Sandra Schulz: Das Thema ist politisch höchst aufgeladen. Gerade haben wir es auch noch mal gehört. Kaum eine Frage polarisiert so sehr wie die, wer nach Deutschland kommen darf und wer obendrein noch bleiben. Jetzt geht die schwarz-rote Regierung aufs Tempo.
Noch vor Weihnachten will das Kabinett den Gesetzentwurf verabschieden, mit dem die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland gesteuert werden soll. Unter anderem sollen qualifizierte Fachkräfte mit einem speziellen Visum nach Deutschland kommen können und sechs Monate Zeit für die Jobsuche bekommen.
Wegen des drückenden Fachkräftemangels hatte die Wirtschaft schon länger gedrängelt. Wie die Pläne jetzt dort gesehen werden, darüber können wir in den nächsten Minuten sprechen. Am Telefon ist Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Schönen guten Morgen.
Steffen Kampeter: Guten Morgen, Frau Schulz.
Schulz: Reicht Ihnen das, was die Bundesregierung jetzt ankündigt?
Kritik an zu komplizierter Berufs-Anerkennung
Kampeter: Es ist auf jeden Fall jetzt hoffentlich der Schlusspunkt, der vorläufige, einer langen Debatte. Der Befund in den Betrieben ist: Wir haben Fachkräftemangel. Es gibt inländische und ausländische Strategien, das zu lindern. Das Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz wird ein Teil der Lösung sein. Die jetzt vorgeschlagenen Dinge gehen in die richtige Richtung. An der einen oder anderen Stellschraube haben wir noch Gesprächs- und Diskussionsbedarf. Da kann man noch präzisieren. Aber dass die Politik sich jetzt darauf geeinigt hat, endlich diesen Schritt zu gehen, nach monatelangen Diskussionen, das ist zu begrüßen.
Schulz: Welche Stellschrauben meinen Sie?
Kampeter: Es sind Teile in manchen Detailregelungen des Gesetzes, beispielsweise was ist eine Fachkraft. Da gibt es sehr bürokratische und in Teilen praxisferne Lösungen. Wir haben ja noch nicht mal einen Kabinettsbeschluss. Das wird in den nächsten Wochen sicherlich noch intensiver zu diskutieren sein.
Wir haben in Deutschland ein herausragendes und international kaum vorhandenes Berufsbildungssystem und einen deutschen Meister und einen deutschen Gesellen gibt es in der Welt nicht. Deswegen ist die Frage, was tatsächlich eine Fachkraft ist, zumindest nicht mit den deutschen Maßstäben allein zu messen. Hier brauchen wir mehr Flexibilität und mehr Praxisbezug. Es kann nicht sein, dass ein im Ausland nicht erhältlicher Berufsabschluss zur Präqualifikation dieses Sondervisum-Tatbestandes wird.
Schulz: Jetzt hat Ihr Präsident Kramer ja auch dafür geworben, Menschen nach Deutschland zu holen oder nach Deutschland zu lassen, die hier erst zu Fachkräften weitergebildet werden. Wie und in welchem Rahmen soll denn das passieren?
Kampeter: Wir haben ja nicht nur die Fachkräftezuwanderung, sondern wir haben auch die sogenannte Potenzialzuwanderung in dem Gesetz. Man kann auch zur Aufnahme einer Ausbildung hier herkommen. Das ist eine gute Regelung, denn wir erleben ja in diesem Jahr zum ersten Mal seit langem, dass eine wesentliche Anzahl von Ausbildungsstellen nicht besetzt werden kann, weil wir nicht hinreichend inländische Bewerberinnen und Bewerber haben.
Die andere Frage ist, das habe ich gerade schon versucht zu beschreiben: Was ist eine Fachkraft? Das kann nicht jemand sein, der lediglich einen deutschen Berufsabschluss hat. Die Teilanerkennung, die wir auch im Gesetz haben - sehr kompliziert, da muss man im Detail noch mal reden -, die sogenannte Teilanerkennung beschreibt gerade diesen Bereich, dass jemand, der noch nicht vollständig eine Fachkraft ist, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes dann hier auch ausgebildet werden kann. Und wenn er das nachweist, fällt er unter die Regelung des Gesetzes. Das finden wir eine vernünftige Regelung im Ansatz. Da muss man auch hier an den Detailschrauben gucken. Der Obersatz gilt: Wir können nicht erwarten, dass jemand eine deutsche Berufsausbildung im Ausland nachweisen kann.
Arbeitgeber fordern nicht, "die Grenzen zu öffnen"
Schulz: Sie haben aber sicherlich doch auch die Debatte der letzten Monate, der letzten Jahre verfolgt, in der auch Ängste von Menschen eine wesentliche Rolle spielen, Ängste von Menschen vor Zuwanderung von Gering- und Nichtqualifizierten. Ist das am BDA komplett vorbeigegangen?
Kampeter: Selbstverständlich nicht! Aber wir reden über einen völlig anderen Bereich. Wenn Sie die Migration nach Deutschland ein Stück weit einmal sehen: Ungefähr 90 Prozent hat mit Erwerbsmigration, über die wir hier reden, überhaupt nichts zu tun. Die Erwerbsmigration, die dieses Gesetz in Teilen regeln soll, ist an Voraussetzungen zu knüpfen. Es ist ja nicht so, dass die deutschen Arbeitgeber fordern, die Grenzen zu öffnen, sondern wir wollen eine praxisnahe, an den Bedürfnissen auch des deutschen Arbeitsmarktes nicht vorbeigehende, gezielte Akquise von Fachkräften, von Auszubildenden und Leuten, die wir in unseren Betrieben mit hohem qualifikatorischen Niveau einzusetzen haben. Das ist ein völlig anderer Sachverhalt als der, über den Sie gerade im Vorbeitrag geredet haben, wo es um Migration aus humanitären und politischen Gründen geht. An diesem Bereich wollen wir natürlich aus wirtschaftlichen Gründen überhaupt gar keine Änderung vorschlagen, sondern es geht ausschließlich um die Erwerbsmigration, also die Migration in sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.
Schulz: Das heißt, es war jetzt auch schon die Festlegung, dass Sie den Spurwechsel, der ja auch ein ganz wichtiger Punkt jetzt in der Diskussion ist, gar nicht so wichtig finden?
Kampeter: Wichtig finden wir, dass der Verwaltungsvollzug in Deutschland vernünftig ist. Es hat ja bisher im geltenden Ausländerrecht schon Möglichkeiten gegeben, einen dauerhaften Bleibestatus aus einem anderen Rechtsbereich zu bekommen. Die Spurwechsel-Diskussion ist ein bisschen politisch aufgeladen. Es hat bisher schon Möglichkeiten gegeben, Leute, die als Flüchtlinge hier hergekommen sind, mit einem befristeten oder unbefristeten Bleibestatus aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit zu versehen. Da müssen wir als Arbeitgeber noch engagierter mit den Ausländerbehörden sprechen.
Umgekehrt müssen die Ausländerbehörden auch ihr Ermessen so ausnutzen, dass es nicht in Schleswig-Holstein eine andere Rechtsauslegung gibt als in Baden-Württemberg. Unternehmen sind ja nicht nur an einem Standort tätig und wenn plötzlich das Ausländeramt A anders urteilt im gleichen Sachverhalt als das Ausländeramt B, dann führt das zur Frustration. Deswegen ist ein ganz wichtiger Punkt in dem Gesetz, dass es auch tatsächlich zu überregionalen Zentren des Ausländerrechts kommt, um diese Verwaltungspraxis zu vereinheitlichen. Wenn das vereinheitlicht ist, die Rechtssicherheit für die Betriebe und für die Beschäftigten durch einen vernünftigen Vollzug gegeben ist, dann wird sich die Situation oder die Diskussion über den angeblichen notwendigen Spurwechsel auch relativ rasch verflüchtigen.
Schulz: Die Position habe ich jetzt, ehrlich gesagt, nicht verstanden. Spurwechsel ist ja das politische Schlagwort. Es geht um die Frage, ob Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, wenn sie einen Job oder eine Ausbildung finden, dann auch die Chance bekommen sollen zu bleiben. Was ist da jetzt genau Ihre Position?
Kampeter: Frau Schulz, es gibt im geltenden Ausländerrecht diese Chance bereits schon. Wenn Sie längerfristig hier sind, eine berufliche Integration haben, kann der Flüchtling oder die Person mit dem Ausländeramt gemeinsam möglicherweise mit dem Arbeitgeber einen solchen Bleibestatus erreichen. Ich wiederum habe die Diskussion um den Spurwechsel nicht verstanden, weil sie eine gewisse Fehlinterpretation des geltenden Ausländerrechts widerspiegelt. Was nicht passieren darf ist, dass wir beide Rechtsbereiche munter durcheinanderwirbeln.
"Das ist geltendes Recht, das muss man nicht ändern"
Schulz: Herr Kampeter, wir haben ja die Klagen von Unternehmen - und das sind ja auch ganz konkrete Fälle, die in der Diskussion stehen -, die sagen, hier ist uns unser Auszubildender, unser Mitarbeiter quasi unter den Fingern wegabgeschoben worden. Diese Probleme sehen Sie nicht?
Kampeter: Frau Schulz, ich bin mir nicht ganz sicher. Wenn Sie sich den Fall gerade der Ausbildung angucken, da gibt es eine klare Regelung. Drei plus zwei heißt die. Wer drei Jahre lang hier ausgebildet ist, hat mindestens noch zwei Jahre Bleiberecht, und danach gelten die üblichen ausländerrechtlichen Regelungen. Die sagen: Wenn die Erwerbsbiographie so ist, wie wir sie gerade beschreiben, dann besteht auch im Rahmen des Ermessens, später sogar im Rahmen eines Rechtsanspruchs ein Bleibestatus. Das ist geltendes Recht, das muss man nicht ändern. Diejenigen, die solche Fälle vortragen, sollten mit dem Ausländeramt noch mal die tatsächlich heute schon geltende Rechtslage prüfen und dann wird sich eine Lösung für solche Fälle insbesondere im Bereich der Ausbildung finden lassen. Das ist bereits geregelt.
Schulz: Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Ganz herzlichen Dank Ihnen.
Kampeter: Ich danke Ihnen, Frau Schulz.
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