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Arbeitserlaubnis für Asylsuchende
"Wir brauchen eine offenere, legale Form der Zuwanderung"

Dass es für Flüchtlinge in Deutschland nun möglich sei, bereits nach drei Monaten eine Arbeit aufzunehmen, sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagte Arbeitsmarktforscher Alexander Spermann im DLF. Er fordert von der Politik aber noch einfachere und transparentere Möglichkeiten für Asylsuchende, in Deutschland zu arbeiten.

Alexander Spermann im Gespräch mit Birgid Becker |
    Ein junger Mann vor einem Computer
    Mehr Online-Angebote für Migranten (dpa / Robert B. Fishman)
    Alexander Spermann ist Direktor des Bereichs Arbeitsmarktpolitik Deutschland beim Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn.
    Alexander Spermann: Die Blue Card ermöglicht es, hoch qualifizierten Zuwanderern aus Nicht-EU-Staaten für bis zu vier Jahre in der EU zu arbeiten. Voraussetzungen dafür sind ein fester Arbeitsvertrag, eine abgeschlossene Ausbildung und ein Mindestgehalt, also relativ hohe Hürden. Seit 2012 gibt es diese Blue Card und bisher gut 20 Tausend Blue Cards wurden ausgestellt, und wir haben also Erfahrungen, aber diese Erfahrungen gelten nicht für Asylbewerber. Damit Asylbewerber über die Blue Card nach Deutschland kommen müssten, müssten sie wieder zurück in ihr Heimatland, um dort ein spezielles Visum zu beantragen. So kann es nicht gehen – hier an der Stelle ist dringender Handlungsbedarf nötig.
    Birgid Becker: Es gibt einen Vorschlag der Bundesagentur für Arbeit, nach dem Flüchtlinge mit ihren Familien aus dem Asylverfahren herausgehen können und dann einen Status als zugewanderte Fachkraft bekommen können – das ist so die Richtung, in die Ihr Vorschlag geht.
    Spermann: Der Vorschlag der Bundesagentur für Arbeit ist ein sehr fortschrittlicher Vorschlag. Er nimmt zum einen zur Kenntnis, dass unter den Asylbewerbern Fachkräfte dabei sind, die wir am deutschen Arbeitsmarkt dringend benötigen, und er geht eben in die Richtung, dass man aus dem Pool der Asylbewerber Einwanderung mit qualifizierten Arbeitskräften ermöglicht. Denken Sie daran, dass wir hier in Deutschland Fachkräfte dringend brauchen, und dementsprechend reicht es nicht, nur die Asylverfahren zu verkürzen, die Menschen möglichst schnell an den Arbeitsmarkt heranzuführen durch Sprachkurse, sondern darüber hinaus müssen wir auch noch die Arbeitskräfte, die sofort einsetzbar sind hier in Deutschland, über eine Blue Card sehr schnell an den Arbeitsmarkt heranführen.
    "Wir kommen aus einer Welt des fünfjährigen Arbeitsverbots für Flüchtlinge"
    Becker: Nun gibt es ja eine Reform des Bleiberechts, die danach zielt, den Aufenthalt in Deutschland für gut integrierte Ausländer sicherer zu machen, andererseits geht es aber in dieser Reform auch darum, die Abschiebepraxis zu verschärfen. Was wird nach Ihrer Ansicht überwiegen am Ende – mehr Abschiebung oder mehr Sicherheit für qualifizierte Fachkräfte?
    Spermann: Ich kann nicht sagen, was überwiegen wird, ich kann nur sagen, wir sind im Blick auf den Umgang mit Asylbewerbern an einer Schnittstelle angelangt. Wir sehen, dass es nicht mehr nur ein zwischenzeitliches Thema sein wird, das sehr schnell wieder von der politischen Tagesordnung verschwunden ist. Wir erwarten in diesem Jahr deutlich mehr Flüchtlinge als im letzten Jahr, und wer weiß, wie lang dieser Flüchtlingsstrom noch andauern wird, und dementsprechend sind wir gerade an einem Punkt des Umdenkens. Wir kommen aus einer Welt des fünfjährigen Arbeitsverbots für Flüchtlinge und sind jetzt gelandet seit wenigen Monaten in einer Welt, in der man sagt, ja, innerhalb von drei Monaten keine Arbeitserlaubnis, aber nach drei Monaten. Und an der Stelle bewegt sich Deutschland in die grundsätzliche richtige Richtung und was am Ende des Tages überwiegt – kann ich jetzt nicht voraussagen.
    Becker: Sind wir da, wie Sie es sagten, wirklich gelandet in dieser offeneren Welt? Wir haben im Bundestag, unter den im Bundestag vertretenen Parteien zumindest eine, die ganz offen nicht dafür ist, Zuwanderung nach Deutschland flexibler zu gestalten, und parallel dazu gibt es eine Welle an offen ausländerfeindlich und gewaltsam ausgeführten Anschlägen auf Einrichtungen zur Unterbringung von Flüchtlingen, also sind wir da wirklich gelandet in dieser offeneren Zuwanderungsgesellschaft?
    Spermann: Wir sind in einer offeneren Zuwanderungsgesellschaft gelandet, wir haben einen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund von ungefähr 20 Prozent in Deutschland. Ich blicke auf dieses Thema mit einer Perspektive von drei Jahrzehnten, und in dieser Perspektive über die Jahrzehnte hinweg sehen wir, dass wir uns deutlich in eine Richtung entwickelt haben, wo wir versuchen, die Regelungen in Deutschland so auszugestalten, dass Asylbewerber hier sehr schnell Schutz bekommen, dass sie hier auch schnell den Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Der Zweck ist auch, zu unterstützen, dass Sprachkurse ohne große bürokratische Hemmnisse sofort angeboten werden. Denken Sie an die jungen Leute in den Erstaufnahmeeinrichtungen, und wenn sie wissen, nach drei Monaten können sie dem Arbeitsmarkt zu Verfügung stehen, ist das schon mal ganz was anderes als in der Vergangenheit erst nach fünf Jahren. Und auch die Möglichkeit, Ausbildungen aufzunehmen – denken Sie daran, wir hatten im letzten Jahr noch nie so viele unbesetzte Lehrstellen in Deutschland. Warum nicht hier Möglichkeiten zu schaffen auch für Flüchtlinge, gerade für junge Flüchtlinge, hier eine Ausbildung auch anzufangen und auch abschließen zu können. Also wir bewegen uns vom Rahmen her in die richtige Richtung. Nichtsdestotrotz entgeht mir genauso wenig wie Ihnen, dass hier der Unmut in der Bevölkerung auch zunimmt.
    "Wir wachsen jetzt rein in eine demografische Herausforderung"
    Becker: Wenn nun Sie, wie auch Unternehmens- und Handwerksverbände oder auch die Bundesagentur für Arbeit dafür werben, dass Zuwanderung für Fachkräfte einfacher werden soll, dann hat das ja nicht vorrangig humanitäre Motive, sondern vorrangig ökonomische, es soll Fachkräftemangel verhindert werden, Sie sagen das ganz deutlich. Ist diese ökonomische Betrachtung aber nicht zu wenig, um Menschen hier eine neue Heimat zu geben, auch darum muss es ja gehen?
    Spermann: Wir haben in den letzten Jahren, um zu sagen Jahrzehnten, immer ganz glasklar diskutiert, einerseits Asylbewerber, die politisches Asyl beantragen und auf der anderen Seite Wirtschaftsflüchtlinge, und beide Welten wurden strikt voneinander getrennt. Sie beobachten völlig richtig, dass jetzt die Diskussion sich etwas vermengt, dass man auch über diesen Vorschlag aus dem Kreis derjenigen, die hier als Flüchtlinge ankommen, einen Weg sucht, auch Wirtschaftsflüchtlingen hier den Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewährleisten. Damit wird diese starke Trennung in diese zwei Gruppen etwas aufgehoben, was sich natürlich eben auch widerspiegelt aus den Migrationsgründen. Die Situation am Arbeitsmarkt hat sich auch stark verändert, wir wachsen jetzt rein in eine demografische Herausforderung und damit in ein Fachkräftebedarfsthema, und damit vermengen sich humanitäre und auch ökonomische Gründe zum Teil, das ist richtig.
    Becker: Muss es am Ende eine weitaus offenere Form der legalen Zuwanderung geben, weitaus offener als wir sie gegenwärtig umrissen haben? Muss am Ende nicht womöglich eine viel offenere, legale Form der Zuwanderung stehen?
    Spermann: Wir brauchen eine offenere, legale Form der Zuwanderung in Form eines Einwanderungsgesetzes, das absolut klar und transparent ist, mit klaren Kriterien, nach denen man sich eine Hoffnung ausrechnen kann, am deutschen Arbeitsmarkt auch wirklich anzudocken. Dieses gibt es im Moment nicht, deshalb fordern wir vom EZA hier auch eine klare einwanderungsgesetzliche Regelung, die über das hinausgeht, was im Moment existiert.