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Arabische Samples
Eine Goldmine für die westliche Musikindustrie

Hip Hopper, R’n’B Superstars und Produzenten bedienen sich für ihre Musik gerne an arabischen Samples. Doch nur die wenigsten zahlen den Urhebern dafür etwas - und noch weniger wird die Kultur dahinter wertgeschätzt.

Von Sammy Khamis |
    Der Rapper Jay Z während eines Konzertes in Paris
    Auch der Rapper und Musikproduzent Jay Z bedient sich gerne arabischer Samples (Imago/PanoramiC)
    "Ich muss ganz ehrlich sein: Ich liebe den Song 'Big Pimpin' von Jay Z. Aber das Problem ist, dass sich da eine millionenschwere Plattenindustrie an einem Sample bereichert, ohne dem Urheber auch nur ein bisschen Respekt entgegen zu bringen."
    Jackson Allers ist amerikanischer Libanese, sowie eine der zentralen Figuren in der Beiruter Musikszene und damit auch in der ganzen Region. Er kennt Jay Z genauso gut wie die klassische Arabische Musik, genauer: das Original zu "Big Pimpin".
    Das singt Abdel Halim Hafez. Der Song heißt Khosara Khosara – es geht um Liebe, Sehnsucht und Nähe. Themen, mit denen sich Abdel Halim Hafez den Spitznamen "Frank Sinatra des Nahen Ostens" erarbeitet hat.
    Die Liste arabischer Samples aus dem Nahen Osten ist lang. Da wäre zum einen die mittlerweile verstorbene R’n’B Größe Aaliyah. Ihr Sample kommt von der klassischen arabischen Sängerin Warda. Hören wir erst Aaliyahs Song und dann das Original von Warda
    Selbst die Popsupergröße Beyoncé, derzeit auf Tour in Europa, hat im Nahen Osten Samples gesichtet.
    Ein Sample ist immer auch Wertschätzung der Kultur
    Beyoncé sieht man im Video-Mitschnitt ihres Konzertes zusammen mit rund einem Duzend anderer Tänzerinnen in String-Tangas über die Bühne robben. Für das Sample greift sie auf einen der bekanntesten klassischen arabischen Songs überhaupt zurück: "Enta Omri" von der Ägypterin Oum Kalthoum.
    Einer, der sein Ohr immer am Audio-Ausgang des Nahen Ostens hat, ist der Schweizer Musikethnologe Thomas Burkhalter. Auf seinem Blog "Norient" informiert er über Musik aus der arabischen und afrikanischen Welt. Ein Sample, so Burkhalter, ist immer auch Wertschätzung der Kultur, aus der das Original kommt.
    "Ich glaube aber gleichzeitig, dass es auch immer wieder Kritik gibt, wenn Beyoncé oder jemand anderes diese arabischen Sachen samplet. Und diese Kritik zielt danach hin, dass es oft dieselben Samples sind, die verwendet werden. Es sind oft alte Sachen, Belly-Dance-Rhythmen und so und die arabische Welt wird so exotisch dargestellt. Und es gibt in der arabischen Welt ganz viele zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler und Musiker, die wollen ein anderes Bild der arabischen Welt zeigen. Eines, das nicht nur auf Vergangenheit basiert, und das findet in den Samples von Beyoncé und Co. nicht wirklich statt."
    "Die Globalisierung beginnt nicht erst mit der Digitalisierung"
    Egal also, ob westliche Superstars für Samples bezahlen oder nicht, sie suchen vor allem das sinnlich-orientalische Klangmuster. Die finden sie in der klassischen arabischen Musik aus den 1950er-Jahren. Dabei gibt es auch andere, unerwartete Samples, wie Thomas Burkhalter erklärt.
    "Ich glaube, über diese Samples lernen wir im besten Fall, dass zum Beispiel die Türkei oder auch die arabische Welt in den 70er-Jahren sehr aktuell war. Dass es dort eine Funkszene, Soulszene und psychedelische Rockszene gab. Die Globalisierung beginnt nicht erst mit der Digitalisierung."
    Ein Beispiel für die frühe Globalisierung ist die Sängerin Selda Bagcan. Ihr Song "Ince Ince" ist von 1976. Im Text geht es unter anderem um das vernachlässigte Anatolien und die vergessen Minderheiten in der Türkei.
    Dieser Song schafft es auch wieder in den amerikanischen Rap. Aber in den politischeren: Yasiin Bey, besser bekannt als Mos Def.
    Aus der Türkei wird auch ganz aktuell gesamplet: Adele hat sich dort bedient und steht kurz vor einer Anklage. Und auch der Nachwuchsstar The Weekend aus Kanada samplet für seinen Song "Often". Das Original von der türkischen Sängerin Nükhet Duru ist ein harmloser Liebessong. The Weekend macht einen erotisch-lasziven Superhit daraus, der es in den offiziellen Soundtrack des Sado-Maso-Films "Fity Shades of Grey" schafft.
    Arabische Plattenindustrie muss sich organisieren
    Nükhet Duru ist übrigens von The Weekend bezahlt worden – das ist noch eine Ausnahme, aber immerhin nur der erste Schritt in eine richtige Richtung, wie der Hip-Hop-Produzent Jackson Allers in Beirut erklärt:
    "Die arabische Welt hat keine ernstzunehmende Plattenindustrie. Wir müssen also diese Strukturen aufbauen – auch damit arabische Künstler aus ihrer eigenen Kultur Samples ziehen können. Sie sollten genau so samplen können wie Hip-Hop-Combos in den USA, zum Beispiel De La Soul, Native Tounges oder A Tribe Called Quest. Das heißt, wir müssen unsere arabische Musikindustrie organisieren. Dann haben alle etwas davon."