Ein ganz normaler Vormittag in der Apotheke von Großenbrode, einer 2000-Seelen-Gemeinde an der deutschen Ostseeküste:
"Aber klären Sie mal ab, ob es zu bestimmten Zeiten immer ist, dann könnte es Heuschnupfen sein."
Hans-Georg Hannappel und seine Kollegin in der Offizin, dem Verkaufsraum der Apotheke, haben gut zu tun. Ständig geht die Tür, Menschen kommen mit Rezepten, fragen nach Schmerzmitteln und Wundsalbe. Und werden mit Rat und Tat unterstützt.
"Haben Sie zufällig Wattestäbchen hier?"
"Warten Sie mal, ich gehe mal eben welche holen."
"Ich wohne hier drüber. Ach, das ist aber nett."
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist die Offizin mit einer Plexiglasscheibe vom Eingangsbereich für die Kunden abgetrennt. Eine Vorsichtsmaßnahme zum Schutz der Mitarbeiterinnen. Aber das tut dem Zulauf keinen Abbruch. In Großenbrode, sagt Hans-Georg Hannappel, sei seine Apotheke mehr als eine Ausgabestelle für Aspirin.
"Dadurch, dass auf dem Land eigentlich die Läden weggefallen sind, wo die Leute Zeit haben, sich zu unterhalten - im Supermarkt sowieso nicht und diese Tante-Emma-Läden sind weg. Und dementsprechend haben Apotheken das mit übernommen. Aber jetzt nicht freiwillig, sondern irgendwem müssen die Leute ja erzählen, dass das Kind eine Steißgeburt hatte oder nicht."
Der Apotheker schätzt den guten Kontakt mit den Menschen. Seine Arbeit macht ihm auch nach vierzig Jahren noch Spaß.
"Sie haben hier ein unheimlich gutes Feedback. Die Leute kommen wieder rein, sagen: Hey, das hat toll geholfen und sind wieder weg. Sie kriegen eine positive Rückmeldung. In der Stadt kommen die Leute nur zum Meckern." (lacht).
Der weite Weg bis zum Nachfolger
Hans-Georg Hannappel ist 63, eigentlich will er sich bald zur Ruhe setzen. Doch er findet niemanden für die Nachfolge. Eine Mitarbeiterin, der er die Apotheke übergeben wollte, hat abgesagt; bislang hat sich niemand anderes gefunden. Die Gründe dafür sind vielfältig. Einer der Knackpunkte, sagt Hans-Georg Hannappel, sei, dass junge Leute heute eher die finanziellen Risiken der Selbständigkeit scheuten und ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeit und Freizeit suchten.
"Also, mir wäre es niemals eingekommen, zu sagen, ich arbeite 40 Stunden. Das war normal, dass das 60 sind oder so. Das war einfach üblich, wenn man eine Apotheke aufgemacht hat. Plus die Notdienste logischerweise. Auch das ist etwas, was ganz große Probleme bei Nachfolgern mit sich bringt."
Der Apotheker hat 50 Nachtdienste pro Jahr – also fast jede Woche einen. Kein Einzelfall. Vielen Apothekern auf dem Land geht es genauso. Im vergangenen Jahr haben in Schleswig-Holstein 16 Apotheken dichtgemacht, allein in der Umgebung von Großenbrode waren es drei. Je weniger Apotheken es im Umkreis gibt, desto mehr Nachtdienste müssen die Übriggebliebenen stemmen.
Dazu, sagt Friedemann Schmidt, Präsident der ABDA, der Spitzenvereinigung aller Apothekerinnen und Apotheker, werde vieles in der Apotheke immer kleinteiliger reguliert.
"Welche Arzneimittel dürfen wann abgegeben werden? Wie erfolgt die Preisgestaltung? Dieses ganze Thema der Rabattverträge, der darauf aufbauenden Regulatorik, die ständige Sorge vor – Retaxation heißt es bei uns – also Rechnungsbeanstandung durch die Krankenkassen, die die Apotheken stark belasten."
Dazu kommen Dokumentationspflichten für neuartige Arzneimittel, die Umsetzung der Datenschutzverordnung in den Apotheken oder die Bonpflicht. Friedemann Schmidt kennt eine Menge Erklärungen, warum die Übernahme einer Apotheke heute viele junge Menschen eher abschreckt. Zu den bürokratischen Hindernissen kommt das finanzielle Risiko. Um sich zu rechnen, braucht eine Apotheke drei- bis viertausend Menschen in ihrem Einzugsgebiet. Doch das ist nicht mehr an allen Standorten gegeben.
Die medizinische Versorgung zentralisiert sich
Noch gebe es zwar ein funktionierendes Netz an wohnortnahen Apotheken, sagt der ABDA-Präsident, aber die medizinische Versorgung zentralisiere sich immer mehr. Nicht nur auf dem Land.
"In den Städten merken wir, dass die Stadtrandgebiete Ärzte verlieren und immer mehr in die Zentren reingehen, weil das attraktiver ist."
Damit verliere auch die Apotheke im Stadtrandgebiet einen Gutteil ihrer Kundschaft und lasse sich dann nicht mehr wirtschaftlich betreiben, sagt der Verbandspräsident. Noch schwieriger sei diese Entwicklung auf dem Land abzufedern.
"Auf Sicht werden wir sehen, dass in ländlichen Regionen die Wege extrem lang werden. Wir gleichen das aus im Moment durch vermehrten Einsatz von aufsuchender Betreuung, also Botendienste in der Pandemie. Aber auch vorher war das so, dass die Kollegen, die auf dem Land tätig sind, dann riesige Gebiete versorgen, auch dadurch, dass sie hinfahren oder hinfahren lassen.
Einmalig 250 Euro haben die Apotheken durch die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung bekommen – zur Anschaffung von Schutzausrüstung für ihre Boten. Dazu kommen – befristet bis Ende September – fünf Euro pro Auslieferungsort. Die Menschen – besonders die mit hohem gesundheitlichem Risiko – sollten in der Pandemie nicht öfter aus dem Haus gehen als unbedingt nötig. Das hat geklappt, ebenso wie die Produktion von Desinfektionsmitteln, als die Industrie in den Anfangswochen der Corona-Krise nicht mehr lieferfähig war.
"Wir haben dann vom Bundesgesundheitsministerium und auch von den Ländern die händeringende Bitte bekommen: Könnt ihr da rein? Könnt ihr herstellen? Ihr habt doch Laboratorien, ihr habt ja die Kompetenz. Und das haben wir gemacht."
Autonomie der Apotheken ein "Erfolgsfaktor"
ABDA-Präsident Schmidt erzählt voller Stolz, dass die knapp 19.000 Apotheken im Land schnell ihre "Systemrelevanz" unter Beweis gestellt hätten – als Nahversorgungseinrichtungen, die schnell und kompetent die Menschen in ihrer Umgebung versorgt hätten. Er fordert: Das Apothekensystem mit seinen kleinen, freiberuflichen Einheiten müsse erhalten bleiben.
"Das war in der Pandemie auch so ein Erfolgsfaktor, dass die Kollegen autonom handeln können, selbstverantwortlich handeln können und nicht warten müssen, bis sie eine Direktive kriegen. Da muss die Politik sich mal klar bekennen, muss sagen: Das wollen wir behalten."
Und endlich dafür Sorge tragen, dass das deutsche Apothekensystem nicht durch den Versandhandel aus dem europäischen Ausland gefährdet werde, fordert der Apotheker-Präsident. Seit 2004 dürfen europäische Anbieter wie DocMorris oder Shop-Apotheke offiziell Medikamente nach Deutschland versenden. Sie locken Patienten mit Boni auf verschreibungspflichtige Medikamente: Wer das verordnete Medikament bei ihnen bestellt, bekommt einen Rabatt von 2 Euro 50 oder fünf Euro gewährt, der Versand ist kostenfrei. Solche Rabatte sind deutschen Apotheken verboten – verschreibungspflichtige Medikamente müssen zum Festpreis abgegeben werden.
Online-Apotheken Apotheken kämpfen mit harten Bandagen
Ein unfairer Wettbewerb sei das, findet auch der Großenbroder Apotheker Hans-Georg Hannappel. Zumal er vor Ort häufig Probleme ausbügelt, mit denen sich eine Versandapotheke nicht herumschlagen muss. Etwa, wenn ein an Diabetes erkrankter Urlaubsgast seine Insulin-Spritzen, die er im Internet bestellt hatte, zu Hause vergessen hat.
"Wenn wir dann sagen, wissen Sie, Sie haben das bei wem auch immer bestellt, rufen Sie den doch mal an, er soll Ihnen das jetzt heute Mittag mal vorbeibringen, weil, Sie brauchen es ja nun jetzt. Außerdem soll er sich um ein Rezept kümmern. Ähh, wie jetzt, Rezept? Sie brauchen halt ein Rezept für Ihr Insulin. Und das heißt, wir rufen jetzt hier bei dem Arzt an, entweder empfängt er Sie jetzt sofort, dass Sie das verschrieben kriegen. Und dann bekommen Sie ihr Insulin auch, selbst, wenn wir es nicht dahaben, spätestens heute Nachmittag."
Für diese Art von Notfallversorgung bekommt Apotheker Hannappel keinen Cent extra. Er mache das gern, sagt er, aber wirtschaftlich sei Vor-Ort-Apotheke eine Mischkalkulation – manches lohne sich, manches nicht.
Apotheken bekommen Rückhalt von der Politik
"So wie ich jetzt hier gerade zum Beispiel Rezepturen mache, da sagt ein Versandhandel klipp und klar: Machen wir nicht so. So. Wenn ich mir jetzt aus all den Dingen, die nicht lukrativ sind, die immer nur raussuche, die Geld bringen, dann kann ich natürlich anders arbeiten."
Das kann so nicht bleiben, finden nicht nur die Apotheker, sondern auch der Bundesgesundheitsminister. Vergangenes Jahr hat Jens Spahn sein "Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz" präsentiert. Apotheken sollen künftig mehr Geld für Dienstleistungen bekommen. Etwa, wenn sie für ältere Menschen, die unter mehreren Krankheiten leiden und eine ganze Reihe von Tabletten einnehmen müssen, Medikationspläne erstellen oder Krebspatienten intensiv pharmazeutisch betreuen. Gesundheitsminister Jens Spahn:
"Die Apotheke ist ein Stück Heimat. Und genau diese Apotheken, die vor Ort eine so wichtige Rolle in der Versorgung übernehmen, wollen wir stärken, indem wir ihnen zusätzlichen finanziellen Spielraum geben, zusätzliche Finanzmittel bereitstellen, für zusätzliche Dienstleistungen über die Abgabe der Arzneimittelpackung hinaus."
Bei diesem grundlegenden Anliegen weiß der Minister eine breite Mehrheit im Parlament hinter sich. Den Versandapotheken darüber hinaus künftig die Rabatte verbieten zu wollen, ist allerdings ein heikler Plan, auch wenn er den einheitlichen Apothekenabgabepreis diesmal im Sozialrecht verankern will. Denn bereits 2016 hatte der Europäische Gerichtshof geurteilt, ein solches Rabattverbot sei nicht zulässig, das deutsche System der Festpreise stelle einen Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit innerhalb der Union dar. Zu rechtfertigen wäre ein solcher Eingriff nur, wenn die Bundesregierung einen Verdrängungswettbewerb nachweisen könne. Dass dies gelingt, hält Patrick Stockebrandt vom Freiburger Centrum für Europäische Politik, jedoch für fraglich.
"Im Rahmen der Betrachtung, ob eine solche Beeinträchtigung gerechtfertigt ist, muss der Mitgliedsstaat genaue Angaben machen, mithilfe statistischer Daten und anderer Mittel, die überprüfbar machen, ob diese Einschränkung eben so berechtigt ist oder nicht. Und das hat in dem Fall 2016 Deutschland nicht tun können und wir haben in dem Vorschlag, der jetzt diskutiert wird, auch keine ausreichende Begründung gesehen." [*]
Das E-Rezept könnte Versandhandel stärken
Denn die Versandapotheken gewinnen zwar bei den nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln immer mehr Marktanteile – 2018 waren es knapp 18 Prozent. Bei den rezeptpflichtigen Medikationen allerdings, die den Vor-Ort-Apotheken in Deutschland etwa 80 Prozent ihres Einkommens sichern, wird nur ein Prozent von Versandapotheken geliefert. Noch!
Die Gewichte könnten sich im kommenden Jahr mit der Einführung des e-Rezeptes verschieben, wenn der rosa Zettel nicht mehr umständlich im Briefumschlag zur Versandapotheke geschickt werden muss – sondern digital weitergeleitet werden kann. Kai-Helge Vogel vom Verbraucherzentrale-Bundesverband warnt vor neuen Abhängigkeiten.
"Das Rezept ist gut, wenn es elektronisch ist und vorliegt und das alles schneller geht. Aber die direkte Weiterleitung – automatisch durch den Arzt - ist sicherlich nicht im Sinne des Patienten. Der soll weiter entscheiden und letztendlich zu seinem Apotheker des Vertrauens gehen können. Und der ist immer noch häufig der vertraute Apotheker vor Ort."
Ungleichgewicht zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versandhandel
Verbraucherschützer Vogel fordert vier Jahre nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs endlich Klarheit, wie es weitergehen soll – für Verbraucher wie Apotheker.
Das Ungleichgewicht zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versandhandel hat mehrere Ursachen: Zum einen lassen sich Fixkosten für Personal und Lagerung auf eine größere Anzahl von Medikamenten umlegen, die die Versandapotheken dadurch günstiger anbieten können. Viele ausländische Apotheken beziehen zudem ihre Medikamente über den Pharmagroßhandel ihres Landes – zu teils niedrigeren Preisen - und sind häufig mit einer geringeren Mehrwertsteuer belegt als hiesige Apotheken. Trotzdem: Eine generelle Erhöhung der Apothekenvergütung sei nicht der richtige Weg, findet Clemens Recker vom Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln.
"Zielgerichteter wäre sicherlich eine differenziertere Vergütung. Wenn es Größenvorteile beim Versenden gibt, warum senken wir dann nicht den Vergütungssatz für Versandapotheken? In diesem Fall würden die Kostenersparnisse dann dem gesamten Gesundheitssystem zugutekommen."
Clemens Recker kann auch kein generelles "Apothekensterben" erkennen, das von Apothekerfunktionären immer mal wieder beklagt wird. Auch wenn die Gesamtzahl der Apotheken in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 2.000 gesunken ist.
"In vielen städtischen Regionen haben wir nach wie vor sehr sehr viele Apotheken, die fußläufig erreichbar sind. Teilweise so viele Apotheken, dass man eher das Gefühl hat, man hätte hier eine Überversorgung, Überkapazitäten, und ist weit davon entfernt, irgendwie Versorgungsengpässe zu haben. Wenn ich dann aber in ländliche Regionen gucke, dort kann schon der Marktaustritt einer einzigen Apotheke die Versorgungssituation für viele Bürgerinnen und Bürger sicherlich massiv beeinträchtigen."
Punktgenaue Unterstützung unterversorgter Regionen
Der Gesundheitsökonom plädiert für eine punktgenaue Unterstützung unterversorgter Regionen. So komfortabel es sei, online Medikamente zu bestellen, sagt Clemens Recker, so wenig helfe der Versandhandel im Notfall.
"Die Leute, die in 99 von 100 Fällen online bestellen, die tragen letztlich nicht zum Umsatz dieser Apotheke vor Ort bei und tragen damit auch nicht zur Existenz dieser Apotheke vor Ort bei, auf die sie aber im Notfall gerne zurückgreifen möchten. Und hier ist es sicherlich sachgerecht, darüber nachzudenken, ob ich diesen Optionsnutzen, könnte man so sagen, den so eine Apotheke bereitstellt, ob ich den nicht anders in einer Vergütung, meinetwegen durch fixe Zuschüsse, abbilden möchte."
Auch Kordula Schulz-Asche, Gesundheitspolitikerin der Grünen im Deutschen Bundestag, denkt über eine gezielte Förderung von Apotheken in strukturschwachen Gebieten nach. Und sie plädiert für einen "Sicherstellungsfonds", der die großen Einkommensunterschiede zwischen verschiedenen Apotheken untereinander ausgleichen soll. Es gebe eine Reihe von Problemen, sagt Kordula Schulz-Asche, der Versandhandel aber sei nicht das zentrale Thema.
"Mein Hauptproblem auch mit dieser Diskussion jetzt wirklich seit vielen, vielen Jahren ist, dass man sich auf diese Versandhandelsproblematik, ohne sie wirklich weiter belegen zu können, konzentriert von Seiten der Apothekerschaft, anstatt wirklich neue, moderne Modelle der Apothekenversorgung für eine sich ändernde Gesellschaft tatsächlich auch zu entwickeln."
Neue Geschäftsmodelle müssen her
Doch es gibt Ausnahmen. Holger Gnekow etwa, Inhaber der Adler-Apotheke in Hamburg, hat schon vor zehn Jahren ein neues Geschäftsmodell entdeckt.
Mittlerweile versorgt er fast 17.000 Patienten in norddeutschen Alten- und Pflegeheimen über ein Tochterunternehmen mit so genannten Pill-Packs: Portionierte Arzneimittel, verschweißt in durchsichtigen Plastik-Tütchen. Vor allem für Menschen mit chronischen Erkrankungen, die viele Medikamente gleichzeitig einnehmen müssen.
"Jetzt stellen Sie mal diese Arzneimittel oder bereiten Sie für eine Woche vor – die Fachleute sagen die "Arzneimittel werden gestellt", oftmals in so kleinen Dosen oder so einer Schachtel mit verschiedenen Fächern und die sind alle klein und weiß. Und Sie wissen hinterher gar nicht mehr, was sie wo reingedrückt haben. Sie haben vielleicht Schwierigkeiten auch, Tabletten aus der Verpackung rauszudrücken, die zu erkennen, sie können es nicht gut sehen."
Die Folge: Unerwünschte Arzneimittelwechselwirkungen, Stürze, in nicht seltenen Fällen auch Schlimmeres. "Das ist ein Schlauch, der in der Regel für eine Woche oder für zwei Wochen angefertigt wird". Die Tütchen dagegen sind genau beschriftet: Name, Medikation, Uhrzeit. Verwechslung ausgeschlossen. Neun Euro neunzig kostet dieser Service pro Monat. Holger Gnekow hat sich damit eine weitere Einnahmequelle erschlossen und eine Strategie entwickelt, den Veränderungen auf dem Apothekenmarkt zu begegnen.
"Wie können wir Patienten anders an uns binden? Und wie vermeiden wir, dass wir immer nur über eine kleine eckige Packung definiert werden, die dann im Zweifel auch noch preissensibel sein muss? Das wollen wir halt nicht."
Das Gegenmittel: Dienstleistungen mit dem Know-how des Pharmazeuten. Holger Gnekow führt durchs Haus: Bildschirmarbeitsplätze, an denen Medikationspläne erstellt werden, ein Labor für Einzelanfertigungen, eine kleine Offizin für den Kundenverkehr. Die Filiale erinnert zwar mehr an ein modernes Bürogebäude, erfüllt aber auch alle Kriterien einer Apotheke. Der Hauptstandort ist einige Kilometer entfernt in Wandsbek – sieht eindeutig wie eine Apotheke aus – und hält doch einige Besonderheiten parat. Etwa Öffnungszeiten von 8 bis 24 Uhr – 365 Tage im Jahr.
Guter Service statt Rabattschlachten
"Wir möchten gern halt immer dann da sein, wenn die Kunden uns brauchen. Und das ist der entscheidende Unterschied gegenüber dem Versandhandel."
Zudem hat sich Holger Gnekow mit zwei anderen Apothekern zusammengetan und eine Internetplattform geschaffen, auf der die Warenbestände aller drei Apotheken einsehbar sind. Wer ein Arzneimittel braucht, kann dort danach suchen und es sich in die Apotheke seiner Wahl bestellen – oder für fünf Euro Gebühr nach Hause liefern lassen.
Guter Service statt Rabattschlachten. Das könnte eine Antwort von Vor-Ort-Apotheken auf die Herausforderung durch kapitalstarke Versandhändler sein. Gerade, weil die Menschen immer älter und kränker werden und neue Therapien gute Beratung und Betreuung erfordern. Die Grünen-Politikerin Schulz-Asche glaubt: Es braucht stark aufgestellte Apotheken und eine bessere Kooperation von Ärzten, Therapeuten und Pharmazeuten.
"Wenn wir die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen wollen, brauchen wir mehr Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe. Und wir brauchen auch eine regionale Steuerung, damit tatsächlich auch Patientenversorgung stattfindet. Das ist unserer Kritik an der Bundesregierung, darauf muss man sich jetzt konzentrieren, tatsächlich die Akteure an einen Tisch zu bekommen."
Und zwar unabhängig vom Apotheken-Stärkungsgesetz, das Gefahr läuft, wegen des Rabattverbotes für den Versandhandel vor dem Europäischen Gerichtshof Schiffbruch zu erleiden. Andere Regelungen wie eine bessere Honorierung pharmazeutischer Dienstleistungen drohen dadurch gleich mit unterzugehen. Dabei liegt darin die Stärke der Vor-Ort-Apotheken - nicht nur in der Corona-Pandemie.
[*] Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle haben wir ein nicht mehr aktuelles Bild entfernt.