreichen.
    Politikerin forderte Pflichtbesuche in KZ-Gedenkstätten
    Den jüngsten Vorschlag der Berliner Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement, Sawsan Chebli, begrüßt Sigmount Königsberg. Sie hatte im Januar Pflichtbesuche in KZ-Gedenkstätten für Deutsche und Einwanderer vorgeschlagen. Chebli ist eine Tochter palästinensischer Eltern und nennt die Diskriminierung von Juden und Muslimen gern in einem Atemzug.
    Davidstern in der jüdischen Gedenkstätte auf dem Gelände des KZ Dachau
    Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) forderte für Asylbewerber verpflichtende Besuche von KZ-Gedenkstätten (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    "Die Bereitschaft von Muslimen und Migranten, auf jüdische Organisationen und auf Initiativen zuzugehen, war aus meiner Sicht noch nie so groß wie dieser Tage. Weil sie natürlich auch sehen, dass da, wo Antisemitismus herrscht, ganz häufig auch Islamfeindlichkeit und Muslimhass da ist. Und andersherum genauso. Das hat der israelische Botschafter auch gesagt."
    Schon vor den antiisraelischen Demonstrationen von Palästinensern im Dezember in Berlin hatte Sawsan Chebli einen "Arbeitskreis Antisemitismus" gegründet. Warum sie hierzu jedoch nicht alle in Frage kommenden Gruppen und Initiativen einlud, hat sie bislang nicht beantwortet – in den vergangenen Wochen war sie krankgemeldet, der Berliner Senat konnte keinen Stellvertreter für ein Interview benennen. Während Politiker, Vereine und Beauftragte noch diskutieren, wehrt Yorai Feinberg weiter täglich antisemitische Angriffe ab. Aber nicht nur das.
    "Die gute Nachricht ist, dass ich auch sehr viele solidarische Emails bekommen habe, auch von Muslims. Das will ich auch bezeichnen. Auch sehr viele solidarische Gäste, mit Kopftüchern. Es gibt auch solche, es gibt aber auch solche leider. Auch bei den Deutschen. Weit über tausend solidarische Nachrichten, Briefe, Schokoladen, Blumen, unglaublich."