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Arbeitsmigration in Israel
Diaspora im Heiligen Land

Rund 1000 Menschen besuchen jede Woche die katholische Gemeinde "Our Lady Woman of Valor" im Süden von Tel Aviv. Es sind vor allem Arbeitsmigranten von den Philippinen, aus Sri Lanka, Indien, Eritrea und Äthiopien. Sie sind im Land der Bibel in der Fremde, viele sind aber gut integriert. Die Kinder bekommen Katechismus-Unterricht auf Hebräisch.

Von Lissy Kaufmann |
    Auf der israelische Flagge spiegelt sich der Schatten einer Person
    Seit 20 Jahren kommt eine wachsende Zahl von Arbeitsmigranten nach Israel (picture-alliance/ dpa/ Xavier de Torres/Maxppp)
    Samstagnachmittag, ein voller Gemeindesaal im Süden Tel Avivs. Mehr als 250 Menschen sind zu dem katholischen Gottesdienst auf Tagalog – einer philippinischen Sprache – gekommen.
    Die Straßen gleich hinter dem Busbahnhof sind an diesem Schabbat wie leer gefegt. Das Leben steht still am siebten Tag im jüdischen Kalender. Doch hier vor dem renovierten Gemeindegebäude ist der Andrang groß. Kaum ein Platz ist noch frei in den Reihen aus einfachen, dunkelgrauen Plastikstühlen, weder im Hauptsaal noch auf der Empore. Weil der Samstag in Israel frei ist, während man sonntags arbeitet, hat die Gemeinde ihre Gottesdienste pragmatisch auf den Sonnabend gelegt.
    Jetzt um vier Uhr beginnt der zweite von insgesamt vier Gottesdiensten. Denn das Gemeindezentrum "Our Lady Woman of Valor" ist nicht nur das Gotteshaus der katholischen Philippiner, sondern auch der Menschen aus Sri Lanka, Indien, Eritrea und Äthiopien. Pfarrer Michael Grospe leitet seit mehr als einem Jahr die philippinische Gemeinde.
    "Einen Ort zu haben, ist sehr wichtig, um sich hier wie eine Familie treffen zu können, Kraft zu schöpfen, Lebensziele zu finden, ein Ort zum Beten und zum Zusammensein zu haben, wo Erfahrungen und Probleme ausgetauscht werden. Es ist schwer, hier als Einwanderer zu leben, so weit weg von den Philippinen."
    Die Gemeinde ist groß, mehr als 1.000 Menschen kommen jede Woche zu den Gottesdiensten auf Englisch, Hebräisch und teilweise in den Landessprachen.
    Neben den gut 45.000 Flüchtlingen, vor allem aus Eritrea und dem Sudan, leben in Israel etwa 90.000 Arbeitsmigranten, vor allem aus asiatischen Ländern. Viele der Einwanderer, vor allem von den Philippinen, sind streng katholisch aufgewachsen und wollen ihren Glauben auch in ihrer neuen Heimat Israel leben. Bereits in den 1990er Jahren kümmerte sich eine philippinische Schwester um die Migranten. 2009 dann wurde die Gemeinde im Süden Tel Avivs, dem Wohnort zahlreicherer nicht-jüdischer Einwanderer, gegründet. Die Pfarrer und Schwestern der Gemeinde sind Seelsorger in der Fremde und Helfer bei Alltagsproblemen:
    "Zum Beispiel haben einige Eheprobleme. Viele Philippiner arbeiten als Pflegekräfte, die meisten sind Frauen. Einige sind in der Heimat verlobt oder verheiratet. Wenn sie aber Visa-Probleme haben, gehen sie manchmal Beziehungen zu Israelis ein, damit sie ein Visum bekommen. Das ist auch emotional sehr schwierig. Ein anderes Thema sind die Arbeitsverhältnisse. Manchmal werden sie von den Arbeitgebern gut , manchmal nicht sehr menschlich behandelt. Das sind die Probleme hier."
    An diesem vierten Adventssamstag feiern die Gemeindemitglieder ein kleines Weihnachtsfest im Hinterhof des Zentrums. Sie haben Essen mitgebracht, es riecht nach asiatischen Suppen und Gebäck. Die Kinder verkaufen weihnachtlich bemalte Stofftaschen und selbst gebastelte Weihnachtskarten. Auch sie sind mittlerweile Teil der Gemeinde.
    Häufig fühlen sich die Kinder als Israelis
    Denn die Arbeitsmigranten, die jung und ledig nach Israel gekommen sind, haben hier nach und nach eine Familie gegründet. So bietet die Gemeinde unter der Woche Krippenplätze für Kinder unter drei Jahren an. Für die älteren baut die deutsche Sozialarbeiterin Katrin Straub derzeit Jugendgruppen auf. Der Zivile Friedensdienst hat sie entsandt.
    "Wir haben viele Kinder und mittlerweile auch Jugendlichen, die in Israel geboren sind, von Arbeitsmigranten und mittlerweile auch Flüchtlingen, die in staatliche Einrichtungen gehen und in sportlichen Organisationen eingebunden sind. Und wir versuchen denen zu vermitteln, dass sie auch hier ja, ne Heimat finden, wo sie auch was über die Kultur ihrer Eltern erfahren, den religiösen Hintergrund."
    Um die Balance zwischen der eigenen Kultur und der israelischen geht es auch den Mitarbeitern des Gemeindezentrums. Denn häufig fühlen sich die Kinder als Israelis, erzählt die 48jährige Lerma Naitschera, die 1990 nach Israel kam. Sie traf hier ihren philippinischen Mann und bekam zwei Kinder. Die Älteste leistet nun freiwillig den Armeedienst, der nur für Israelis Pflicht ist.
    "Meine Tochter ist jetzt 19 und dient in der Armee. Mein Sohn geht in die neunte Klasse, und beide sind richtige Israelis. Sie wissen kaum etwas über die Philippinen, nur ein paar Wörter. Von der Kultur und vom Verhalten her sind sie Israelis."
    Da für viele Einwandererkinder Hebräisch die Sprache ist, die sie am besten sprechen – viel besser als ihre Eltern – werden auch die drei Katechismusklassen mit mehr als 150 Schülern auf Hebräisch unterrichtet. An diesem Nachmittag geht Pfarrer David Neuhaus mit den Grundschulkindern die Geschichte Jesu durch. Für die Eltern ist es wichtig, dass ihre Kinder das neue Testament, christliche Werte und Traditionen kennen lernen, sagt Lerma Naitschera.
    "Wir Eltern versuchen möglichst jedes Wochenende in die Kirche zu gehen. Es ist nicht einfach, weil sie ja auch oft Freunde haben, die nicht an Jesus glauben. Einmal war ein Freund meines Sohnes zu Besuch und sah die Heiligenstatuen, die wir zuhause haben. Er fragte, was das denn ist und mein Sohn war danach verwirrt. Ich habe es ihm erklärt und jetzt versteht er es und kommt mit den Unterschieden von christlichem und jüdischem Leben zurecht."
    Und so werden die Kinder an diesem Nachmittag noch ganz traditionell das Krippenspiel aufführen, sich als Engel und die drei Waisen aus dem Morgenland verkleiden. Unterdessen strömen immer mehr Menschen in die Kirche und auf die Feier im Hinterhof. In der katholischen Einwanderergemeinde im Süden Tel Avivs ist an jedem Wochenende viel los.