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Arbeitsgedächtnis
Entscheidungsträger im Fliegengehirn

Neurowissenschaften. - Fliegen müssen sich oft entscheiden. Manchmal schnell, wenn die Fliegenklatsche naht. Bei anderen Entscheidungen haben sie etwas mehr Zeit und können abwägen. Zum Beispiel wenn es darum geht zwischen zwei verschiedenen Gerüchen zu unterscheiden. Forscher der Universität Oxford konnten ihre Fliegen bei diesen Entscheidungen gezielt beeinflussen.

Von Michael Lange |
    Eine Fruchtfliege im Flug
    Forscher der Universität von Oxford haben Entscheidungen von Fruchtfliegen mit Lichtimpulsen beeinflusst. (dpa / Björn Brembs)
    Mit der von ihm mitentwickelten Optogenetik kann der aus Österreich stammende Neurobiologe Gero Miesenböck einzelne Nervenzellen im Fliegengehirn gezielt an- und ausschalten – und zwar mit Lichtsignalen.
    "Das war dann auch die Methode, die wir benutzt haben, um das Verhalten eines Lebewesens fernzusteuern durch Licht. Und das war in der Fruchtfliege Drosophila."
    Dazu hat er mit seinem Team an der Universität Oxford Lichtsensoren aus dem Auge der Fliegen gentechnisch in Nervenzellen des Fliegengehirns eingebaut. Zunächst löste er so einfache Reflexe bei den Fliegen aus. Wenn sich ein unbekannter Schatten näherte, floh die Fliege, ohne lange zu überlegen. Entscheidungen, bei denen Argumente pro und contra genau abgewogen werden müssen, hatten viele den Fliegen nicht zugetraut. Aber als Gero Miesenböck seinen Versuchstieren verschiedene Duftstoffe in unterschiedlichen Konzentrationen präsentierte, reagierten die Fliegen nicht so schnell, wie bei einem Reflex. So untersuchte er, wie Fliegen Entscheidungen zwischen verschiedenen Alternativen treffen.
    "Wenn wir dann die Entscheidung schwieriger machen, braucht die Fliege so wie Sie und ich bei schwierigen Entscheidungen länger. Das heißt, dass sie nicht nur reflexartig auf einen Reiz reagiert, sondern wirklich die Alternativen abwägt und dann entscheidet."
    Anscheinend brauchten die Fliegen etwas "Bedenkzeit", um unterschiedliche Gerüche in verschiedenen Konzentrationen zu vergleichen. Es schien, als ob sie überlegten, was zu tun sei. Mit der Optogenetik versuchten Miesenböck und Mitarbeiter diesen Entscheidungsprozess zu beeinflussen.
    "Was wir auch können. Wir können den Wert, den die Fliege einer der beiden Alternativen beimisst, gezielt verändern. Wir können also das Wahlverhalten der Fliege gezielt umprogrammieren."
    Durch Licht aktivierten die Forscher bestimmte Gruppen von Nervenzellen und fanden schließlich heraus, dass die Entscheidung in einem Netzwerk von etwa 200 Nervenzellen abläuft. In diesen wenigen Zellen werden, so die Vermutung, verschiedene Sinnesinformationen und Gedächtnisinhalte verglichen. Aktivitäten der Nervenzellen beeinflussen sich dabei gegenseitig. Neurobiologen sprechen von einem Arbeitsgedächtnis.
    Miesenböck: "Das alles funktioniert nur, wenn man einen Kurzzeitspeicher irgendwo im Gehirn hat, der die Information für einige Zeit festhalten kann. Wenn ich jetzt einmal hier schnuppere und einmal da schnuppere, und dann sagen muss, welcher Geruch mir besser gefällt. Dann muss ich den ersten Geruch noch irgendwo im Gehirn haben. Und niemand weiß eigentlich, wie dieses Arbeitsgedächtnis aussieht, und wie es funktioniert."
    Auch der Mensch braucht dieses Arbeitsgedächtnis für jede Entscheidung. Immer wieder müssen Situationen neu bewertet werden, und dabei helfen Erfahrungen, die das Gehirn gespeichert hat. Das gleiche findet auch im Fliegengehirn statt. Jede Entscheidung wird gespeichert, und das Gelernte führt dazu, dass spätere Entscheidungen anders ausfallen. Auch bei den Genen, die für den Entscheidungsprozess gebraucht werden, gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Mensch und Fliege. So fanden die Forscher aus Oxford, dass das Gen FoxP im Fliegengehirn bei Entscheidungen notwendig ist. Bei uns Menschen trägt das gleiche Gen außerdem dazu bei, dass wir sprechen können. Warum sich das Gen bei Fliegen und Menschen unterschiedlich auswirkt, ist unbekannt.