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"Anträge rein, Ergebnisse raus"

Eineinhalb Jahre nach dem Beitritt Polens zur EU haben die polnischen Agrarexporte um ein Drittel zugenommen. Die Kassen der Bauern sind gut gefüllt, nicht zuletzt dank der Subventionen aus Brüssel. Für die reibungslose Verteilung sorgt die Agentur für Umstrukturierung und Modernisierung der Landwirtschaft. Ein Bericht von Anja Schrumm und Ernst-Ludwig von Aster.

    Langsam gleitet Goshas pinkfarbener Fingernagel die Spalten der DIN-A4-Seite hinunter, von Nummer zu Nummer. Piotr sitzt daneben, blickt auf den Bildschirm, klickt von Nummer zu Nummer.

    "Hier sind die Anträge. Wir überpürfen die Richtigkeit der Angaben. Wenn wir einen Fehler entdecken, verlangen wir von den Bauern eine Korrektur."

    Bestandsaufnahme bei der Agentur für Restrukturierung und Modernisierung der Landwirtschaft. Piotr ist hier angestellt, Gosha macht zu Zeit Praktikum. Zusammen sorgen sie dafür, dass die EU-Agrarpolitik auch im Landkreis Bialogard umgesetzt wird. In Zimmer Nummer acht des ehemaligen Zollamtes am Telefon:

    "Warten Sie bitte auf die Antwort, alles ist auf gutem Wege."

    Nebenan, in Zimmer Nummer sieben, verdreht Maciej Myczka die Augen, blickt zur Zimmerdecke, versichert der Anruferin, das alles auf einem guten Weg ist, sie auf ihren schriftlichen Bescheid warten soll.

    Braungebrannt sitzt Myczka hinter seinem Schreibtisch, leger im kurzärmeligen orange-braun-karierten Hemd. Myczka legt den Telefonhörer auf. Blickt suchend über den Schreibtisch:

    "Das was hier liegt, lässt sich in zwei Gruppen einteilen. Ein Teil der Dokumente hilft mir bei der Arbeit. Und der zweite Teil sind Dokumente aus Warschau. Heute muss man die ganze Zeit lernen. Sie wissen, wir sind eine Institution, die zahlt. Und da zählen die polnischen Paragrafen und die Richtlinien der EU."

    Agrarwissenschaft hat er in Stettin studiert. Gelernt, wie man einen Hof am effizientesten bewirtschaftet. Seit zwei Jahren beackert er nun das bürokratische Feld, ist dafür verantwortlich, dass die Bauern im Landkreis auf Förderfähigkeit geprüft werden. Wenn sie denn einen Antrag stellen. "Hier kommen die Anträge rein, hier kommen die Ergebnisse raus", sagt Myczka und lächelt.

    "Wir verwalten drei Kommunen, 1275 Baunerhöfe haben Anträge gestellt um Zuschüsse zu kriegen. Das war im vergangenen Jahr. Dieses Jahr waren es 1071."

    Viele haben keinen Antrag mehr gestellt, weil es zwecklos ist. Sie haben schon im letzten Jahr die Ablehnung bekommen.

    ""Vor allem sind das diejenigen, die weniger als einen Hektar Land haben. Meist sind das alte Leute, die noch ein bisschen Land hatten, aber weniger als ein Hektar. Und das mussten wir negativ beantworten.""

    Myczka beugt sich vor, zieht eine vierseitige Briefkopie aus Stettin aus dem rechten Papier-Stapel: Eine Ausführung, ab wann ein Bauer als Produzent angesehen wird. Denn wer sein Land brach liegen lässt, hat ebenfalls keine Ansprüche auf EU-Mittel.
    "Oh nein, mit soviel Papier habe ich nicht gerechnet. Ich weiss ja, Ordnung muss sein, aber das ist viel zuviel."

    Doch er weiss, dass er daran nichts ändern wird. Bevor EU-Mittel fliessen, fliesst erstmal Tinte. Das ist die Regel Nummer eins. Und die haben die polnischen Bauern schnell verinnerlicht, sagt er. Fast alle stellten Anträge, wurden sie doch von staatlichen Agenturen kostenfrei beraten.

    "Polen hat die drittgrösste Agrarfläche der EU. Es wurde schon ein schönes Sümmchen nach Polen gepumpt, das ist nicht schlecht. Die Bauern konnten neu investieren. Das sehen sie auf den Dörfern. Aber natürlich wäre es nicht schlecht bei soviel Land auch ein ein bisschen mehr Geld zu bekommen."

    Heute stehen den polnischen Landwirten lediglich ein Viertel der Zuschüsse zu, die ihre deutschen Kollegen kassieren dürfen. So wurde es in Brüssel ausgehandelt. In den nächsten Jahren sollen sich die Unterstützungen langsam angleichen. Kassiert wird dabei pro Hektar Fläche. Das heisst: Wer viel hat, dem wird auch viel gegeben. "So ist es eben", sagt Myczka und zuckt wieder mit den Schultern:

    "Unsere Landwirtschaft wird sich in den kommenden Jahren schnell entwickeln Es ist klar, dass die kleinen Bauernhöfe, die kaum technisiert sind, aufhören müssen. Die kleinen Flächen werden von den grösseren und energischeren Betrieben übernommen. Von denen, die auf uns hören. Und das wird sich innerhalb von sieben oder acht Jahren herauskristallisieren."