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Antisemitismuskonferenz in Wien
Strategien gegen Judenfeindlichkeit entwickeln

Rassistisch, sozialistisch, katholisch, protestantisch: Antisemitismus habe viele Gesichter, so der Philosoph Bernard-Herni Levy. Er hielt die Eröffnungsrede der internationalen Antisemitismuskonferenz in Wien. Dort wollen Experten effektive Strategien gegen Judenfeindlichkeit erarbeiten.

Von Andrea Beer |
    der Philosoph Bernard-Herni Levy steht auf einem Podium und spricht in ein Mikrofon, er gestikuliert mit seiner linken Hand.
    Der französische Philosoph Bernard-Henri Levy (imago stock&people/ Hossein Siavosh)
    Ein Mann wie Bernard Henri Levy, der kommt nicht einfach nur herein. Nein, der tritt auf. Und der prachtvolle Saal im Wiener Rathaus war eine angemessene Kulisse für den streitbaren französischen Philosophen.
    "Its very special..."
    Es sei etwas Besonderes, gerade in Wien über Antisemitismus zu reden, so begann er seine Eröffnungsrede. Wien oder Österreich, das sei die Heimat von Josef Roth und vielen anderen der Besten des Judentums gewesen, so Levy.
    Wien war aber gleichzeitig Schauplatz mit des schlimmste Antisemitismus, als dieser eine vernichtende Kraft war, zur Zeit des sogenannten Anschluss 1938, den viele bejubelten. Wien war ein Ort des Schmerzes des Horrors und des Trauerns zur Zeit des Holocaust und Wien ist auch heute ein Ort, an dem Antisemitismus wieder eine zentrale Frage ist, so Levy mit Blick auf die Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen FPÖ.
    Antisemitismus heute hat laut Levy unterschiedliche Gesichter: rassistisch, sozialistisch, katholisch, protestantisch extrem rechts oder extrem links, alles habe den gleichen Kern. Das Leugnen des Holocaust als Form des Antisemitismus komme mal verhalten daher, mal offen schamlos. Auch Antizionismus sei nur die Tarnung einer grundsätzlich feindlichen Haltung gegenüber dem Staat Israel. Nach dem Motto: wir hassen die Juden ja gar nicht, sondern nur einen Staat der repressiv ist – sprich Israel. Viele würden denken, sie seien aus gutem Grund Antizionisten.
    Antisemitismus hat viele verschiedene Formen
    Auch das angebliche Überbetonen jüdischer Opfer entlarvte Levy einmal mehr als antisemitisch. Also der Vorwurf, jüdische Erinnerungskultur würde nur vom Leiden anderer ablenken wollen. In seiner langen und ganz frei gehaltenen Wiener Rede äußerte der Franzose dann am Ziel der Konferenz höfliche Zweifel, die den Antisemitismus beenden will, und dieses Motto mit einem Ausrufezeichen betont.
    "Mit gefällt das Ausrufezeichen im Titel der Konferenz am besten. Die Idee, Antisemitismus beenden zu wollen, damit habe ich doch Probleme."
    Antisemitismus, den müsse man benennen, auf ihn reagieren und zum Gegenangriff übergehen, so Levy. Den Antisemitismus beenden, das ist ein äußerst ehrgeiziges, visionäres, ja illusorisches Ziel. Dessen sind sich die Organisatoren der Universitäten Wien, Tel Aviv und New York durchaus bewußt. Denn auch die nach Wien gereisten Rabbiner, Imame, Politologen, Psychologen oder Historiker beschäftigen sich seit Jahren oder gar Jahrzehnten mit dem Thema und handeln es die Woche über in 16 Themenrunden ab.
    In rund 150 Vorträgen geht es um Geschichte des Antisemitismus von der Antike bis heute, Psychologische Aspekte oder Antisemitismus im Islam im Internet oder in Social Media. Ein Bereich, in dem auch die rechtspopulistische FPÖ seit Jahren sehr aktiv und erfolgreich ist. Die FPÖ ist seit rund zwei Monaten an der Regierung in Österreich beteiligt, darauf spielte auch Ariel Muzicant an. Der langjährige Präsident der israelitischen Kultusgemeinde in Wien sagte zu Beginn der Konferenz:
    "Als wir die Konferenz geplant haben, konnten wir nicht wissen, wie zentral die Frage im Februar 2018 in Wien sein würde. Manchmal muss man einfach auch Glück haben, das Richtige zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu tun."
    "Gesellschaft zwingen, die volle Wahrheit über sich zu erkennen."
    Antisemitismus, das gäbe es aber auch in seinem Heimatland Frankreich, betonte der Philosoph Bernard Henri Levy, genauso wie in Ungarn oder in Polen, wo er das umstrittene neue Holocaust Gesetz als Beispiel nannte. Was ist die Aufgabe eines Intellektuellen? Das fragte Dina Porat mit Blick auf Levy in den Saal. In Anlehnung, an den in Wien geborenen jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber. Und die leitende Historikerin der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem lieferte auch Bubers Antwort mit.
    "Die Aufgabe des Intellektuellen ist laut Buber, die Gesellschaft zu zwingen, die volle Wahrheit über sich zu erkennen, auch um den Preis, dass er dann nicht mehr geliebt wird. Die Gesellschaft mag es nun mal, umschmeichelt und bestätigt zu werden. Dass sie den richtigen Weg geht und zwar in jeder Beziehung."
    In vier vollgepackten Konferenztagen wollen die Teilnehmer nun effektive Strategien gegen Antisemitismus entwickeln und diese in einem Handbuch zusammenfassen. In diesem Sinne ist es nicht nur für Bernard Henri Levy etwas ganz Besonderes, in Wien über Antisemitismus zu reden.