Grundsätzlich sei es schwierig, belastbare Prognosen über den zukünftigen Bedarf an Elektroingenieuren anzustellen, sagte Arbeitsmarkexperte Brenke und widersprach damit Zahlen des Verbands der Elektrotechnik (VDE), der in einer neuen Studie vor der größten Lücke aller Zeiten warnte. Laut VDE würden in den kommenden Jahren in Deutschland 100.000 Ingeniere fehlen.
Bei den Berechnungen laufe vieles falsch, betonte Brenke nun im Interview mit dem Deutschlandfunk. Gerade bei Elektroingenieuren seien die Klagen über Fachkräftemangel überhaupt nicht berechtigt. Engpässe könnten in Zeiten der Hochkonjunktur, wie gegenwärtig, in vielen Branchen entstehen.
Brenke: Ersatzbedarf von Unis gedeckt
Brenke verwies auf die Relationen: Die Ingenieure im bevorstehenden Rentenalter seien diejenigen, die in den 1980er-Jahren ausgebildet wurden. In dieser Zeit seien aber halb soviele Ingenieure ausgebildet worden wie gegenwärtig. Der Ersatzbedarf, der durch die baldigen Ruheständler entsteht, werde allemal von Nachwuchsingenieuren gedeckt, die jetzt mit einem erfolgreichen Abschluss die Universitäten verlassen.
Aus der Beschäftigtenstatistik sei außerdem nicht abzulesen, dass es einen besonders starken Expansionsbedarf bei Elektroingenieuren gebe. In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl der Elektroingenieure laut amtlicher Statistik gesunken, in den letzten Jahren der Hochkonjunktur nur wenig gestiegen. Es gebe deshalb insgesamt keinen Grund, über Fachkräftemangel zu klagen.
Bei den Berechnungen, die offene Ingenieursstellen in Deutschland der Zahl der Arbeitslosen gegenüberstellen, werde zudem außer Acht gelassen, dass viele Nachwuchsingenieure und Hochschulabsolventen sich gar nicht bei der Arbeitsagentur melden, sondern sofort einen Job suchen.
Klagen auch "Werbung in eigener Sache"
Zuwenig beachtet werde außerdem der riesige offene europäische Arbeitsmarkt, meint Brenke. Es könnten jederzeit Fachkräfte aus anderen EU-Staaten oder auch Hochqualifizierte aus Drittstaaten ins Land geholt werden.
Die Klagen des VDE über die drohende "größte Ingenieurlücke aller Zeiten" hält Brenke bis zu einem gewissen Grad auch für Werbung in eigener Sache. Sie dienten auch dazu, junge Leute zu beeinflussen, die entsprechenden Studiengänge auszuwählen. Wenn es hinreichend Ingenieure gebe, dann werde auch entsprechend Druck auf die Löhne ausgeübt.