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Appelle des 20. Jahrhunderts (3)
Die Grenzen des Wachstums 1972

1972 stellen Dennis und Donella Meadows ihre Studie "Die Grenzen des Wachstums" vor. Nicht die Natur sei eine Gefahr für den Menschen - sondern umgekehrt. Das passte weder kommunistischen noch kapitalistischen Politikern ins Konzept. Der Bericht für den "Club of Rome" geriet zum Gründungsdokument für die Umweltbewegung.

Von Norbert Seitz |
    Der Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit mit dem Titel "Die Grenzen des Wachstums" steht auf einem Tisch
    1972 veröffentlichte Dennis Maedows unter dem Titel "Die Grenzen des Wachstums" seinen Bericht zur Lage der Menschheit (dpa / Sebastian Kahnert)
    "Es ist, als ob dein Freund Krebs hat, und auch Kopfschmerzen. Die Kopfschmerzen sind ein Symptom, nicht das wirkliche Problem. Du kannst Schmerztabletten nehmen. Aber wenn die Kopfschmerzen weg gehen, erwartest du nicht, dass das Grundproblem gelöst ist. Klimawandel und Energiemangel sind auch Symptome. Selbst wenn wir sie in den Griff bekommen, lösen wir nicht das Grundproblem, nämlich materielles Wachstum, Bevölkerungswachstum, anhaltendes Wachstum der materiellen Lebensstandards in einer Welt, die endliche Grenzen hat."
    Die Menschheit ist auf ihre Grenzen gestoßen. Dies anzuerkennen, sei die Zukunftsfrage. Unter diese Losung stellte der amerikanische Ökonom Dennis Meadows den ersten Bericht für den "Club of Rome", der weltweit Aufsehen erregen sollte. Es war ein Appell an die ganze Welt, insbesondere aber an die Industriegesellschaften, ihre Wirtschaftsweise umzustellen: Die bloße Nutzung der Natur zur Befriedigung immer weiter wachsender Bedürfnisse könne nicht weitergehen. "The Limits to Growth" - übersetzt mit "Die Grenzen des Wachstums" - lautete der Titel.
    Die alarmierende Botschaft am Ende: "Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unvermindert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht."
    Fragen des Gleichgewichts von Ökologie und Ökonomie
    Dennis Meadows hatte zusammen mit seiner Frau Donella anhand von Systemanalyse und Computersimulationen Szenarien durchgerechnet, wie es um die Erde als Wachstumsraum bis zum Jahre 2100 bestellt sein würde. Auch wenn das Ehepaar hierzu nur eine erste Orientierung liefern wollte, schien dieser Zugang doch einem Paradigmenwechsel im Verhältnis zu Natur und Umwelt gleichzukommen. Demnach war es der Mensch, der die Natur bedrohte - nicht umgekehrt.
    Der Umweltökonom Dennis Meadows hält am 21.04.2015 in Hamburg vor einer Weltkarte einen Globus in der Hand. 
    Der Umweltökonom Dennis Meadows, hier 2015 in Hamburg, stellte 1972 die Studie "Die Grenzen des Wachstums" vor (dpa / Axel Heimken)
    Claudia Kemfert, Mitglied der deutschen Sektion des "Club of Rome", aus heutiger Sicht: "Das war damals so die erste Studie, die das auch sehr, sehr deutlich gemacht hat, dass wenn wir so weitermachen wie bisher, wir einfach über unsere Verhältnisse leben, den Planeten ausbeuten und den zukünftigen Generationen jede Menge Probleme hinterlassen."
    Probleme, die mit Fragen des Gleichgewichts von Ökologie und Ökonomie zu tun haben, und deren Lösung völlig neue Wege und Methoden erforderlich zu machen schienen.
    "Unsere gegenwärtige Situation ist so verwickelt und so sehr Ergebnis vielfältiger menschlicher Bestrebungen, dass keine Kombination rein technischer, wirtschaftlicher oder gesetzlicher Maßnahmen eine wesentliche Besserung bewirken kann. Ganz neue Vorgehensweisen sind erforderlich, um die Menschheit auf Ziele auszurichten, die anstelle weiteren Wachstums auf Gleichgewichtszustände hin führen".
    Bei dem Bericht handelt es sich auf der empirischen Ebene um eine wissenschaftliche Studie, vom "Club of Rome" in Auftrag gegeben, von der Volkswagenstiftung gefördert.
    "Keine alarmistische Studie"
    Der Sozialpsychologe und Zukunftsforscher Harald Welzer weist darauf hin, dass die Studie 1972, als sie erschien, nicht ganz so war, wie sie heute - gewissermaßen in der Folklore - interpretiert wird.
    "Denn die Autoren haben ja damals gesagt: Ok, wir kriegen ein Problem zu Beginn des 21. Jahrhunderts, wenn unsere Wachstumsraten so weiter laufen, wie sie damals sich abzeichneten. Das heißt, das Anwachsen ist das Problem. Und man hätte von 1972 aus betrachtet noch dreißig Jahre Zeit für einen Pfadwechsel. Insofern war das nicht eine alarmistische Studie, sondern eine, die auf der Ebene der damals vorhandenen Computer-Technologie und statistischer Verfahren der Hochrechnung versucht hat, in bestimmten Bereichen zu identifizieren, wo es Probleme mit dem Wachstum geben wird."
    Und das betraf die fünf Bereiche, die eine enorme globale Wirkung befürchten ließen: die Industrialisierung, das Bevölkerungswachstum und die Unterernährung, die Ausbeutung von Rohstoffreserven und die Zerstörung von Lebensraum.
    Probleme durch Kapitalismus und Sozialismus
    Die Verfasser der "Grenzen des Wachstums" empfanden ihren Bericht längst nicht als "der Weisheit letzter Schluss". Der "Club of Rome", eine Gruppe, 1968 von Industriellen, Diplomaten und Wissenschaftlern gegründet, gab gleich weitere Berichte in Auftrag. Schon die zweite Studie des "Club of Rome", von Mihailo Mesarovic und Eduard Pestel - unter dem Titel "Menschheit am Wendepunkt" erschienen - lieferte genauere Berechnungen für die in zehn Regionen eingeteilte Erde.
    Ziel war es herauszufinden, wie man vom wirtschaftlichen Wachstum zu einem "dynamischen Gleichgewicht" gelänge. Alternativszenarios wurden entwickelt, ohne dass damit mehr Optimismus verbreitet worden wäre. Dies galt vor allem für die düster beurteilten Bereiche Rohstoffe, Energieträger, Wasserversorgung oder Umweltschutz, am besorgniserregendsten jedoch für das Verhältnis Bevölkerungswachstum und Lebenschancen.
    Als dem "Club of Rome" 1973 als erster Organisation der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen wurde, legte der deutsche Studienautor Eduard Pestel in seiner Dankesrede dar.
    "Die immense, immer rascher sich vollziehende Ausweitung der verschiedenen Problemfelder - insbesondere in den zwei Jahrzehnten nach Ende des Zweiten Weltkrieges - hatte dazu geführt, dass diese sich immer mehr überschnitten und in ihren Verkettungen dabei fast unüberschaubar geworden waren. Die Weltkrisen der Vergangenheit ergaben sich fast ausnahmslos als Folge von Naturkatastrophen, wie zum Beispiel der großen Seuchen des Mittelalters, oder als Folge verbrecherischen menschlichen Handelns bei der Auslösung von Eroberungskriegen, die sich schließlich auf ganze Kontinente erstreckten und in diesem Jahrhundert gar die ganze Welt erfassten."
    Das spezifisch Neue an dem zweiten Bericht war auch, dass die Entstehung der Probleme keinem der damals noch weltweit konkurrierenden Gesellschaftssysteme ideologiegerecht zugeordnet werden konnte. Die Grenzen des Wachstums betrafen den Privatkapitalismus im Westen ebenso wie den Staatssozialismus in der kommunistischen Welt.
    Mehr noch, verdrehte Welten kündigten sich an: Der Fortschrittsoptimismus, einst eine Domäne der politischen Linken, schien nunmehr in einen wachstumsdogmatischen Strukturkonservatismus umgeschlagen zu sein. Demgegenüber entwickelten linke Köpfe eine wertkonservative Sensibilität. Dies deutete auch Eduard Pestel in der Frankfurter Paulskirche an.
    Die allumfassende Krise unterscheide sich "in ihrem Charakter" wesentlich von früheren darin, "dass sie nicht von offensichtlich bösen Menschen und Mächten verursacht, sondern durch Entwicklungen herbeigeführt wird, die wir vielfach heute noch als Ausdruck menschlichen Fortschritts, ja als Sieg über die den Menschen gesetzten natürlichen Beschränkungen und Grenzen empfinden. Hierdurch gewinnt die Krise den Aspekt des Unentrinnbaren, wenn die Menschheit ihre Wertvorstellungen und Ziele nicht ändert."
    Bei der Pressekonferenz am 13.10.1974 in Berlin und der Bekanntgabe der Forschungsvorhaben (v. l-r): Brigitte Freyh (Kuratorium Stiftung Entwicklungsländer), Professor Eduard Prestel (TU Hannover), Dr. Aurelio Peccei (Italien, Club-Vorsitzender) und Professor Mihajlo Mesarovic (USA).
    Professor Eduard Prestel (2.v.l.) bei der Jahrestagung des "Club of Rome" 1974 in Berlin (dpa / Chris Hoffmann)
    "Das dynamische Gleichgewicht, da geht es in erster Linie darum, dass man die Nachhaltigkeit mit einbezieht. Weil die Wirtschaftssysteme im Grunde ja nicht wirklich im Gleichgewicht sind, obwohl sie das ja von der Ökonomie her behaupten, dass man sagt: Angebot und Nachfrage ist im Gleichgewicht. Hier geht es aber darum, dass man die Nachhaltigkeit, den Umweltschutz mit einbezieht, dass man dieses dynamische Gleichgewicht entwickelt. Dieser nachhaltige Pfad heißt eben, dass man die Umweltschäden und alle Klimaschäden mit einpreist in das Wirtschaftssystem. Dass man sich genau anschaut, welche stabilen Gleichgewichte tatsächlich auftreten können, wenn man es schafft, die Nachhaltigkeit in das System mit einzubeziehen."
    Kritik kam auch von links
    Die Kritiker des "Club of Rome" aus der Wirtschaft spotteten über die "Anti-Wachstums-Apostel" mit ihren "schlichten Modellen". Trotz der Fülle an erfassten Daten lasse sich das System Menschheit nicht in einem groben Raster darstellen, argumentierten sie.
    "Das ist zu schlicht gemacht, da werden einfach Dinge extrapoliert. Da wird der technische Fortschritt, der diese Dinge verändern, abbremsen kann oder auch Probleme mit lösen kann, überhaupt nicht angemessen in Rechnung gestellt, und und und. Und dieser Eindruck, na ja die Wissenschaftler sind sich da ja nicht so ganz einig! - eigentlich ganz ähnlich der Klimadiskussion heute."
    So fasst Dieter Rucht, langjähriger Bewegungsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin, die damalige Polemik gegen die Studien zusammen. Aber die Kritik kam auch von links. Der Machtfaktor sei unterschätzt worden, zum Beispiel die erschreckende Willkür bei der Verteilung von Ressourcen oder feudale Gesellschaftsstrukturen vor Ort, die den Weg aus Hunger und Analphabetismus versperrten.
    Ein enttäuschter Anhänger des "Club of Rome" wie der SPD-Politiker Erhard Eppler, der in seiner traditionell industrialistisch geprägten Partei das ökologische Denken eingeführt hatte, erklärte später, der Meadows-Bericht sei mehr im Feuilleton als im politischen Teil der Presse diskutiert worden.
    "Man sollte es Politikern nicht verübeln, wenn sie mit dem ersten Bericht des "Club of Rome" - der Meadows-Studie - wenig anfangen konnten, sogar dann, wenn sie ihn nicht als Hirngespinst wildgewordener Futurologen abtaten. Von der, überdies umstrittenen, Globalrechnung, wonach die Fortschreibung von Wachstumsraten gegen die Mitte des kommenden Jahrhunderts zur Katastrophe führen müsse, bis zu einer verantwortbaren politischen Entscheidung hier und heute ist ein weiter Weg."
    Andere erkennen in den "Grenzen des Wachstums" wie in der ganzen Ökologiedebatte bis heute die Tendenz, soziale Folgen der Umweltzerstörung auszublenden oder unterzubelichten.
    Zum Beispiel der Soziologe Harald Welzer: "Das zieht sich hinein bis in die moderne klimawissenschaftliche Diskussion. Aber was die Folgeseite ist - für soziale Prozesse, für soziale Verwerfungen, für Migration, für Binnenmigration, für grenzüberschreitende Migration, für daraus resultierende Konflikte, für daraus resultierende Reaktionsbildungen in den Gesellschaften, in die eingewandert wird - darüber hat man sich viel zu wenig Gedanken gemacht."
    Fronten aufgebaut: Arbeitsplätze oder Umweltschutz
    Einen ersten schweren Rückschlag erlebte der Club of Rome bereits im Jahr nach Erscheinen seines ersten Berichts. Eigentlich hätte die erste Ölpreiskrise 1973 nach dem Yom-Kippur-Krieg im Nahen Osten die Welt zu einer wachstumspolitischen Umkehr mahnen können. Doch stattdessen waren die Reaktionen niederschmetternd.
    Erhard Eppler erinnert sich: "Als der Saft plötzlich etwas kostete, von dem die Industrieländer lebten, ging es nur noch um Ökonomie, um das trotzige "Weiter so!". Was in dreißig Jahren sein möge, war eine Sorge von Traumtänzern."
    "Das Thema Arbeitsplätze spielte damals eine enorme Rolle. Nach dieser sogenannten Ölkrise - man muss sagen, es war ja eine künstliche Verknappung des Angebots, um den Preis erst einmal hoch zu halten - war der Eindruck entstanden, wir kommen da möglicherweise in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Das bedeutet den Verlust von Arbeitsplätzen, also die Wachstumsschraube muss gedreht werden. Das heißt, wir müssen da wieder zulegen. Und das hat dann die Gewerkschaften natürlich mit angesprochen, weil die damals reflexartig auf das Thema 'Arbeitsplätze erhalten oder schaffen' reagiert haben, und da wurde in diesen Jahren, zwischen '73 bis '76, '77 etwa, die Front aufgebaut: Arbeitsplätze oder Umweltschutz."
    Startpunkt der modernen Ökologiebewegung
    Und dennoch war der Appell des "Club of Rome" "nicht mehr aus der Welt zu schaffen", wie Eduard Pestel nach ersten Enttäuschungen trotzig bekannte. Als Folge der "Grenzen des Wachstums" entstand eine Fülle von Lehrstühlen für Umweltwissenschaften, Umweltsoziologie, Umwelttechnologie. Außerdem ein Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium, NGOs ohne Ende, eine grüne Partei, und internationale Klimakonferenzen wurden aufwändig einberufen.
    "Also der - Neudeutsch - "impact" der Studie besteht in der Tat darin, dass es im Grunde einer der Startpunkte der modernen Ökologiebewegung gewesen ist. Das Buch ist neuneinhalb Millionen Mal verkauft worden. Es war damals ein großer Aufreger. Und eigentlich hat sich die Verdichtung einer Begrifflichkeit 'Die Grenzen des Wachstums' zu so einer Art Standardformulierung im Bereich der Ökologie-Bewegung entwickelt. Man muss hier aber unterscheiden - das wäre das Meadows-Problem - zwischen der symbolischen Wirkung und der faktischen Wirkung. Also die Existenz einer Ökologiebewegung sagt ja noch nichts darüber aus, dass ökologische Fortschritte erzielt worden sind."
    Immerhin: Die Gedanken des Club of Rome wurden in den folgenden Jahren weitergeführt. So zum Beispiel im Brundlandt-Bericht der UN 1987 "Our Common Future", der auf zwei Schlüsselbegriffen basiert: den Grundbedürfnissen der Ärmsten der Welt als oberster Priorität, und dem Gedanken von notwendigen Beschränkungen. Längst aber überlagerten und verdichteten sich in den 80er Jahren die Forschungsergebnisse zahlreicher Institutionen zum Thema, wie der Mensch durch seinen Verbrauch die Natur zugrunde richtet.
    "Viele, viele kleine Schritte"
    Und was ist aus dem "Club of Rome" geworden? Er besteht heute aus drei Organisationen, einem Dachverband mit nationalen Sektionen, und dem Think Tank 30, einem Netzwerk von Schulen. Claudia Kemfert, Mitglied in der Deutschen Gesellschaft Club of Rome, erläutert:
    "Es gibt unterschiedliche Strukturen in dem 'Club of Rome', einerseits dieser internationale Bereich, die sich mit globalen Fragestellungen auseinandersetzen, und dann verschiedene Ebenen wie jetzt die deutsche Gesellschaft des Club of Rome, der ich angehöre. Im Grunde genommen ist der Club of Rome ein Dachverband von Diagnostikern, Vordenkern, Wissenschaftlern, die eingeladen sind, sich mit diesen Themen auseinander zu setzen."
    Als der "Club of Rome" jüngst zum 50. Jahrestag seiner Gründung 1968 einlud, traf die deutsche Mitstreiterin auch auf den ersten Verfasser der "Grenzen des Wachstums":
    "Ich erinnere mich an Dennis Meadows bei der Veranstaltung, der dann sagte: 'Na ja, ich bin seit vierzig Jahren jetzt dabei und versuche die Themen zu platzieren'. Dafür passiert aus seiner Sicht zu wenig. Es sind viele, viele kleine Schritte. Aber wir haben nicht eine globale Weltordnung, wo ein Weltplaner letztlich das alles steuern kann. Sondern es ist immer wieder an den Staaten selber, an den Akteuren, an den Bürgern, etwas zu verändern, und das ist eben sehr mühselig und bedarf tatsächlich Jahrzehnte."
    Doch der Wunsch nach einem "Weltplan" und nach einer robusteren Durchsetzung ökologischer Notwendigkeiten stimmt selbst ökologische Denker wie Harald Welzer misstrauisch.
    Der Soziologe und Sozialpsychologe Harald Welzer, aufgenommen am 13.10.2011 auf der Frankfurter Buchmesse.
    Der Soziologe und Sozialpsychologe Harald Welzer (picture-alliance / dpa / Arno Burgi)
    "Es gibt eine autoritäre Tendenz schon sehr lange. Es gibt doch die eine oder andere Äußerung, die auch genau in die Richtung geht, dass man zugunsten der Erhaltung natürlicher Ressourcen auf freiheitliche und demokratische Verfahren verzichten müsste."
    Die meisten ökologischen Richtwerte nicht erreicht
    Auch die Bestandsaufnahme des Club of Rome zu seinem 50. Jahrestag enthält in den Augen des Publizisten Albrecht von Lucke eine fragwürdige Tendenz:
    "Es wird ein großes Problem zentral in den Mittelpunkt gestellt und von vielen Wissenschaftlern sehr viel stärker gemacht als die letzten fünfzig Jahre: Das ist die Frage der Bevölkerungsentwicklung. Und das ist natürlich ein ungemein gefährliches Terrain. Wenn der neueste Bericht beispielsweise sogar den Industriestaaten vorschlägt, man solle zur Ein-Kind-Politik übergehen, dann ist das natürlich eine Form der Bevölkerungspolitik, die durchaus sich den Vorwurf von rechts einhandeln wird, dass man damit letztlich Bevölkerung regelrecht marginalisiert."
    Die meisten ökologischen Richtwerte sind trotz großer Vorsätze und mehrerer Weltkonferenzen nicht erreicht worden. Im Gegenteil, es gibt kaum für möglich gehaltene Rückschläge wie das Dementi des Klimawandels und die Zurückweisung des Kyoto-Protokolls und der Pariser Vereinbarungen durch US-Präsident Donald Trump.
    Auch die aktuellen Gefechte hierzulande um Feinstaub und Dieselmotoren, den Unkrautvernichter Glyphosat in der Landwirtschaft und das Aussterben der Bienen stimmen nicht gerade zuversichtlich. So zieht auch Ernst Ulrich von Weizsäcker von der deutschen Sektion des "Club of Rome" am Rande von dessen jüngster 50-Jahr-Feier ein ernüchterndes Fazit.
    "In diesen letzten fünfzig Jahren hat sich die Weltbevölkerung mehr als verdoppelt, hat sich der Konsum mehr als verzehnfacht, haben sich die ökologischen Bedingungen der Welt dramatisch verschlechtert."
    In der gerade erschienenen Bilanz "Wir sind dran" kann Ökoaktivist von Weizsäcker aber auch auf ein paar Fortschritte verweisen.
    "Vor fünfzig Jahren war es noch empirisch absolut zutreffend: Je mehr Industrieproduktion, desto schmutziger wird die Welt. Dies ist überwunden. Wir haben heute Emissionsschutzgesetze, Wassergüte, die eine Abkopplung des Wirtschafts- und des Industriewachstums von der lokalen Verschmutzung bewirkt haben. Allerdings in puncto Klima, in puncto Bodenqualität, in puncto biologische Vielfalt hat diese Abkopplung noch überhaupt nicht funktioniert."