Ein Spielplatz an der Münchner Reichenbachbrücke – es ist früher Nachmittag und Katharina Barthelmann ist mit ihrer fünfjährigen Tochter da. Die Personalmanagerin ist gerade in Elternzeit. Auf dem Weg von der Wippe zur Schaukel erzählt sie davon, wie mühsam es sein kann, eine anspruchsvolle Stelle zu finden, die noch Zeit für ihre beiden Töchter lässt:
"Ich fand es schwierig, da wenig wirklich interessante Stellen leider in Teilzeit ausgeschrieben sind. Was sehr schade ist, weil das mindestens genauso gut in Teilzeit auch zu machen ist."
Viele Firmen haben Mühe, offene Stellen zu besetzen
Projekte leiten, mit Kunden verhandeln, Finanzen verantworten – für solche Aufgaben wollen viele Unternehmen Vollzeitkräfte. Eltern, die weniger als 40 Stunden arbeiten, fallen durch das Raster. Unter manchen Vorgesetzten gelten Mütter auch deshalb als weniger leistungsfähig, weil sie gelegentlich mit den kranken Kindern zuhause bleiben müssen. Katharina Barthelmann widerspricht:
"In der Regel schleppt man sich wahrscheinlich als Mutter, die mal wegen einem kranken Kind zu Hause bleibt, noch mit der Erkältung ins Büro, während andere sich schon krank melden würden. Und in meinem Job war es möglich, dass ich auch ganz gut Zeiten nachholen konnte, ich hab viel abends gearbeitet. Ich glaube, dass die Motivation der Mütter häufig so viel höher ist, weil sie immer noch glauben, sie müssen sich extra beweisen."
Was jungen, qualifizierten Müttern – und auch Vätern – entgegen kommt, ist der Fachkräftemangel. Viele Firmen haben Mühe, offene Stellen zu besetzen. Hier kommt Sandra Westermann ins Spiel. Die 39-jährige Münchnerin hat eine auf Mütter spezialisierte Stellenbörse gegründet:
"Eine familienfreundliche Firma ist eine Firma, die ihren Mitarbeitern Flexibilität bietet. Die nicht sagt, Arbeit ist von neun bis sechs, sondern vielleicht: von neun bis zwölf bist du im Büro, und danach kannst du mobil arbeiten. Es muss einfach individuell entschieden werden, welches Arbeitsmodell passt zu dem Mitarbeiter oder zu einem anderen."
Gütesiegel für Familienfreundlichkeit
Vor drei Monaten ging ihr Jobportal "Superheldin" online. Gesucht werden darauf gerade eine Teamleiterin Unternehmenskommunikation, ein Creative Director, oder "Juristen für eine tolle Kanzlei in Hamburg". Viele der Firmen bieten unbefristete Verträge in wahlweise Teil- oder Vollzeit. Als Bonbon kommen bei manchen längere Ferienzeiten und Kinderbetreuung im Haus obendrauf. Wie aber garantiert Westermann, dass das nicht nur leere Versprechen sind?
"Wir werden jetzt ein Gütesiegel einführen. Das bedeutet, die Unternehmen, die sich bei uns registrieren, die müssen ein gewisses Auswahlverfahren durchlaufen, ganz einfach mit Checkboxen und sagen, was macht sie familienfreundlich. Und je mehr Checkboxen sie haben, desto familienfreundlicher sind sie. Und das wird dann auch auf der Seite präsentiert."
Sandra Westermann will mit ihrem Startup zwei Probleme lösen: Das der jobsuchenden Mütter – beziehungsweise aller Menschen, die flexibel arbeiten wollen. Und das von Unternehmen, die oft lange nach geeigneten Mitarbeitern suchen. Gerade ist die Gründerin mit ihren zwei Kollegen dabei, die Social-Media-Strategie von "Superheldin" weiter zu entwickeln:
"Also was ich total wichtig finde beim neuen Konzept, dass wir auch die Mütter mal vorstellen. Ja, total, und die auch begleiten."
Abschied von alten Strukturen und Arbeitsabläufen
Schon jetzt, wenige Wochen nach dem Start, hat das Jobportal pro Monat mehrere zehntausend Zugriffe, außerdem tausende Facebook- und Instagram-Kontakte. Westermann ist vollauf damit beschäftigt, Stellenanzeigen zu akquirieren, ein bezahlbares Büro zu finden und einen strategischen Investor. Was sie deshalb noch nicht weiß: Ob erste Bewerbungen erfolgreich waren. Zumindest aber gibt es positive Rückmeldungen vonseiten der Unternehmen. Jens Bielmann von Coca Cola erklärt, warum seine Firma neben den großen Portalen auch bei "Superheldin" inseriert:
"Für uns ist es extrem wichtig, dass wir die Menschen gezielt ansprechen, weil wir aus der Vergangenheit gelernt haben, dass gerade diese Zielgruppe junge Mütter und Väter gezielt angesprochen werden möchte. Und was für uns ausschlaggebend ist, ist dieses Thema Vielfalt – Diversity. Das bestätigen ja auch ganz viele Studien, dass diverse Teams erfolgreicher sind."
Deshalb bietet das Getränkeunternehmen sogar Ausbildungsstellen in Teilzeit an. All das erfordert von Firmen mehr Beweglichkeit, Abschied von alten Strukturen und Arbeitsabläufen. Katharina Barthelmann übrigens geht demnächst vor dem Spielplatz wieder arbeiten – als Personalerin in einer Beratungsfirma:
"Ich hab jetzt das Glück in einer Firma anzufangen, wo der Gründer und Geschäftsführer selbst die Erfahrung gemacht hat, einige seiner effizientesten Mitarbeiter sind Mütter in Teilzeit. Weil die einfach sehr strukturiert sind. Da bin ich wahnsinnig froh, weil ich nicht das Gefühl hab, ich muss immer diese letzte Meile gehen, um mich zu beweisen, nur weil ich in Teilzeit arbeite."