David Bowie im Lendenschurz, Mick Jagger mit geschminkten Lippen im Kleid, Bono und Nick Cave mit bösem Blick, Iggy Pop hockt auf einer Mauer, Björk mit der Björk-Puppe in der Hand. Musiklegenden der 80er und 90er, schwarz/weiß, in irren Posen. Zeitzeugen einer Rebellion. Gerahmt mit Passepartouts.
Er hat sie alle fotografiert, Anton Corbijn, heute 63 Jahre alt, stakst zwischen seinen Fotos umher - immer noch schlaksig und etwas unbeholfen sich zu kleinen Journalisten hinabbeugend, wie ein zu schnell zu groß gewachsener Teenager. Der Starfotograf antwortet höflich auf alle Fragen, wirklich alle Fragen: "Wie, auf der Bühne? Musik habe ich nie gemacht. Ich sehe nur aus wie ein Rockstar."
"Ich habe immer sehr intuitiv gearbeitet"
Der Sohn eines Pastors, aufgewachsen im holländischen Dörfchen Strijn, hat Musikgeschichte geschrieben, ohne jedoch selbst Musiker zu sein: "Musik war für mich das Größte. Mitte der 60er hörte man die Beatles im Radio und es hingen Fotos von ihnen bei jedem Friseur. Das war eine wahnsinnig interessante Welt, aber für mich damals sehr weit entfernt."
Auf einem Jazzkonzert in Groningen knipst der 17-jährige Gymnasiast die ersten Fotos mit dem Apparat des Vaters. Die Bilder erscheinen in der Zeitung. Der Berufsweg ist von hier an vorgezeichnet. "Ich habe immer sehr intuitiv gearbeitet. So war mein künstlerischer Zugang. Mit der Kamera meines Vaters in der Hand habe ich schnell einen Sinn für Komposition entwickelt. Das war für mich irgendwie natürlich, ich musste mich nicht anstrengen. Es war einfach da."
1979 zieht Corbijn von Amsterdam nach London, es ist die Postpunk-Ära. Die Luft brennt. Corbijn mittendrin, macht eine Aufnahme von Joy Division. Das Bild hat kaum Grautöne, ist beinahe scherenschnittartig, schwarz- weiß. Vier Musiker stehen an einer Treppe, die zur Tube hinab führt. Er fotografiert sie von hinten, nur Ian Curtis dreht sich um. Der Leadsänger nimmt sich wenig später das Leben. Das Foto wird dadurch auf einmal mit Bedeutung aufgeladen. Und plötzlich wollen alle diesen Holländer, der so sehr spezielle Fotos macht, Fotos, auf denen die Hauptperson manchmal weit hinten im Bild oder nur verschwommen zu sehen ist. Und immer schwarz-weiß.
Die aufregende Ungewissheit des Analogen
"Diese spezielle Ästhetik kam auch daher, dass ich kein Geld hatte. Ich konnte mir nur Schwarz-weiß-Film leisten. Und auch die Musiker, die ich fotografierte, waren noch nicht so bekannt. Als ich es mir dann leisten konnte überall zu fotografieren, war das Schwarz-Weiß dann kein Makel mehr, sondern mein Markenzeichen."
Und auch heute verweigert er sich Trends. Die Digitaltechnik mit ihrer Wegwerfkultur ist nicht sein Ding: "Ich fotografiere bis heute analog. Und ich mag es, keinen Nine-to-five-Job zu haben. Ich mag es, dass mein Job etwas Abenteuerliches hat, oder zumindest den Hauch eines Abenteuers. Aber das wird natürlich weniger, je mehr du weißt. Die Tatsache, dass du ein Foto machst und während des Entwicklungsvorgangs nicht weißt, ob es etwas geworden ist, das ist eine aufregende Ungewissheit, die ich sehr vermissen würde."
Vertrauen ist schwierig
In den 80ern ist Corbijn einer der ersten, der Musikvideos für MTV dreht. Depeche Mode, die Pet Shop Boys, U2 lassen sich von ihm in Szene setzen. Heute dreht er auch Spielfilme mit großem Team - immer noch gewöhnungsbedürftig für jemanden, der beim Fotografieren noch nicht mal ein Stativ dabei hat. "Als ich damit anfing, Musikvideos zu drehen, war das ein Riesenschritt für mich, weil ich vor der Aufnahme nie über das Visuelle nachgedacht habe. Ich habe immer so intuitiv gearbeitet und dann war es schwierig für mich, meine Ideen zu erklären und Leuten zu vertrauen, ich war ein hoffnungsloser Fall.
Die 120 ausgestellten Bilder zeigen neben den Musikerporträts mehrere Serien mit freien Arbeiten. Eine Reihe mit Selbstporträts und Fotos von Friedhofsskulpturen. Der Tod hat Corbijn immer begleitet. Viele Rockstars - so war das in den guten alten Zeiten - sind Alkohol und Drogen zum Opfer gefallen. Der Fotograf Corbijn hat alle überlebt. Mit seinen Bildern hat er Monumente geschaffen, die die Zeit überdauern werden. Eine sehenswerte Ausstellung, die die emotionale Kraft des Analogen feiert und ein wenig nostalgisch stimmt.