"Insgesamt wird niemand, meine Damen und Herren, niemand in Deutschland weder in Ostdeutschland noch in Westdeutschland in irgendeinen Absturz stürzen."
Es war eine mutige Prognose von Wolfgang Clement, 2004, also vor zehn Jahren, Wirtschafts- und Arbeitsminister der rot-grünen Koalition. Clement wagte diese Prognose kurz vor dem Inkrafttreten des vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, dem Gesetz, das alle Welt seitdem nur als Hartz-IV-Gesetz kennt, benannt nach Peter Hartz, dem ehemaligen VW-Manager, der mit seinen Ideen für die damaligen Reformen Pate stand.
345 Euro gab es ab Anfang 2015 als Regelsatz für einen bisherigen Empfänger von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe, 331 Euro im Osten - zuzüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung. Inzwischen sind es 391 Euro im Monat, ab 1. Januar 399 Euro. Die niedrigen Regelsätze sollten und sollen Anreiz sein, dass Arbeitslose, vor allem wenn sie lange arbeitslos sind, wieder eine Beschäftigung finden und diese auch annehmen, so der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder:
"Harzt IV selber bringt keine Arbeitsplätze, sondern bringt Menschen eher in Arbeit, weil das Fördern der Menschen, um die es geht besser wird. Arbeitsplätze in einer Marktwirtschaft müssen im Wesentlichen von der Privatwirtschaft bereitgestellt werden - genauso wie die Ausbildungsplätze. Und was wir mit dem Arbeitsmarkt machen ist, die Lohnzusatzkosten zu senken oder senken, zu helfen, damit mehr privaten Investoren zu mehr Arbeitsplätzen führen."
Die Bilanz nach zehn Jahren fällt gemischt aus. 2005 waren im Jahresdurchschnitt 4,9 Millionen Menschen arbeitslos, heute liegt die Zahl bei 2,9 Millionen. Dazu hat die Reform in großem Ausmaß beigetragen, ist Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit überzeugt. Das Prinzip des Förderns und Forderns habe funktioniert.
Kritik an Hartz IV
Vernichtend dagegen die Bilanz etwa von Bernd Riexinger, dem Parteichef der Linken. Hartz IV sei die größte, dramatischste Veränderung der Arbeits- und Lebensverhältnisse in der Nachkriegszeit gewesen, die Langzeitarbeitslosen seien nicht aus der Arbeitslosigkeit herausgeholt, "aber extrem sanktioniert und respektlos und würdelos behandelt" worden, so Riexinger in Anspielung auf die damals eingeführten Zumutbarkeitsregeln. Vor denen hatte vor zehn Jahren auch schon Verdi-Chef Frank Bsirske gewarnt.
"Dazu kommen die neuen Zumutbarkeitsregeln, die es ermöglichen, Arbeitslosengeldempfänger Arbeitsplätze zu zu weisen, für Löhne, die noch 30 Prozent unter dem ortsüblichen Lohn liegen. Das ist genau das Thema von Arbeit, die arm zu machen droht."
Heute fühlt sich Bsirske in seinen Warnungen bestätigt. Die damalige Reformpolitik sei darauf angelegt gewesen, das Lohnniveau in Deutschland zu senken und einen Niedriglohnsektor großen Stils entstehen zu lassen, so der Verdi-Vorsitzende. Tatsächlich ist die Bilanz von zehn Jahren Hartz IV gemischt. Einerseits ging die Zahl der Arbeitslosen zurück, anderseits hat sich die Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt, kritisiert auch der DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy:
"Es ist nicht gelungen, eine ganzheitliche Betreuung der Arbeitslosen sicher zu stellen, weil Kommunen und Agenturen noch nicht ausreichend zusammen arbeiten. Und was wir festgestellt haben, ist, dass sich die Integrationschancen von Langzeitarbeitslosen leider nicht verbessert haben."
Geplante Programme
Tatsächlich gibt es nach wie vor rund 900.000 Langzeitarbeitslose, 400.000 von ihnen gelten aus Sicht der Caritas derzeit als absolut chancenlos auf dem Arbeitsmarkt, 200.000 sind es aus Sicht von Arbeitsministerin Andrea Nahles. Sie hat bereits ein 900-Millionen-Euro-Programm auf den Weg gebracht, das Dauerarbeitslosen mit Lohnkostenzuschüssen von anfangs 75 Prozent und einem begleitenden Coaching wieder zu einem Job verhelfen soll. 33.000 Dauerarbeitslose will Nahles damit fördern.
Hinzukommen soll im kommenden Jahr ein weiteres Programm, bei dem Arbeitgeber sogar den ganzen Lohn erstattet bekommen, wenn einen nicht vermittelbaren Erwerbslosen einstellen. Das soll 10.000 Menschen helfen und es sind zwei Beispiele dafür, dass Hartz IV auf im Jahre elf nach seinem Inkrafttreten eine Dauerbaustelle bleibt.