Archiv


Anwälte des kleinen Mannes

Sie studieren noch, können aber trotzdem schon helfen. Jura-Studenten der Berliner Humboldt Uni lernen in der Consumer Law Clinic, wie ihr späterer Berufsalltag aussehen könnte. Im neuen Semester werden sich 16 angehende Anwälte Fällen aus dem Bereich Verbraucherschutz widmen.

Anja Nehls |
    Der Stapel mit den Briefen und E-Mails ist noch klein. Es geht um einen erst sechs Monate alten Strandkorb, an dem die Bespannung kaputt geht, um einen Vertrag mit einem Fitnessstudio, der wegen einer Knieoperation gekündigt werden soll und um eine Geldsumme, die ein Mobilfunkbetreiber von einem Kunden haben will, obwohl der schon längst kein Handy mehr hat. Professor Reinhard Singer möchte, dass seine Jurastudenten schon frühzeitig mit echten Fällen in Berührung kommen:

    "Ich habe am 2. Mai einen Flug gebucht, der nach der Bestätigung und Ausstellung des Tickets storniert worden ist. Die Firma beruft sich im Nachhinein auf einen Systemfehler der Airline, obwohl ich einen Screenshot habe, der belegt, dass die Flüge so korrekt eingebucht worden sind"

    Der Kunde will nun Schadensersatz Maximilian Ziegenbein, Student im 5. Semester bekommt diesen Fall auf seinen Uni-Schreibtisch.

    "Naja, es ist natürlich eine Leistung versprochen worden, die dann nicht stattgefunden hat. Man schaut da erst mal ins Gesetz in den einschlägigen Stellen, wo es um Schadensersatz geht und nicht erbrachte Leistungen. Da würde ich mir erstmal einen Zettel machen und das schön sauber runterprüfen."

    Und notfalls kann er dann ja auch noch seine Kommilitonen oder den Professor um Rat fragen. Die Consumer Law Clinic an der Berliner Humboldt Uni startet mit diesem Semester. 16 Studenten werden sich dann Fällen aus dem Bereich Verbraucherschutz widmen. Für Tatjana Holter, 7.Semester, auch eine gute Möglichkeit auszuprobieren, wie es im Beruf wirklich laufen könnte:

    "Man hat ja sicherlich eine Vorstellung davon, wie es denn tatsächlich sein könnte, als Rechtsanwältin zu arbeiten, bekommt das aber so nicht wirklich mit, außer im Praktikum und jetzt kann ich mal sehen, ist das was für mich, im Zivilrecht, Mandanten zu haben."

    Die Mandanten wird sie auch persönlich treffen, wird ihnen helfen, Briefe zu schreiben, sich außergerichtlich zu einigen oder ihnen ihre Möglichkeiten vor Gericht aufzeigen- alles für die Mandanten kostenlos. Nur vor Gericht vertreten darf sie sie nicht. Die Aktivitäten der Universität werden dennoch von manchen Rechtsanwälten misstrauisch beobachtet, sagt Professor Reinhard Singer:

    "Ein Anwalt, allerdings nur ein Anwalt hat geschrieben, dass er Sorge hat, dass durch diese Aktivitäten die Mitnahmementalität in der Gesellschaft gestärkt würde und es am Ende dann so aussehe, dass am Ende niemand mehr an die Tür klopft, keine Mandanten mehr kommen."

    Die Studenten der Humboldt Universität werden sich allerdings nur den ganz kleinen Fällen widmen. Streitwert bis maximal 750 Euro. Die meisten Briefe stammen von Menschen, die wenig Geld haben – für die hat die Hilfe der Studenten eine umso größere Bedeutung. Tatjana Holter und Maximilain Ziegenbein macht das zufrieden:

    "Generell Recht durchzusetzen ist immer ein gutes Gefühl und was ja oft an diesen Verbraucherfällen, das Unangenehme ist, dass sie so ungerecht sind. Gerade wenn dann so große Konzerne ihre Kunden in Verträge zwängen und die dann nicht so leicht rauslassen, das fand ich nie sehr gerecht."

    Als Anwalt des kleinen Mannes wird er sich deshalb im jetzt startenden Semester in die echten Fälle richtig reinknien. Scheine und Punkte gibt es dafür auch – und später hoffentlich einen hervorragenden Abschluss mit Qualifikation auch für die ganz großen Fälle.