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Arbeitsmarkt der Zukunft
Binding (SPD) hält nicht viel von Robotersteuer

Der SPD-Finanzpolitiker Lothar Binding hat sich skeptisch über die Idee geäußert, Roboter in Unternehmen zu besteuern. Er sagte im DLF, es bestehe die Gefahr, dass dann weniger investiert werde, weil die Wertschöpfung sinke. In der Folge könnten dauerhaft mehr Arbeitsplätze vernichtet werden.

Lothar Binding im Gespräch mit Stephanie Rohde |
    Der SPD-Abgeordnete Lothar Binding spricht im Bundestag während der Haushaltsdebatte
    Der SPD-Abgeordnete Lothar Binding spricht im Bundestag während der Haushaltsdebatte (dpa / picture alliance / Sebastian Gollnow)
    Betroffene Unternehmen würden sich überlegen, ihre Geschäfte ins Ausland zu verlegen, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete. Die Gefahr, dass die Produktivität sinke, sei womöglich größer als die Hoffnung auf mehr Einnahmen für den Staat.
    Binding hält das jetzige Steuersystem für ausgewogen. Auch ein Unternehmen, das keine Menschen, sondern nur Roboter beschäftigen würde, müsste über die Körperschaftssteuer Abgaben leisten. Wichtig sei es zu verhindern, dass Firmen ihre Gewinne nicht ins Ausland transferierten und somit Steuerzahlungen umgingen. "Wenn Unternehmer fair ihre Steuern in Deutschland bezahlen, hätten wir auch kein Problem."
    Zuletzt hatte Microsoft-Gründer Bill Gates für eine Roboter-Steuer geworben."Wenn Roboter die Arbeit übernehmen, sollte man denken, dass wir den Roboter auf ähnliche Weise besteuern", hatte er in einer Videobotschaft erklärt.

    Das Interview in voller Länge:
    Stephanie Rohde: In den kommenden 20 Jahren könnte jeder zweite Arbeitsplatz durch einen Roboter oder eine Software ersetzt werden, das ist das alarmierende Ergebnis, zu dem Forscher der Universität Oxford in einer aufsehenerregenden Studie kommen. Schon jetzt werden Fabrikwerker oder Sachbearbeiter durch Roboter ersetzt, und es ist absehbar, dass die Digitalisierung den Arbeitsmarkt gravierend verändern wird. Wie kann die Politik auf diese Entwicklung reagieren? Ganz klar, sie muss die Arbeit von Robotern besteuern, das sagt zumindest der Visionär und Microsoft-Gründer und Bill Gates. In dieser Woche hat er es vorgeschlagen. Seine Argumentation: Wenn Arbeitsplätze verloren gehen und der Staat damit auch weniger Lohnsteuer bekommt, müssen Roboter besteuert werden, damit das Defizit ausgeglichen wird. Mit diesem Vorschlag steht der Milliardär nicht alleine da, auch der Präsidentschaftskandidat der französischen Sozialisten, ein erklärter Linker, Bernard Armand, ist dafür. Wie sinnvoll ist eine solche Robotersteuer, um die Folgen der Digitalisierung auf dem Arbeitsmarkt abzufedern? Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Lothar Binding. Er ist Sprecher der Arbeitsgruppe Finanzen der SPD und Mitglied des Finanzausschusses des Bundestags. Guten Morgen, Herr Binding!
    "Es würden weniger Investitionen getätigt"
    Lothar Binding: Guten Morgen, Frau Rohde!
    Rohde: Mit der Robotersteuer könnte man einen Anreiz schaffen für Unternehmen, Menschen einzustellen statt Roboter. Das würde doch super zu Martin Schulz Wahlkampfstrategie passen, sich wieder um hart arbeitende Menschen zu kümmern.
    Binding: Ja, das hört sich zunächst gut an. Ich denke, der Kerngedanke ist ja – also wir haben ja auch andere Namen, Maschinensteuer, Wertschöpfungssteuer –, dass Unternehmen mit vielen Robotern, Computern, Maschinen und wenigen Arbeitnehmern höher belastet werden als Unternehmen mit vielen Arbeitnehmern und wenigen Maschinen. Der Gedanke ist erst mal richtig. Die Frage ist, ob man das gewünschte Ziel mit der Robotersteuer erreicht. Denn die erste Frage ist ja, wo grenzt sich der Roboter von meiner Bohrmaschine ab? Beide erhöhen meine Produktivität. Und wenn ich jetzt den Faktor Kapital, also zum Beispiel Roboter, besonders stark besteuere, dann sinkt auch die Wertschöpfung der Arbeitnehmer. Also das ist eine gewisse Kapital – es ist eine gewisse Gefahr. Es würden auch weniger Investitionen getätigt, und das ist natürlich die Frage, ob das nicht dauerhaft Arbeitsplätze vernichtet durch Senkung der Produktivität. Also es ist nicht ganz so einfach, wie wir uns das in der ersten Überlegung machen.
    "Die Idee ist nicht ganz neu"
    Rohde: Sie haben jetzt gerade gesagt, Kapital würde dann besteuert werden. Man kann entweder Arbeit oder Kapital besteuern, aber wenn man Kapital jetzt besteuert, also das, was Roboter dann erarbeitet haben im Endeffekt, dann hat man vielleicht auch das Problem, das Unternehmen ins Ausland flüchten, also weil sie zum Beispiel nicht so eine hohe Steuer hier zahlen wollen.
    Binding: Das stimmt, dass natürlich sofort Gestaltungen einsetzen, dass ein Unternehmer sich überlegt, dann investiere ich nicht in einen Roboter, sondern in die Verlegung des Unternehmens ins Ausland. Es gibt eine Überlegung, die sagt, statt Roboter sollten wie ihre Besitzer besteuern, also die Wertschöpfung, die sich der Eigner des Roboters aneignet. Daraus würde eine gewisse Gerechtigkeit entstehen, und die würde dann fortgesetzt, indem – und das ist auch der Grundgedanke – die Robotersteuer oder Wertschöpfungsabgabe dann zur Entlastung in die Sozialversicherungen eingesetzt werden. Das wäre sicherlich eine Überlegung wert. Das war übrigens die Idee schon eines Sozialministers Dallinger 1983 in Österreich. Also, die Idee ist nicht ganz neu.
    "Bisher nicht bestätigt, dass Automatisierung tatsächlich Arbeitslosigkeit erzeugt"
    Rohde: Und wieso ist die verworfen worden?
    Binding: Weil die in der praktischen Umsetzung eben extrem kompliziert ist, und die Gefahren, die möglicherweise die Produktivität auf ein Niveau absenkt, höher sind als die Hoffnungen, die sich mit den Einzahlungen in die Sozialversicherungen verbinden. Es ist auch historisch so, dass immer, wenn diese Art von Kapitalbesteuerung vonstatten ging, dass das nicht gut getan hat. Wenn wir mal zu Beginn der Industrialisierung schauen, Frankreich hat die Industrialisierung etwas gebremst. Das hatte zur Folge, dass England Frankreich überholt hat. Oder, ganz praktisch: Vor 30 Jahren hat der "Spiegel" geschrieben "Fortschritt macht arbeitslos – Die Computerrevolution". Und erst vor einem Jahr sagt er: "Sie sind entlassen". Und auf beiden Bildern entsorgt ein Roboter einen Arbeitnehmer. Also, es hat sich bisher nicht bestätigt, dass Automatisierung tatsächlich Arbeitslosigkeit erzeugt. Und wir brauchen ja die Arbeitnehmer auch.
    Stellen Sie sich vor, in der Pflege. Wir werden älter, wir haben sehr viel mehr Sozialleistungen zu erfüllen. Also es ist nicht so, dass uns die Arbeit ausgeht, aber wir brauchen eine neue Form der sozialen Verantwortung, und das würde auch zu Martin Schulz passen, zu sagen, lass uns die Menschen dort arbeiten, wo sie wirklich gebraucht werden. Lasst die einfachen Tätigkeiten Roboter übernehmen. Das wäre eine kluge Sache. Insofern ist der Gedanke sehr alt und ist immer wieder charmant. Aber er birgt doch die Gefahr, dass indirekte Effekte die Leistungsfähigkeit der Menschen senken, und das wäre natürlich insgesamt und langfristig kein Vorteil für unsere Gesellschaft.
    Rohde: Trotzdem. Wenn Martin Schulz jetzt sagen würde, lasst doch die Roboter einige der niedrig qualifizierten Arbeiten übernehmen, dann würde doch die Lohnsteuer im Zweifel wegbrechen für den Staat, und das hieße doch auch, dass man weniger Handlungsspielraum hat, also dass die Politik und gerade auch die SPD, die ja sehr auf Sozialausgaben setzt, da ein Problem hätte und die Wähler.
    Binding: Nein. Also mal angenommen, wir hätten jetzt einen Unternehmen, das keine Arbeitnehmer mehr beschäftigt. Dann stimmt das, wir hätten keine Lohnsteuer. Aber dieses Unternehmen müsste ja gleichwohl Körperschaftssteuer bezahlen. Also auch ein Unternehmen, das keine Arbeiter beschäftigt, würde also Steuern bezahlen. Deshalb kommt es heute viel stärker darauf an, dass wir die Steuern, die wir schon haben, dass die auch erhoben werden, dass die Unternehmen nicht verlagern, ihre Gewinne nicht ins Ausland transferieren. Sondern wenn die Unternehmen heute in Deutschland fair ihre Steuern bezahlten, dann hätten wir an der Stelle auch kein Problem.
    Besitzer statt Roboter besteuern
    Rohde: Was tut die SPD denn jetzt konkret, wo absehbar ist, dass in den kommenden 20 Jahren sich sehr viel auf dem Arbeitsmarkt verändern wird durch die Digitalisierung?
    Binding: Der Schlüsselbegriff ist Bildung und ist natürlich ein Engagement der Arbeitnehmer dort, wo wirklich Arbeit gebraucht wird. Und das habe ich schon angedeutet, das werden auch völlig neue Arbeitsfelder sein im Bereich der Pflege, im Bereich der Gesundheitsvorsorge, im Bereich der Altersvorsorge. Das wird eine völlig neue Dimension erreichen, vielleicht eine, die wir uns noch gar nicht vorstellen können. Deshalb ist es klug, heute schon darauf zu reagieren. Und natürlich haben Sie recht: Die Unternehmer, die mit vollautomatischer Produktion arbeiten, die sollen auch fair besteuert werden. Das ist völlig klar. Insofern ist es klug, die Faktoren Arbeit und Kapital beide fair zu besteuern, und auch der Umkehrschluss übrigens, dass man die Arbeit etwa einseitig belasten darf. Die Unternehmer sagen ja heute, wir müssen die Unternehmenssteuer senken, sonst gehen wir ins Ausland. Nein, ich glaube, wir haben ein ganz gut austariertes System gegenwärtig. Das setzt aber voraus, dass dort auch fair die Steuern bezahlt werden, die definiert sind. Der Arbeitnehmer bekommt ja seine Steuer vom Lohn abgezogen, er sieht sie gar nicht am Monatsende, also er hat auch keine Möglichkeit, die Steuer zu umgehen. Die Unternehmen haben halt doch einige Möglichkeiten, ihren Gewinn ins Ausland zu transferieren, und das bedeutet, dass sie ihre Steuern auf die Gewinne nicht bezahlen. Und der Gedanke von Straubhaar, der hat ja das Buch geschrieben "Radikal gerecht", zu sagen –
    Rohde: Der Ökonom Straubhaar.
    Binding: – statt Roboter ihre Besitzer zu besteuern. Ich glaube, das ist ein sehr fairer Ansatz, denn wir haben ja eine Reihe von Schieflagen hinsichtlich der Vermögensverteilung in Deutschland und auch der Einkommensverteilung. Also da gibt es hinsichtlich der Verteilung der Belastung und der Anteile, die die Gesellschaft benötigt, doch große Schieflagen und Ungerechtigkeiten. Und das ist sicherlich ein Ansatzpunkt, der auf für Sozialdemokraten essenziell ist.
    "Leider ist oft der Teufel im Detail"
    Rohde: Und Straubhaar hat auch vorgeschlagen, nicht die Roboter zu besteuern, sondern die Besitzer zu besteuern, um damit ein Grundeinkommen zu finanzieren für die Deutschen. Er hat da 1.000 Euro im Kopf gehabt. Was halten Sie davon?
    Binding: Das ist ein charmanter Gedanke. Wir müssen nur aufpassen, was das langfristig bedeutet. Die Frage ist dann, ob nicht auch Arbeitnehmer relativ leichtfertig in die Versuchung geraten, zu sagen, dann können wir ja auch hire and fire, also einstellen und rauswerfen, so wie es uns gerade gefällt, mühelos organisieren, denn alle Leute fallen ja weich auf diese tausend Euro. Ob das langfristig die Gesellschaft in einer Weise entwickelt, die uns gefällt, das gilt sicher noch zu überlegen. Aber dass ein Grundeinkommen, von dem man leben kann in Deutschland, gesichert werden muss, ich glaube, das ist gesellschaftlicher Konsens.
    Rohde: Noch kurz zum Abschluss die Frage, also jedem, der jetzt von einer Robotersteuer träumt, dem sollte man ganz in SPD-Manier sagen, wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen?
    Binding: Nein, der sollte nur genauer überlegen, welche langfristigen Folgen es hat, und auch, wie er es konkret machen will. Ich meine, Bill Gates hat den Vorschlag auch gemacht und sagt, ja, die Details klären wir später. Leider ist oft der Teufel im Detail.
    Rohde: Sagt Lothar Binding von der SPD. Vielen Dank für das Gespräch!
    Binding: Ich bedanke mich auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.