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Antiziganismus
Hass auf Roma-Kunst

Eine Flut von Hassanrufen bis hin zu Morddrohungen - die Reaktionen auf eine Ausstellung moderner Kunst von Sinti und Roma in Bukarest sind heftig. "Ressentiments und der Antiziganismus reichen bis in die Mitte der Gesellschaft", berichtet der Berliner Galerist Moritz Pankok im DLF. "Da muss man gar nicht ins extremistische Spektrum."

Moritz Pankok im Gespräch mit Dina Netz |
    Besucher am 2.7.2014 bei der Eröffnung einer Ausstellung mit Bildern von George Vasilescu, die Sinti- und Romamusiker zeigen, im Museum des rumänischen Bauern, Bukarest.
    Besucher bei der Eröffnung einer Ausstellung mit Bildern von George Vasilescu, die Sinti- und Romamusiker zeigen, im Museum des rumänischen Bauern, Bukarest. (AFP / Andrei Pungovschi)
    Dina Netz: Der Direktor des Museums des rumänischen Bauern in Bukarest ist ein rühriger Mann: Er zeigt nicht nur die anthropologische Sammlung seines Hauses, sondern immer wieder auch zeitgenössische Kunst. Kürzlich hat er 15 Porträts von Roma-Musikern ausgestellt. Kurz vor Beginn der Schau trat ein rumänisches Parlamentsmitglied eine Hetzkampagne los, so berichtet es die "taz". Der nationalistische Politiker nannte die Ausstellung eine "unverantwortliche Beleidigung" der rumänischen Kultur, das Museum fördere damit Homosexualität. Die Folge waren eine Flut von Hassanrufen und Mails beim Direktor, Morddrohungen und die Drohung, die Kunstwerke zu zerstören. Passiert ist letztlich aber nichts.
    Moritz Pankok stellt seit Langem in der Galerie Kai Dikhas in Berlin Kunst von Roma und Sinti aus, unter anderem auch von George Vasilescu, von dem die 15 Porträts stammen. Ich habe ihn gefragt: Wie sind Ihre eigenen Erfahrungen?
    Moritz Pankok: Ja, es ist für viele Leute eine Provokation, dass Sinti und Roma selber zeitgenössische Kunst machen. Damit spiele ich natürlich insofern, als dass unsere Galerie ganz explizit im Titel führt, dass wir eine Galerie für zeitgenössische Kunst der Minderheit sind. Da wird man sich natürlich drüber wundern, weil normalerweise ist natürlich der ethnische Hintergrund eines Künstlers vielleicht erst mal zweitrangig. In diesem Fall ist das aber auch schon allein oft eine Provokation, weil bei keinem Volk wie bei den Sinti und Roma haben die Leute ein vorgefertigtes Bild im Kopf, wie Sinti und Roma denn zu sein haben, und zeitgenössische Künstler, die brechen natürlich mit solch einem Bild.
    Netz: Der Museumsdirektor wurde in der "taz" zitiert mit den Worten, dass er schon Ausstellungen und Veranstaltungen zu Roma gemacht habe, aber noch nie so schlimm angegangen wurde. Spitzt sich die Situation da jetzt auch zu?
    Pankok: Der Museumsdirektor, der ist sozusagen ein bescheidener Mensch, weil er das auch etwas heruntergespielt hat. Aber es ist halt leider so, dass so was in der letzten Zeit vermehrt auftritt und vor allem auch in der Schärfe zunimmt.
    "Das zeigt nur, dass es hier nicht um Fakten geht"
    Netz: Merkwürdigerweise vermischt sich das ja auch in diesem Angriff von dem Parlamentsabgeordneten mit Homophobie. Welche Stimmungen vermischen sich denn da?
    Pankok: Das kann ich eigentlich gar nicht nachvollziehen, weil diese Ausstellung überhaupt gar nicht Homosexualität zum Beispiel thematisiert, und das zeigt nur, dass es hier nicht um Fakten geht, dass sich dieser Politiker auch gar nicht mit der Kunst auseinandergesetzt hat, sondern dass es ihm einfach darum ging, dass in einer staatlichen Institution die Kultur der Sinti und Roma nichts zu suchen hat, obwohl die Sinti und Roma ja nun seit vielen Hundert Jahren Teil von Rumänien sind.
    Blick nach Ungarn
    Netz: Herr Pankok, lassen Sie uns noch einen Blick nach Budapest, also nach Ungarn werfen. Da werden Sie Anfang August eine Ausstellung eröffnen, die Sie kuratieren, in einer Galerie, die voll vergittert ist und Abends zur Sicherheit leer geräumt wird. Das ist auch Roma-Kunst. Haben Sie dort ähnliche Erfahrungen gemacht, oder schlimmere als in Rumänien?
    Pankok: In Budapest ist es gerade sehr brisant, weil aufgrund der politischen Situation eigentlich das, was die Emanzipationsbewegung der Sinti und Roma in den letzten 25 Jahren erkämpft hat, also Institutionen, eigene Räume oder auch ein Magazin, all diese Errungenschaften werden in den letzten Jahren leider abgeschafft oder geschlossen, und daran ist die Politik beteiligt. Das ist sozusagen eine öffentliche oder eine politische Erosion von dem, was bisher geschafft worden ist.
    Aber es ist auch so, dass die Minderheit selber durch die Übergriffe, die es in den letzten Jahren gegeben hat, und durch das politische Klima sehr in Furcht lebt und verschreckt ist. Ich wollte eigentlich anlässlich dieser Ausstellung eine Installation im öffentlichen Raum der Künstlerin Delaine Le Bas, einer sehr renommierten Künstlerin, die schon auf der Biennale in Venedig ausgestellt hat, realisieren. Das konnte ich aber nicht tun, weil meine Kollegen dort um die Sicherheit nicht nur der Kunstwerke, sondern vor allem der Künstlerin, die ja in einem gewissen Zeitraum auch diese Installation bauen würde, im öffentlichen Raum, und als Roma erkenntlich tätig wäre, dass sie da mir gesagt haben, das können wir nicht verantworten, das ist einfach zu gefährlich.
    Und das sind natürlich Umstände, die ganz anders sind als die, die ich jetzt hier in Kreuzberg kenne, wo ich natürlich in der Umgebung ein sehr interessiertes Publikum kennen gelernt habe, was zu unserer Galerie kommt.
    Netz: Sie kennen ja beide Länder gut. Sind die Ressentiments in Ungarn und Rumänien dieselben oder ähnliche oder sind das schon ganz verschiedene Situationen?
    Pankok: Nun, sie sind vergleichbar. Der Politiker in Rumänien, der ist ein Parlamentarier der sozialdemokratischen Partei und ist eigentlich Mitglied einer Regierungspartei. Da hätte man eigentlich einen verantwortungsvolleren Umgang mit diesen Themen erwarten können. Es ist einfach so, dass die Ressentiments und der Antiziganismus bis in die Mitte der Gesellschaft reichen und auch bis in eigentlich bürgerliche Parteien. Da muss man gar nicht ins extremistische Spektrum schauen, sondern man findet solche Kommentare auch in bürgerlichen Parteien.
    Das ist in Ungarn genauso und dort ist jetzt gerade zum Beispiel ein Bürgermeisterkandidat auch der sozialdemokratischen Partei, und der spricht auch andauernd von Begriffen wie "Zigeuner-Kriminalität" oder "Roma-Kriminalität". Und da muss man mit Aufmerksamkeit auch aus Deutschland und aus ganz Europa dem entgegenwirken, damit die Leute sehen, das was dort passiert wird beobachtet, und damit auch die Aktivisten, die Roma in den Ländern wissen, dass sie nicht alleine sind, sondern dass das, was dort geschieht, beobachtet wird.
    Netz: Der Galerist Moritz Pankok über seine Erfahrungen mit Ausstellungen, die Kunst von Roma und Sinti zeigen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.