Es ist nicht ein bestimmter Stil, der David Goldblatt bekannt gemacht hat; es sind viele verschiedene fotografische Stile, die auf den jeweiligen Gegenstand zugeschnitten sind. Es ist ein Unterschied, ob man schwarze Minenarbeiter in voller Aktion beim Vorantreiben eines Stollens beobachtet, eingehüllt in Staub, ein Wust von Leibern im Kampf mit dem Berg, oder ob man die cleane weiße Oberschicht fotografiert, deren Töchter auf der Terrasse den neuen Tutu, das neue Ballettröckchen vorführen.
Obgleich David Goldblatt eher in Serien denkt und diese wunderbare Ausstellung thematisch, nach einzelnen fotografischen Projekten gehängt ist, gibt es auch in Winterthur einige ikonenartige Bilder zu sehen, die das Leben in Südafrika auf den Punkt bringen, Meisterwerke der dokumentarischen Beiläufigkeit: den schlafenden Schwarzen in einem Park in Johannesburg, der den Kopf mit dem Arm abdeckt; die zusammengesunkenen schwarzen Gestalten, die morgens um drei Uhr mit einem Bus aus den Homelands zur Arbeit gekarrt werden, vier Stunden hin, vier Stunden zurück, durchgeschüttelt, übermüdet, mit langer Belichtungszeit aufgenommen, um die Passivität, das Halluzinogene der Situation einzufangen; die Arbeitslosen, die an einem Zaun vor dem Hochhaus der Krügerpark-Verwaltung hocken wie hungrige Vögel auf der Suche nach Nahrung; oder die Landschaftsaufnahmen, in denen man jeden Bodenriss sieht und die die Kargheit und Dürre einer ganzen Gesellschaft ins Bild bringen.
Der 77jährige David Goldblatt ist ein vorsichtig formulierender, bescheidener, gütiger Mann, von dem eine große Ruhe ausgeht. Er hat immer auch für Werbeagenturen und Illustrierte gearbeitet, um das zu finanzieren, was er "my personal work" nennt. Allerdings hat er in der künstlerischen Arbeit zunächst nie Farbe benutzt:
"Der wichtigste Grund war, dass ich Farbe als zu lieblich empfand. Sie drückte nicht meine Wut, meinen Ekel und meine Furcht aus. Für diese Gefühle musste ich also Schwarzweiß benutzen. Zweitens war Farbe damals rein technisch, analog ein sehr begrenztes Medium: ich konnte nie Labors finden, die die Bilder so abzogen, dass ich sie wirklich mochte."
Das änderte sich erst, als in den 1990iger Jahren Digitalkameras auf den Markt kamen und man die Bilder dann auch digital nachbearbeiten konnte. Historisch fiel das in etwa mit dem Zusammenbruch der Apartheid in Südafrika zusammen. Goldblatt:
"Es gab diesen großen Umbruch in Südafrika. Und ich dachte, jetzt wäre es vielleicht angemessen, einmal in Farbe zu arbeiten, das zu erkunden. Zweitens: man konnte nun mit einem Computerfachmann am Bildschirm sitzen und die Bearbeitung leiten wie früher in der Dunkelkammer."
Goldblatts Bilder werden also digital nicht manipuliert oder collagiert; sondern das Vorgefundene wird lediglich interpretierend verfeinert. In einer meist eher bleichen Farbigkeit und tableauartigen Großformaten zeigt uns Goldblatt nun den südafrikanischen Neubeginn, der voller Probleme ist: Chaos, Einsamkeit, verunsicherte Schwarze, die die Gemeindeverwaltung übernehmen; Massen fliegender Straßenhändler. Man kann das Ur-Kapitalismus nennen; Goldblatt nennt es Freiheit: die Schwarzen dürfen Dinge tun, die ihnen vorher verboten waren - zum Beispiel Straßenhandel treiben. Ja, die Kriminalität habe zugenommen, sagt Goldblatt; aber da müsse man durch, das sei offenbar ein Stadium auf dem Weg ins Erwachsensein einer Gesellschaft.
Bis man in der Ausstellung an diesen Punkt kommt, hat man aber einen ganzen Parcours südafrikanischen Leidens in gestochenem Schwarzweiß abgeschritten - und nebenbei ein paar fotografische Gestaltungslehren erhalten: in einer Serie zeigt Goldblatt nur Ausschnitte, verkrampfte Körperteile von Park-Besuchern als Insignien psychischer Befindlichkeit; in einer anderen untersucht er Gebäude vom Hochhaus bis zur Wellblechhütte als Zeichen gesellschaftlicher Machtverteilung. Immer aber ist es ein respektvoller Umgang mit dem anderen, der diese Bilder prägt, ein geduldiger Blick, der die Oberfläche der Welt nach ihren wesentlichen Signaturen abtastet.
Obgleich David Goldblatt eher in Serien denkt und diese wunderbare Ausstellung thematisch, nach einzelnen fotografischen Projekten gehängt ist, gibt es auch in Winterthur einige ikonenartige Bilder zu sehen, die das Leben in Südafrika auf den Punkt bringen, Meisterwerke der dokumentarischen Beiläufigkeit: den schlafenden Schwarzen in einem Park in Johannesburg, der den Kopf mit dem Arm abdeckt; die zusammengesunkenen schwarzen Gestalten, die morgens um drei Uhr mit einem Bus aus den Homelands zur Arbeit gekarrt werden, vier Stunden hin, vier Stunden zurück, durchgeschüttelt, übermüdet, mit langer Belichtungszeit aufgenommen, um die Passivität, das Halluzinogene der Situation einzufangen; die Arbeitslosen, die an einem Zaun vor dem Hochhaus der Krügerpark-Verwaltung hocken wie hungrige Vögel auf der Suche nach Nahrung; oder die Landschaftsaufnahmen, in denen man jeden Bodenriss sieht und die die Kargheit und Dürre einer ganzen Gesellschaft ins Bild bringen.
Der 77jährige David Goldblatt ist ein vorsichtig formulierender, bescheidener, gütiger Mann, von dem eine große Ruhe ausgeht. Er hat immer auch für Werbeagenturen und Illustrierte gearbeitet, um das zu finanzieren, was er "my personal work" nennt. Allerdings hat er in der künstlerischen Arbeit zunächst nie Farbe benutzt:
"Der wichtigste Grund war, dass ich Farbe als zu lieblich empfand. Sie drückte nicht meine Wut, meinen Ekel und meine Furcht aus. Für diese Gefühle musste ich also Schwarzweiß benutzen. Zweitens war Farbe damals rein technisch, analog ein sehr begrenztes Medium: ich konnte nie Labors finden, die die Bilder so abzogen, dass ich sie wirklich mochte."
Das änderte sich erst, als in den 1990iger Jahren Digitalkameras auf den Markt kamen und man die Bilder dann auch digital nachbearbeiten konnte. Historisch fiel das in etwa mit dem Zusammenbruch der Apartheid in Südafrika zusammen. Goldblatt:
"Es gab diesen großen Umbruch in Südafrika. Und ich dachte, jetzt wäre es vielleicht angemessen, einmal in Farbe zu arbeiten, das zu erkunden. Zweitens: man konnte nun mit einem Computerfachmann am Bildschirm sitzen und die Bearbeitung leiten wie früher in der Dunkelkammer."
Goldblatts Bilder werden also digital nicht manipuliert oder collagiert; sondern das Vorgefundene wird lediglich interpretierend verfeinert. In einer meist eher bleichen Farbigkeit und tableauartigen Großformaten zeigt uns Goldblatt nun den südafrikanischen Neubeginn, der voller Probleme ist: Chaos, Einsamkeit, verunsicherte Schwarze, die die Gemeindeverwaltung übernehmen; Massen fliegender Straßenhändler. Man kann das Ur-Kapitalismus nennen; Goldblatt nennt es Freiheit: die Schwarzen dürfen Dinge tun, die ihnen vorher verboten waren - zum Beispiel Straßenhandel treiben. Ja, die Kriminalität habe zugenommen, sagt Goldblatt; aber da müsse man durch, das sei offenbar ein Stadium auf dem Weg ins Erwachsensein einer Gesellschaft.
Bis man in der Ausstellung an diesen Punkt kommt, hat man aber einen ganzen Parcours südafrikanischen Leidens in gestochenem Schwarzweiß abgeschritten - und nebenbei ein paar fotografische Gestaltungslehren erhalten: in einer Serie zeigt Goldblatt nur Ausschnitte, verkrampfte Körperteile von Park-Besuchern als Insignien psychischer Befindlichkeit; in einer anderen untersucht er Gebäude vom Hochhaus bis zur Wellblechhütte als Zeichen gesellschaftlicher Machtverteilung. Immer aber ist es ein respektvoller Umgang mit dem anderen, der diese Bilder prägt, ein geduldiger Blick, der die Oberfläche der Welt nach ihren wesentlichen Signaturen abtastet.