Die Zeit der großen Turniere ist noch nicht zu Ende am Persischen Golf, nachdem die Weltmeisterschaft in Katar vor drei Wochen mit einem spektakulären Finale zu Ende ging. Im Schatten des europäischen Klubfußballs, der gerade wieder in Fahrt kommt, wurde am vergangenen Freitag im Irak der 25. Arab Gulf Cup eröffnet, bei dem unter anderen die WM-Teilnehmer Saudi-Arabien und Katar mitspielen. Zwei Tage zuvor ist Cristiano Ronaldo beim saudischen Klub Al-Nasr vorgestellt worden. Was was große Fußballmomente betrifft, kommt die Region nicht zur Ruhe.
Mit einem hingebungsvollen Vortrag ihrer Nationalhymne feierten die vielen Iraker unter den 65.000 Menschen am Freitag im Basra International Stadium ihre Mannschaft und ihre Nation. Auf der Tribüne beim Eröffnungsspiel des Arab Gulf Cups 2023 zwischen dem Irak und dem Oman saßen wie bei solchen Gelegenheiten üblich Staatschefs und Minister, FIFA-Chef Gianni Infantino war ebenfalls zugegen. Der Gulf Cup ist atmosphärisch womöglich sogar intensiver als viele WM-Partien.
Mittlerer Osten bleibt Fußballregion
In jedem Fall bleiben die Nationen am Persischen Golf auch nach dem großen Turnier in Katar eine bewegte Fußballregion, sagt James Dorsey, einer der führenden Experten für den Fußball in der arabischen Welt. "Es gibt im Mittleren Osten eine ganze Reihe von Kraftzentren des Fußballs, die noch nicht auf der Bühne der Weltmeisterschaft leuchten konnten. Aber sie leuchten auf regionaler Ebene. Irak ist wie die meisten anderen Nationen des Mittleren Ostens fußballverrückt. Und der Fakt, dass hier so ein Turnier stattfindet, wird die Menschen begeistern."
Irak - ein Land zwischen Krieg und Terror
90 Prozent der Tickets für die beiden Stadien am einzigen Spielort Basra sind offiziellen Angaben zu Folge bereits verkauft. Vor einigen Kartenschaltern standen Menschen stundenlang in Warteschlangen. Basra, das Zentrum der irakischen Ölindustrie, hat sich herausgeputzt. Und wie fast immer bei solchen Turnieren, geht es auch in diesem Fall um mehr als Siege und Niederlagen. Der Irak ist ein von Krieg und Terror erschüttertes Land, dessen Nationalmannschaft aufgrund der schwierigen Sicherheitslage jahrelang keine Heimspiele austragen durfte. Zwischen 1990 und 2004 war die Nation nach der Invasion in Kuwait von vielen Wettbewerben komplett ausgeschlossen.
Arab Gulf Cup bedeutet Schritt zurück zur Normalität
Insofern ist die Veranstaltung des Arab Gulf Cups ein Schritt zurück in eine neue Normalität. „20 Jahre nach dem Irakkrieg ist der Irak zurück“, schreibt die englischsprachige Zeitung „Arab News“ aus Dschidda. Die Nation mache sich auf der globalen Bühne wieder einen Namen und beginne diese Rückkehr mit der Ausrichtung des Arab Gulf Cups. Sportlich ist das Turnier zwar weniger relevant, sagt James Dorsey, "aber es ist ein bedeutender Wettbewerb in dem Sinne, dass es sich um eine der ersten bedeutenden regionalen Großveranstaltungen handelt, die nach all der Gewalt im Irak stattfinden. Das Turnier untermauert die Rolle des Irak als regionale Macht. Und eine solche ist das Land mit all seinen Problemen.“
Irak will Stabilität demonstrieren
Mit dem Turnier will der Irak nicht zuletzt seine deutlich verbesserten Beziehungen zu seinen Golf-Nachbarn untermauern und demonstrieren, dass das Land stabil und offen für Besucher ist. In regionalen Medien wird zudem die These diskutiert, dass die arabische Verbrüderung, die bei der WM in Katar zu beobachten war, einen weiteren Schub erhalten könnte. Während des Weltturniers wurden die Erfolge Marokkos und der Sieg Saudi-Arabiens über Argentinien im Gastgeberland und in der ganzen arabischen Welt gefeiert, was viele Beobachter erstaunte. Wobei Dorsey solche Überlegungen für eine schöne Fantasie hält, die an der Realität vorbei geht. Das Verhältnis einiger der am Gulf Cup teilnehmenden Nationen untereinander ist sogar derart schwierig, dass es nicht einmal Direktflüge zwischen den Hauptstädten gibt.
"Ich glaube nicht, dass irgendein Sport Brücken bauen kann. Was wir in Katar gesehen haben, war, dass Menschen sich mit Teams verbunden haben, mit denen sie sich identifizieren konnten, weil sie muslimisch und arabisch waren, aber das war vor allem ein Statement im Kontext der Auseinandersetzungen mit dem Westen. Es ging um Dinge wie Islamophobie und den Eindruck, dass Katar ausgesondert und angegriffen wurde“, sagt Dorsey.
Europäische Umgang mit Katar förderte Refelx der Verbrüderung
Der Umgang insbesondere Europas mit Katar ist in vielen Ländern als unfair empfunden worden, und das hat den Reflex der Verbrüderung forciert. Dass sich die politischen Beziehungen der Gulf-Cup-Teilnehmer Irak, Bahrain, Oman, Jemen, Saudi-Arabien, Katar, Vereinigte Arabische Emirate und Kuwait durch den Fußball nachhaltig verändern, sei jedoch unwahrscheinlich. Allerdings trägt das Event, das seit 1970 alle drei bis vier Jahre ausgetragen wird, zu dem Eindruck bei, dass die Region sich entwickelt.
Szenario: Mittleren Osten und Nordafrika bald ein Verband
Und das könnte in den Augen des freien Journalisten Dorsey womöglich schon bald die Tektonik des Weltfußballs verändern. “Ich befürchte, dass Saudi-Arabien in absehbarer Zeit, einen Versuch unternehmen wird, den Mittleren Osten und Nordafrika zu einem eigenen Kontinentalverband innerhalb der Fifa zu entwickeln.“
Die nordafrikanischen Nationen und die arabischen Mitglieder des Asiatischen Fußballverbandes könnten versuchen, ihre alten Organisationen verlassen und sich zu einem neuen Machtzentrum des Weltfußballs zusammenschließen. Und dann würde auch ein Turnier wie der Arab Gulf Cup noch einmal eine ganz neue Bedeutung bekommen.