"Our stock is almost empty as you can see, one and a half meter left…"
Nima Alizadeh führt durch die Halle außerhalb von Teheran, in der er sich seinen Lebenstraum verwirklicht hat. Der gelernte Fotograf gründete vor sieben Jahren Tehran Image Works, die einzige Druckerei für hochwertige Kunst- und Fotodrucke im Iran. Doch Alizadeh steht derzeit vor einer Zerreißprobe. Die Materialien gehen zur Neige, von manchen Papieren aus Europa sind nur noch wenige Meter auf Lager. Die Sanktionen haben den Lieferverkehr praktisch lahmgelegt, hinzu kommt die massive Währungskrise.
Für hochwertige Kunstdrucke fehlt das Papier im Iran
"Die Preise haben sich verfünffacht, also haben wir die Importe eingestellt. Wir wissen nicht, ob diese Firma eine Zukunft hat. So geht es derzeit vielen Unternehmern."
Nima Alizadeh arbeitet mit den renommiertesten Galerien in Teheran zusammen, seine Drucke sind auch in Museen in Europa, den USA, Japan und Indien zu sehen. In der aktuellen Fotografie Irans beobachtet er folgende Tendenzen:
"Die meisten Arbeiten sind dann erfolgreich, wenn sie etwas mit Politik zu tun haben. Aber wäre Iran ein anderes Land, mit einer anderen Religion, würden diese Fotografien nicht lange überdauern. Gute Kunst hat schließlich keine begrenzte Lebensdauer. Aber in dem Moment, wo sie sich auf die aktuelle politische Lage bezieht, dann schon."
"Großartige, unabhängige Filme"
Ähnliche Entwicklungen sieht die Dokumentarfilmregisseurin Shirin Barghnavard in der Filmbranche.
"Es gibt gegenwärtig viele Filmemacher, die ideologische Filme produzieren. Gleichzeitig gibt es großartige, unabhängige Filme. Wenige zwar, aber ihre Qualität sticht gegenüber den ideologischen Filmen deutlich hervor. Für Propaganda gibt es immer ausreichende Budgets, während es für unabhängige Filme immer weniger Geld gibt. Und diese Produktionen können dann nirgendwo gezeigt werden."
Spezieller Erwartungsdruck
Barghnavard war 2017 Stipendiatin des Harun-Farocki-Instituts in Berlin und der Akademie Schloss Solitude. Aufgrund ihrer Herkunft sieht sie sich von potentiellen Geldgebern aus dem Westen mit einem speziellen Erwartungsdruck konfrontiert.
"Nur, weil ich aus dem Iran komme, wird von mir immer erwartet, dass ich mich meinen Themen mit einem journalistischen Ansatz nähere. Sonst werde ich nicht akzeptiert. Nur, weil ich aus dem Nahen Osten bin, muss ich mein Leben in Gefahr bringen, um einem westlichen Publikum zu gefallen. Die Zuschauer hingegen sind klüger, sie wissen, dass es in einem Land wie Iran nicht nur Elend gibt. Im Gegenteil: hier leben wirklich starke Menschen. Genau deshalb existiert dieses Land noch."
Einer der umtriebigsten, unabhängigen Kulturschaffenden in Teheran ist Amirali Ghasemi.
Ende der 199er Jahre gründete er seine erste Galerie, inzwischen betreibt er die New Media Society, einen Projektraum für neue Medienkunst. Dort finden Screenings, Vorträge, Ausstellungen, Workshops und Performances statt, sowohl von einzelnen Akteuren als auch von Kunstkollektiven.
Kampf um Genehmigungen, Zensur
Hört man sich unter Kulturschaffenden in Teheran um, sprechen die meisten von Erschöpfung. Sie sind den Kampf um Genehmigungen für Veranstaltungen und die Zensur leid. Zudem gehen sie, in Ermangelung von Förderungen, erhebliche finanzielle Risiken ein und finanzieren Projekte aus eigener Tasche. Doch die Preise für Mieten und den Lebensunterhalt explodieren. Viele denken täglich daran, auszuwandern. Nicht so Amirali Ghasemi.
Die Stadt als "großes sozialpolitisches Labor"
Er begreift die gegenwärtige Lage als einmalige Chance:
"Diese Stadt bietet ein großes sozialpolitisches Labor, einfach so, wie sie ist. Man kann hier Leerstellen und Zwischenräume finden und daraus etwas entwickeln. Das stimmt mich zuversichtlich. Denn selbst das, wogegen wir uns auflehnen ist nicht in Stein gemeißelt. Deshalb gibt es so viele Möglichkeiten, sich hier zu bewegen und hindurch zu manövrieren."