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Anzeigen gegen Influencer
Wenn das Marmeladenbrot zur Werbung wird

Influencer sind Menschen, die über ihre Reichweite in sozialen Netzwerken Geld verdienen - zum Beispiel, weil Unternehmen dafür zahlen, dass die Internetstars ihre Produkte in die Kamera halten. Manchmal passiert das aber auch kostenlos. Ist es dann Werbung? Die Grenzen sind nicht immer eindeutig.

Von Philip Banse |
    Drei junge Leute schauen auf ihre Smartphones.
    Influencer erreichen ein meist junges Publikum - und fordern klassische Vorstellungen von Werbung heraus (imago)
    "Ich bin Madeline Willers, 23 Jahre jung, Sängerin und Influencerin." Die schwäbische Sängerin Madeline Willers bewirbt ihre Musik vor allem bei Facebooks Foto-Dienst Instagram. Dort folgen ihr knapp 10.000 Menschen. Auf diese Fans hat es eine Hotelkette abgesehen und lässt Willers umsonst in ihren Häusern übernachten. Dafür postet Willers Fotos von sich auf dem Hotelbett mit Hotel-Logo. Unter dem Hotel-Foto steht: "Werbung" - so kennzeichne sie jeden Inhalt, für den sie Geld oder andere Vorteile bekommen habe, sagt Willers.
    "Wenn ich wirklich einen Vertrag habe und eine Kooperation vorhanden ist: dann ja, aber sonst nicht. Warum auch?" Zum Beispiel, weil zahlreiche erstinstanzliche Urteile von deutschen Landgerichten der letzten Wochen das so verlangen. Das Landgericht Berlin hat etwa entschieden, dass eine Influencerin nicht nur über bezahlte Produktempfehlungen "Werbung" schreiben muss, sondern auch über Produktempfehlungen, die sie aus eigenem Antrieb gepostet hat - klassischer redaktioneller Inhalt eigentlich.
    Nützt die Kennzeichnung von Werbung - oder verwirrt sie?
    Das Gericht folgte jedoch dem "Verband sozialer Wettbewerb", der wahrscheinlich etliche Influencer abgemahnt hat, stets mit der gleichen Argumentation: Danach empfehlen Influencer Produkte zwar unbezahlt, aber mit dem Kalkül, die Hersteller in Zukunft mal als Sponsoren zu gewinnen. Deshalb müssten auch solche, eigentlich redaktionellen, Posts als Werbung gekennzeichnet werden.
    "Boah", sagt der Kölner IT-Anwalt Christian Solmecke in seinem YouTube-Kanal. "Das fand ich doch ganz schön um die Ecke gedacht." Obwohl nicht alle dieser Gerichtsurteile rechtskräftig sind, haben sie spürbare Folgen: "Extreme Verunsicherung", sagt Sascha Schulz, Mitgründer der Influencer Marketing Academy in Berlin, die Influencern Werbepartner sucht oder sie juristisch berät.
    In Deutschland gäbe es etwa 200.000 Influencer, sagt Berater Schulz: "Wir bekommen zurzeit immer noch acht bis zehn E-Mails am Tag von Influencern, die nicht genau wissen, was sie machen sollen. Wir haben Firmen, die nicht genau wissen, was sie in Vereinbarungen mit Influencern schreiben sollen." Aus Angst, gegen Gesetze zu verstoßen und von Kanzleien abgemahnt zu werden, sind viele Publizisten auf Instagram, aber auch auf ihren Blogs dazu übergegangen, einfach jeden Post als Werbung zu kennzeichnen, der irgendwie Marken- und Produktnamen enthält.
    "Dann steht da: #Werbung-unbezahlt. Das würde mich als Nutzer ein bisschen verwirren. Oder: #Werbung-weil-ich-auf-meine-Freundin-verlinke. Und deshalb glaube ich, dass wir im Ergebnis dem Nutzer keinen Gefallen tun, wenn Instagrammer aufgrund solcher Entscheidungen dazu übergehen, alles zu kennzeichnen", sagt Anja Zimmer, Chefin der Medienanstalt Berlin Brandenburg. Die kontrolliert, ob Instagrammer sich ans Gesetz halten und Werbung klar kennzeichnen, damit Verbraucher wissen, welche Aussagen bezahlt sind. Im vergangenen Jahr hätten die Berliner Kontrolleure mit 40 Instagrammern sprechen müssen, sagt Zimmer, um eine klare Werbekennzeichnung einzufordern. Nur einer sei letztlich beanstandet worden. Schleichwerbung werde weniger.
    Unklare Grenzen zwischen privat und geschäftlich
    "Ich glaube, dass wir heute in einem Bereich sind, in dem viel mehr gekennzeichnet wird als früher. Wir müssen jetzt eher aufpassen, dass es nicht in die andere Richtung umschlägt." Denn die Gerichtsurteile seien in der Praxis auch kaum umsetzbar: "Was mache ich denn, wenn der Instagrammer auf das Profil seiner Freundin verweist, die auch bei Instagram ist? Macht der Werbung für die Freundin? Was mach ich, wenn der Nutzer den Instagrammer fragt: 'Hey Du, hast ja 'ne coole Hose an. Von wem ist die denn?' Darf er das beantworten?"
    Zwar können bei den oft sehr privaten Posts der Influencer die Grenzen zwischen Werbung und Inhalt leichter verschwimmen als bei klassischen Medien: "Wenn sie nun beim Frühstück sitzen und sagen: 'Hm, die Marmelade schmeckt mir lecker' - ist das Werbung? Oder erzähle ich einfach nur, was ich frühstücke?"
    Letztlich sei aber auch hier klar: Wird die Erwähnung der Marmelade irgendwie bezahlt, muss sie als Werbung gekennzeichnet werden. "Das ist eigentlich ein Instrumentarium, was gut händelbar ist. Man muss es jetzt nur auf die neuen Fälle anwenden. Und da sind wir auf einem guten Weg."