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Arbeit für Flüchtlinge
Da geht noch was

Jeder vierte Flüchtling, der seit 2015 aus Kriegs- und Krisenländern nach Deutschland gekommen ist, arbeitet bereits. Dennoch bleibt die Integration in den Arbeitsmarkt schwierig. Auch im syrischen Restaurant Kreuzberger Himmel, wo zehn Flüchtlinge arbeiten, läuft noch lange nicht alles rund.

Von Claudia van Laak |
    Der Koch Nur al Deen steht in der Küche eines Berliner Restaurants
    Nur Al Deen mag seinen Job: Der Koch aus Damaskus kocht nun in Berlin (Deutschlandradio / Claudia van Laak)
    Aus der Küche dringt laute arabische Musik und ein Duft von Kardamom, Muskat, Kreuzkümmel, Koriander. Othman Achiti formt mit der Hand syrische Bouletten – Kibbeh - eine Masse aus Lammfleisch und Bulgur, gefüllt mit Granatapfelkernen, Rinderhack, Zwiebeln, Nüssen und Petersilie.
    Er hat in seinem Leben schon so viele Kibbeh geformt, jeder Berliner könnte zwei davon essen, erzählt der Koch aus Damaskus und lacht. Neben ihm steht Nour Aldeen, reißt den Deckel einer großen Blechdose mit Schafskäse ab.
    "Ich mache den Salat, die Vorspeisen. Wir haben auch Hummus, Baba Ghanoush, Auberginen, Tomaten."
    Es ist eng, heiß und stickig in der Küche, doch das macht den beiden Köchen nichts aus. Sie sind Malocher, wollen um jeden Preis arbeiten. In der Mitte ihres Lebens noch die Schulbank drücken und eine neue Sprache lernen, das fällt ihnen schwer.
    "Ich will richtig arbeiten und ich mag meinen Beruf. Und nur Schule, das ist langweilig. Ich will arbeiten, das ist mein Beruf seit 13 Jahren, ich kann nicht ohne Arbeiten."
    "Man muss mutig sein"
    Im Keller des Restaurants sitzt Marinaya Saoud, vermischt Auberginen, Minze und Grantapfelkerne zur syrischen Vorspeise Baba Ghanoush. Die junge Frau aus Aleppo ist ehrgeiziger als die beiden Männer, ihr Deutsch sehr viel besser.
    "Ich liebe Deutschland, man kann so viele Sachen machen, man muss nur mutig sein. Und ich bin ganz mutig."
    Das syrische Restaurant Kreuzberger Himmel gibt zehn Flüchtlingen Arbeit – zum Teil vom Jobcenter gefördert. Initiator ist Andreas Tölke – der sich selbst, wie er erzählt – im Sommer vor drei Jahren aus seinem Job als Society-Journalist herauskatapultiert hat, die Initiative "Be an angel" gründete und sich nun als Arbeitgeber und Restaurantbetreiber wiederfindet.
    "Es ist ein irrsinniger Papierkrieg. Man ist von der Seite der Geflüchteten als auch der Seite der Unternehmer mit einem Papierkrieg, mit einer überbordenden Verwaltung konfrontiert, die es einem fast unmöglich macht – wenn man nicht sehr engagiert ist – , sich dafür zu begeistern, Geflüchtete einzustellen."
    "Er hat ein großes Herz für alle. Das finde ich ganz toll. Weil ich kann das oft nicht verstehen und es auch nicht alleine machen."
    Erzählt Marinaya Saoud, für die der Kreuzberger Himmel nur eine Zwischenstation ist. Sie hat einen Ausbildungsvertrag unterzeichnet, beginnt in Kürze eine Lehre in Berlins größtem Hotel. Integration ist nach wie vor eine große Herausforderung.– sagt Herbert Brücker, Wissenschaftler am Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung. Er hat die Integration der Flüchtlinge in den heutigen Arbeitsmarkt verglichen mit der Integration der Jugoslawienflüchtlinge – damals habe die Hälfte von ihnen nach fünf Jahren einen Job gehabt.
    "Wir beobachten jetzt, dass nach zweieinhalb Jahren, nach drei Jahren, etwa 25 Prozent im Arbeitsmarkt angekommen sind. Das ist etwas schneller als in der Vergangenheit. Sodass ich guten Mutes bin, dass wir nach fünf Jahren diese 50 Prozent Marke erreichen werden."
    Zwei Drittel auf Sozialleistungen angewiesen
    Der Arbeitsmarkt heute sei aufnahmefähiger, außerdem erhielten die Flüchtlinge – anders als früher – Deutschkurse.
    "Jetzt kommen die Menschen aus diesen Kursen, jetzt beschleunigt sich das, das Tempo nimmt zu, sodass wir schon weiter sind, als wir damals waren."
    Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Momentan sind etwa zwei Drittel der Eingewanderten auf deutsche Sozialleistungen angewiesen. Und: nur zwei von zehn Asylbewerbern verfügen entweder über einen Uni- oder einen Berufsabschluss. Dass die Flüchtlinge schnell das deutsche Fachkräfteproblem lösen könnten, sei immer schon illusorisch gewesen, sagt Arbeitsmarktforscher Brücker.
    "Ich glaube, dass es die Erwartung so nicht gegeben hat. Nur Daimler-Chef Zetsche, der hat in einem Interview gesagt, das löst das Fachkräfteproblem. Aber alle Experten, die Bundesregierung, die Bundesanstalt für Arbeit, die haben es anders gesehen."
    Differenzierung bei Integrationskursen notwendig
    Für Arbeitsmarktforscher Brücker ist das Glas also halb voll, nicht halb leer. Trotzdem mahnt er Veränderungen an: nicht einen Integrationskurs für alle – hier müsse differenziert werden zwischen Schnell- und Langsam-Lernern. Wenn der Einstieg in den Job geglückt sei, müsse es parallel berufsspezifische Deutschkurse geben. Außerdem müssten die vielen Rechtsunsicherheiten beseitigt werden. Andreas Tölke vom syrischen Restaurant Kreuzberger Himmel kann von diesen Schwierigkeiten ein Lied singen. Er beschäftigt in Berlin einen Asylbewerber, für den die Brandenburger Behörden zuständig sind.
    "Im Fall von diesem jungen Mann ist es so, dass er mit Residenzpflicht in Brandenburg lebt. Dann tagsüber arbeitet, und dann abends nach Hause fährt."
    Tölke schildert, dass er seit vier Monaten vergeblich versuche, die Behörden dazu zu bewegen, den Asylbewerber von Brandenburg nach Berlin umzumelden.
    "Da sind also sechs Behörden, die untereinander anscheinend extrem ungern kommunizieren, um es vorsichtig zu sagen, und eigentlich keiner weiß, was der andere macht."
    Nicht alles läuft rund
    Auch im Restaurant Kreuzberger Himmel läuft noch lange nicht alles rund. Zum Beispiel kommt es vor, dass die syrischen Männer die deutsche Chefin nicht akzeptieren. Oder eine WhatsApp-Nachricht aus Syrien blinkt auf – plötzlich sind Krieg und Flucht wieder da, Traumatisierungen brechen auf.
    Einige Integrationsexperten sind der Ansicht, es brauche mehr Berater, Betreuer, Pädagogen und Psychologen, um Flüchtlingen den Jobeinstieg zu erleichtern. Doch Arbeitsmarktforscher Herbert Brücker rät ab:
    "Wir haben ja in der Vergangenheit auch erlebt, dass Migranten ihre eigenen Wege in den Arbeitsmarkt finden. Das ist volkswirtschaftlich durchaus sinnvoll. Und man muss jetzt nicht alle Menschen bei jedem Schritt an die Hand nehmen. Wir brauchen auch ein Stück Eigeninitiative."