Kommentar zur TU-Präsidentin
Geraldine Rauch muss zurücktreten

Die Präsidentin der TU Berlin hat auf X mehrfach Sympathien mit antisemitischen Inhalten bekundet. Ihre Reue kommt zu spät und ist unglaubwürdig - einer Amtsträgerin, die Politik für ihre Uni macht, kann man solche Fehler nicht verzeihen.

Ein Kommentar von Sebastian Engelbrecht | 07.06.2024
Geraldine Rauch, Präsidentin der TU-Berlin
Die Berliner TU-Präsidentin Geraldine Rauch will trotz Antisemitsmus-Vorwürfen im Amt bleiben. (picture alliance / dpa / Christoph Soeder)
Die Präsidentin einer Universität ist ein Vorbild – für alle, die da lehren, lernen und arbeiten. Als Wissenschaftlerin, als Organisatorin des akademischen Lebens, als Repräsentantin einer ehrwürdigen Institution.

Rauch klammert sich an ihr Amt

All das kann Geraldine Rauch, die Präsidentin der Technischen Universität Berlin, nicht mehr sein. Sie muss zurücktreten. Aber: Obwohl der Akademische Senat sie mehrheitlich für nicht mehr tragbar hält, klammert sich die Mathematikerin an ihr Amt.
Rauch hat sich als politisch unfähig erwiesen, weil sie als Privatperson auf dem Onlinekanal X oberflächliche Likes zu einem hoch umstrittenen und komplexen Thema verteilte. Schlimmer als die pure Tatsache aber wiegt, dass sie mehrfach Sympathien mit antisemitischen Inhalten bekundete: Ein Zerrbild von Israels Ministerpräsidenten Netanjahu mit roten Hakenkreuzen auf der Brust gefiel ihr, wie weitere Posts, in denen dem jüdischen Staat „Völkermord“ vorgeworfen wird, Israel pauschal als „Kriegsverbrecher“ hingestellt wird.

Die Reue ist unglaubwürdig

Rauchs Reue, ihre nachträglichen Distanzierungen von sich selbst, ihre Bekenntnisse gegen den Judenhass kommen zu spät und sind nach allem, was geschehen ist, unglaubwürdig. Ihr Versuch, sich reinzuwaschen, indem sie ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst anstrengt, führt da nicht weiter. Das Verfahren soll ihr Verhalten aus juristischer Sicht überprüfen. Ihr Versagen aber ist politischer und moralischer Natur.
Hilflos erscheint das Angebot der Universitätspräsidentin an jüdische Studentinnen und Studenten, sie in ihrer Sprechstunde zu empfangen. Wo das Vertrauen so abgrundtief zerstört ist, werden Gespräche nicht so bald helfen.

Die Vorwürfe sind nicht ausgeräumt

Das Vertrauen des Bundeskanzlers genießt Rauch jedenfalls nicht mehr. Olaf Scholz hat die TU-Präsidentin faktisch aus einem Beraterkreis, dem „Zukunftsrat“ für Technologie- und Innovationsfragen, entlassen. Die Vorwürfe gegen Geraldine Rauch seien nicht ausgeräumt worden, so die Begründung.
Einem Menschen kann man Fehler verzeihen und vergeben. Rauch aber macht Politik für ihre Universität. Einer politischen Amtsträgerin in Deutschland kann man nicht verzeihen, wenn es um ein so brandgefährliches Thema wie den Judenhass geht.
Korrespondent Sebastian Engelbrecht
Korrespondent Sebastian Engelbrecht
Sebastian Engelbrecht, geboren 1968 in Berlin, besuchte die Deutsche Journalistenschule in München und studierte Evangelische Theologie in Heidelberg, Berlin und Jerusalem. Promotion an der Universität Leipzig. Er war von 2008 bis 2012 ARD-Hörfunk-Korrespondent in Tel Aviv und anschließend Referent des Intendanten von Deutschlandradio. 2017-2018 unterwegs im In- und Ausland als Dlf-Reporter. Seit 2019 ist Engelbrecht Korrespondent im Landesstudio Berlin von Deutschlandradio in Berlin-Mitte.