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Antiziganismus in Rumänien
Profitieren rumänische Roma vom EU-Vorsitz?

Durch den EU-Vorsitz fällt ein Schlaglicht auf Rumänien. Roma-Aktivisten hoffen auch auf europäische Aufmerksamkeit für die Millionen Roma im Land. Den meisten fehlt Zugang zu Wohnung, Gesundheitssystem, Bildung oder dem regulären Arbeitsmarkt. Viele sind Tagelöhner und leben in Slums am Rand der Dörfer und Städte. 

Von Andrea Beer |
    Ein rumänisches Romakind, drei Jahre alt, zwischen Müll, dass neben einem Hund steht und versucht, seine Kekse vor ihm zu verstecken.
    Schätzungsweise leben ein bis zwei Millionen Roma in Rumänien - viele in Armut (picture alliance / dpa / epa Robert Ghement)
    Roma Versammlung im Gemeindehaus der Baptisten in Tinca. Die 8.000 Einwohner leben im Nordwesten Rumäniens nahe der Stadt Oradea an der ungarischen Grenze. Rund 1600 Bewohner von Tinca sind Roma. Einige hundert leben in einem Mini-Slum am Dorfrand und das soll sich ändern, verspricht Marius Tudor. Er arbeitet für die "European Public Health Alliance", ein Nichtregierungsbündnis, das sich von Brüssel aus für bessere Gesundheit für Menschen einsetzt.
    "Ich, Marius Tudor aus Brüssel, verspreche Euch persönlich, dass es keine drei Jahre dauern wird, bis die Straßen in Eurer Gemeinschaft asphaltiert sind."
    Der smart wirkende Ökonom ist ein Rom aus Rumänien, genau wie die rund 15 Männer, die Marius Tudor in dem nüchternen Gemeinderaum bei Cola und Keksen gegenübersitzen und ihn aufmerksam mustern.
    "Veränderung kann es nur geben, wenn man sie auch von den Mächtigen fordert. Unsere Roma-Rechte sind Menschenrechte und keine Privilegien, die von einem Bürgermeister oder Stadtrat gewährt werden müssen."
    Struktureller Antiziganismus
    Marius Tudor ist mit dem Europaabgeordneten Romeo Franz nach Tinca gereist, der auch an dem Treffen teilnimmt. Die Roma berichten auf Rumänisch von fehlenden Jobs oder Ausgrenzung ihrer Kinder. Der schwarzhaarige Zweimetermann Franz bekommt das meiste direkt übersetzt und nickt immer wieder zustimmend.
    "Die Straßen hören genau dort auf, wo die Roma leben. Das ist mich bezeichnend, wie stark dieser strukturelle Rassismus, der strukturelle Antiziganismus hier ist."
    Zehn bis zwölf Millionen Roma und Sinti leben schätzungsweise in Europa. Die Roma vorwiegend in den Ländern Südosteuropas: Rumänien, Bulgarien, Serbien, Mazedonien oder dem Kosovo. Romeo Franz ist der einzige Sinto im EU-Parlament. Außer ihm machen noch zwei Romni Europapolitik. Eine Abgeordnete aus Schweden, eine aus Ungarn. Die politischen Eliten der Sinti und Roma wurden durch den Völkermord der Deutschen praktisch ausgelöscht, sagt der Grünenpolitiker Franz. Er scheint wild entschlossen, die Probleme der Menschen anzugehen.
    "Sie sind die meistgehasste Minderheit in Europa."
    Romeo Franz am Rednerpult einer Veranstaltung der Grünen
    Grünenpolitiker und Europaabgeordneter Romeo Franz (imago)
    Der Rassismus macht auch vor dem EU Parlament nicht halt. Der italienische Parlamentspräsident Tajani meinte letzten Oktober sinngemäß, die Roma seien keine italienischen Bürger.
    "Das hat zum Beispiel genau gezeigt, dass ein Parlamentspräsident genauso antiziganistische Ansichten hat, wie ein Antiziganist aus Tinca."
    Romeo Franz sitzt im Innenausschuss des EU Parlaments und will nicht nur dort für Probleme von Roma und Sinti sensibilisieren. Er fordert Kontaktstellen für Antiziganismus in allen EU-Ländern. Berlin, Madrid, Sofia, Rom oder Bukarest sollen Vorfälle sammeln und regelmäßig nach Brüssel berichten.
    Die schmalen Straßen der Roma am Dorfrand von Tinca säumen niedrige, heruntergekommene Häuser. Lärmende Kinder spielen auf Bergen von Hausmüll, die ganz Kleinen lugen hinter den Rockzipfeln ihrer Mütter hervor. Ein Familienvater klagt.
    "Sie sollen uns für jedes Haus Mülltonnen zuteilen und die Straße asphaltieren. Denn wenn die Kinder morgens zur Schule gehen, treten sie direkt in den Schlamm. Wir wollen auch Kanalisation, damit wir Toiletten haben können. Und die Straße für unsere Kinder."
    Ein paar Schritte weiter die schmale Straße entlang, grast ungerührt ein braunes Pferd. "Das ist zu verkaufen", ruft eine Romni fröhlich über die Wiese hinweg und bittet in ihr winziges Haus.
    Leere Versprechungen
    Roberta Florica ist 32, hat vier Kinder und war schon zum Betteln in Paris und Lyon. Doch viel kann das nicht bringen, die bittere Armut der Familie ist offensichtlich. Roberta Floricas Kinder lachen nervös. Eine Tochter ist schwanger und bald wohnt auch noch ein Säugling in den beengten feuchten Zimmern der Familie. Die braunen Augen von Roberta Florica blitzen gescheit und es ist schwer zu glauben, dass sie nie eine Schule besucht hat.
    "Alle versprechen uns zu helfen, aber alle machen dann nur Fotos und keiner hilft uns nachher wirklich. Sie stecken das Geld in ihre eigenen Taschen und behaupten, sie hätten uns damit Häuser gebaut. Schau dich doch einfach um. Einen Mann habe ich nicht. Diese Kinder hier kann ich kaum ernähren. Das Kindergeld, das kann man vergessen."
    Eine französische NGO hat in Tinca ein Tageszentrum für die Roma gebaut mit Waschmaschinen, blitzsauberen Duschen und Kinderspielräumen. Warum das Haus nicht genutzt wird, bleibt an diesem Tag offen. Regelmäßiger Schulbesuch oder ärztliche Versorgung, all das fehlt und sogar ihre Gräber müssen sich die Roma in Tinca erkämpfen, sagt Johann Kovacs und schüttelt bekümmert den Kopf. Der engagierte Rentner wanderte vor 30 Jahren von Rumänien nach Deutschland aus und gehört zur Nürnberger Maranatha Baptisten Gemeinde, die in Tinca hilft und auch eine Schule baut.
    Ein Slum in Baia Mare im Nordwesten Rumäniens. Roma laufen zwischen den Gleisen einer Eisenbahn.
    Ein Slum in Baia Mare im Nordwesten Rumäniens. (picture-alliance / Zsolt Czegledi)
    "Sie werden auch nicht in der Schule akzeptiert. Weil, sie haben keine Kleider. Manche sind barfuß, manche haben einen gelben Schuh, der andere hat einen Schuh von der Mutter an, der andere vom Vater. Hat nicht mal ein paar Schuhe sondern zwei verschiedene Schuhe ein Kind. Wir möchten nicht, dass unsere Kinder mit den Zigeunern in die Schule gehen. Das sagen die Eltern und die Lehrer akzeptieren das, weil sonst bringe ich mein Kind nicht mehr in die Schule."
    Johann Kovacs war schon zig Mal in Tinca und auch Dimo Franz kennt sich dort aus. Ein kleiner älterer Herr mit dem es leicht ist ins Gespräch zu kommen.
    "Ich habe hier gehört, wie ein Mann geschimpft hat mit dem Bürgermeister und er hat gesagt: "Ich suche schon einen Monat lang Arbeit oder zwei Monate. Du hast mir keine Arbeit gegeben." Und da hat er gesagt: "Wieso? Du kannst doch arbeiten." Ja, hat er gesagt, "am Straßenbau für 1 Euro 50."
    Für rassistisch motivierte Ausgrenzung hat Dimo Franz eine untrügliche Antenne. Der 66-Jährige ist der Onkel des grünen Europaabgeordneten Romeo Franz und ebenfalls ein deutscher Sinto. Mehrmals pro Jahr reist Dimo Franz nach Rumänien und die geradezu abwehrende Haltung der Mehrheitsgesellschaft gegenüber den Roma Mitbürgern dort, bringt Dimo Franz so auf den Punkt:
    "Diskriminierend. Sehr. Es gibt Vereinzelte, die anders sind, etwa die Lehrerin, die die Kinder unterrichtet. Und dann gibt es auch Kinder, die nur Romanes sprechen; die sprechen nicht Rumänisch."
    Begegnungsstätte für Roma-Kinder und Mehrheitsbevölkerung
    Dimo Franz kann sich mit den Kindern trotzdem unterhalten. Er spricht Romanes. Sein Romanes unterscheide sich aber von dem in Rumänien.
    "Es ist ein bisschen wie Italienisch und Spanisch kann man sagen.
    Dimo Franz ist Baptist. Um den Hals trägt er eine Kette mit einem Davidstern. Vor allem, weil Jesus Jude war, meint er. Aber Dimo Franz denkt dabei auch an seine Vorfahren. Während der NS-Zeit traten seine jüdischen Eltern zum Katholizismus über, um nicht aufzufallen. Sie änderten deswegen auch ihre Nachnamen Grünholz und Blum in Franz. Während des Nationalsozialismus wurde die Familie entwurzelt und verfolgt, mindestens dreißig Angehörige wurden in deutschen Lagern ermordet. Für die Schule im rumänischen Dorf Tinca wünscht sich Dimo Franz, dass die Roma mehr über ihre Geschichte und die NS Verbrechen erfahren.
    "Das sollen unten zwei Klassen rein und oben soll eine kleine Begegnungsstätte gemacht werden, dass die Roma-Kinder mit der Mehrheitsbevölkerung zusammenkommen und sich kennenlernen. Und eine kleine Information kriegen, was die Roma so alles mitgemacht haben und erlebt haben."
    Die lange Geschichte der Roma und Sinti zu kennen und über die Verfolgung Bescheid zu wissen ist wichtig, doch der Brüsseler Gesundheitsexperte Marius Tudor macht sich in Tinca ein Bild von der ernüchternden Gegenwart. Durch die Lebensumstände dort sieht er die Gesundheit der Roma gefährdet.

    "Sie leben in der Nähe von Müll und haben kein sauberes Wasser. Allein das würde genügen. Dazu kommen soziale Probleme, fünf oder sechs Familienmitglieder leben im gleichen Zimmer, die Luft ist nicht gut dort. Es gibt Insekten und kleine Tiere, die durch die Häuser laufen. All das gefährdet die Gesundheit der Roma, die dort leben."
    Marius Tudor will den EU Vorsitz Rumäniens nutzen und verpflichtende Strategien für Roma-Integration entwickeln. Jedes EU-Land soll einen nationalen Plan erarbeiten, der dann auch für Städte und Gemeinden gilt. Die jeweilige Regierung stellt Gelder bereit und alle Ministerien oder Städte müssen diese für Roma-Integration verwenden. Bildung, Wohnen medizinische Versorgung und Arbeit sollen damit endlich gewährleistet sein.
    Der EU-Abgeordnete Romeo Franz ist das zweite Mal in Tinca, und ganz Politiker, verteilt er Süßigkeiten an die Roma-Kinder.
    "Wir sind hier durch die Straße gelaufen und sehen Bürger in entmenschlichten Situationen. Das bedeutet, dass diese Ansätze, die hier gefahren wurden, nicht funktioniert haben."
    Mit Bürgermeister Teodor Coste hat Romeo Franz über die Probleme der Roma in Tinca gesprochen. Doch wer ernstgemeinte Roma-Politik macht, gewinnt in Rumänien keine Wahlen. Teodor Coste weist die Verantwortung von sich.
    Roma-Kinder im Buki-Haus im rumänischen Dorf Cidreag
    Für Marius Tudor ist Bildung eines der wichtigsten Mittel gegen die Armut von Roma (Deutschlandradio / Thomas Wagner)
    Die längst überfällige Integration der Roma
    "Die Herren in der EU wissen besser als ich was zu tun ist. Der Vertreter der Roma in der EU hat die Situation hier gesehen. Ich habe ihm gesagt: "Bringen sie uns jemand, damit das Tageszentrum funktioniert und bauen Sie Häuser, wenn Sie können. Aber Bodenfläche, die wir den Roma zur Verfügung stellen können, haben wir als Gemeinde keine mehr."
    Die längst überfällige Integration der Roma ist ein Prozess, der ohne Bürgermeister wie Teodor Coste nicht gelingen kann. Das betont der Soziologe Marian Daragiu. Auch Stadt und Gemeinderäte, Behörden und die Regierung nimmt Marian Daragiu in die Pflicht, denn der Staat sei für seine Bürger verantwortlich. Regierungsunabhängige Organisationen oder Stiftungen könnten aber zeigen, wie es geht, findet er und weiß wovon er spricht. Seine Stiftung Ruhama unterstützt seit rund 20 Jahren Gemeinden, in denen Roma arm und sozial ausgegrenzt sind. Zum Beispiel in Tetchea, rund eine Autostunde vom Dorf Tinca entfernt. 2006 kommt er zum ersten Mal dorthin und kann es nicht fassen.
    "Ich gebe Ihnen ein konkretes Beispiel. Laut Weltbank gehörte der Ort zu den ärmsten Roma-Gemeinden in Rumänien. Ich kann nur schwer ausdrücken, was ich vorfand, als ich diese Gemeinde kennenlernte. Es waren einfache Hütten, die Eltern hatten keinerlei Prioritäten, was Erziehung, geschweige denn Schule für ihre Kinder betrifft. Die Eltern schliefen nachts in Schichten, um die Kinder davor zu schützen im Schlaf von Ratten gebissen zu werden. Denn es gab dort Kinder, die im Schlaf von Ratten in die Ohren und die Nasen gebissen worden waren. Es war eine Gemeinschaft, in der es nur ums Überleben ging."
    Eine Roma-Familie vor einer Holzhütte
    Dass sechs Personen ohne Elektrizität und Wasser auf vier Quadratmeter leben ist keine Seltenheit (picture alliance / J.W.Alker)
    Die Romni Corina lebt seit rund 25 Jahren in Tetchea und auch sie denkt mit Schrecken daran zurück.
    "Bevor Herr Marian hier bei uns Roma aufgetaucht ist, gab es ein großes Elend hier. Ich habe mit meinem Mann und den vier Kinder in einer Lehmhütte zusammen mit meinen Eltern gewohnt. Es war schrecklich. Überall gab es Ratten, auch im Haus. Schlimme Bedingungen waren das. So war es seit ich geheiratet habe und die vier Kinder hatte. Wenn es geregnet hat, hat es auch durchs Dach geregnet und wir konnten uns der Ratten nicht mehr erwehren."
    Noch immer ist dieser Teil des Dorfes arm, doch zu früher kein Vergleich.
    "Die Gemeinde hatte nichts, keinen Strom, kein fließendes Wasser und kein Trinkwasser. Bei Regen wurden die Wege aufgeweicht und zu Schlammspuren. Es gab keinerlei Zugang zu Dienstleistungen, niemand war krankenversichert, es gab keinen Hausarzt. Die Menschen lebten außerhalb der Gesellschaft."
    Eine Situation, die bis heute in vielen Roma Gemeinden in Rumänien die Regel ist. Marian Daragiu lernt damals vor allem auf die Bedürfnisse der Menschen einzugehen, und dass er selbst ein Rom ist hilft ihm dabei. Wenn er über Bildung spricht, stößt er allerdings auf Unverständnis.
    "Für Erziehung und Bildung war da kein Platz"
    "Natürlich sind Erziehung und Bildung der Weg aus der Armut, und die Schule kostet nichts. Aber wenn wir den Eltern Vorhaltungen machten, sahen wir, dass sie uns einfach nicht verstanden. Sie hatten völlig andere Probleme und für Erziehung und Bildung war da kein Platz. Die Eltern erzählten uns von ihren Prioritäten, die unglücklicherweise nicht denen der Geldgeber des Projekts entsprachen."
    Noch immer leben die Roma in Tetchea am Rand des Ortes von den anderen getrennt. Doch die Straßen sind fest und viele Häuser sind neu gebaut und haben Strom, es gibt ein Tageszentrum fürs Waschen und sich aufhalten und als wir durch Tetchea laufen, duftet es auf der Straße nach Essen. Es klingt wie ein Klischee, doch fragt man nach Marian Daragiu, geraten die Menschen geradezu ins Schwärmen. Und auch die Romni Corina findet nur gute Worte.
    "Die Häuser waren nicht so wie diese, die Sie nun sehen, es waren Lehmhütten, aus Ziegeln gebaute Hütten. So elend ging es uns bis Marian kam."
    Doch nicht von Anfang an ist alles so harmonisch. Marian Daragiu muss in mühevoller Arbeit das Vertrauen der Roma in Tetchea gewinnen und erlebt dabei auch viele Rückschläge. Er entscheidet gemeinsam mit den Menschen, wer am nötigsten ein neues Haus braucht. Zu Beginn will jeder zuerst drankommen. Baumaterial wird gestohlen und wer ein neues Haus bekommt lässt seine alte Elendshütte weiter stehen.
    Die rumänische Ministerpräsidentin Viorica Dancila und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
    Die rumänische Ministerpräsidentin Viorica Dancila und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (picture alliance / Vadim Ghirda)
    "In der zweiten Vergaberunde wollten aber nicht mehr 19 Familien neue Häuser, sondern die Gemeinschaft suchte vier Familien aus. Ich sagte, ich bringe euch dann wieder Baumaterial und Ziegel. Und die größte Genugtuung der letzten 20 Jahre erlebte ich, als ich diese vier Familien besucht habe. Sie hatten ihre alten Häuser schon zerstört und sagten ganz selbstverständlich: "Warum denn nicht? Du hast ja gesagt, dass du kommst und neue baust" Das war für mich der größte berufliche Erfolg."
    Der rumänische Rom Marian Daragiu ist ein ausgewiesener Experte für Fragen der Integration von Roma in seinem Land geworden. Über seine Erfahrungen mit den Bewohnern in Tetchea meint er rückblickend.
    "Die wichtigste Lektion, die ich damals gelernt habe, war, dass wir eigentlich gar nichts wissen über diese Menschen, die unter solchen Bedingungen leben. Und dass sie diese überlebt haben, kam ausschließlich aus eigener Kraft. Wenn jemand von uns gezwungen wäre dort zu wohnen, unter den Bedingungen von damals, dann wäre derjenige nach zwei Monaten daran zugrunde gegangen."
    Marian Daragiu hat das Leben der Menschen in Tetchea verändert. Doch die meisten der ein bis zwei Millionen Roma in Rumänien kämpfen oft buchstäblich ums Überleben. Der umgängliche und selbstbewusste Daragiu ist sich dessen natürlich bewusst. Er gehört zu den wenigen rumänischen Roma mit Universitätsabschluss und muss selbst mit knallhartem Rassismus und demütigenden Vorurteilen kämpfen. Die Hilfe für Roma sieht er als Erziehungsprozess für die gesamte rumänische Gesellschaft und er hofft, dass die rumänische EU- Ratspräsidentschaft die europäische Aufmerksamkeit darauf lenkt.
    Bildung gegen Armut
    Die Roma Versammlung im Gemeindehaus der Baptisten in Tinca endet unterdessen ohne konkrete Versprechen der anwesenden Gemeindevertreter. Einige Wochen später wird die kleine Straße durch das Roma-Viertel aber zumindest geschottert sein. Für eine grundlegende Veränderung fehlt jedoch der politische Wille. Der offene Rassismus gegenüber Roma in Rumänien bleibt. Marius Tudor will sich damit nicht abfinden und ihn motiviert dabei die Geschichte seines Vaters.
    "Mein Vater war ein Bettler bis er vier Jahre alt war. Und meine Großmutter nahm ihn mit, an Straßenecken, vor Kirchen, wo sie bettelten, um zu überleben. Später wurde er zur Adoption freigegeben. Er kam zwar in eine arme Familie, ging aber zur Schule. Unterstützt von der Gemeinschaft, bekam er eine gute Ausbildung, und so änderte sich sein Leben."
    Die Bildung ist für Marius Tudor deswegen eines der wichtigsten Mittel gegen die Armut.
    "Vor Gott sind alle gleich und ob sie wollen oder nicht, sie müssen uns gleichberechtigt behandeln. Der Unterschied zwischen den Menschen ist doch, dass manche Menschen in die Schule gehen und Arbeit bekommen, und andere in Armut geboren wurden und das nicht tun können. Denen, die die Möglichkeit zur Bildung hatten, sage ich immer, nutze dein Wissen, um denen zu helfen, die weniger Glück bei ihrer Geburt hatten. Und das ist die Aufgabe jedes Menschen, zumindest das Leben eines anderen auf dieser Erde zu verändern."