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Arbeitsministerin Nahles klagt
Druck auf Mindestlohn und Riester-Rente

Seit Anfang 2015 gilt ein Mindestlohn von 8,50 Euro. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) kritisiert massenhafte Regelverstöße, beispielsweise in der Reinigungsbranche. Von der Union geforderten Lockerungen der Regeln erteilte Nahles eine Absage. Streit bahnt sich in einem weiteren Kernthema der Regierungskoalition an.

    Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am Kabinettstisch im Bundeskanzleramt
    Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) beschäftigt am Kabinettstisch im Bundeskanzleramt momentan vor allem zwei Streitfragen. (dpa / Tim Brakemeier)
    Die Arbeitsministerin kritisiert, dass der Mindestlohn in einigen Branchen durch verlängerte Arbeitszeiten umgangen wird. "Putzhilfen bekamen zwar auf dem Papier den Mindestlohn, aber sie mussten dafür dann einige Stunden mehr arbeiten", sagte Nahles dem "Hamburger Abendblatt".
    Die Ministerin verteidigte den von Union und Wirtschaft kritisierten Bürokratie-Aufwand. Vorfälle wie in der Reinigungsbranche belegen laut Nahles die Notwendigkeit, dass die Arbeitsstunden genau dokumentiert werden. "Ohne eine angemessene Erfassung der gearbeiteten Stunden gibt es keinen Mindestlohn", sagte die Ministerin. Eine strenge Dokumentation der Arbeitszeit sei auf die Branchen und Arbeitsverhältnisse beschränkt, die besonders anfällig für Missbrauch seien. "Wenn jetzt manch einer in der Union glaubt, die SPD hätte das mit dem Mindestlohn nicht so ernst gemeint, dann hat er sich getäuscht. Wir werden nicht augenzwinkernd dem Missbrauch die Tür öffnen."
    Fall für den Koalitionsausschuss
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte vor zwei Tagen eine Lockerung der Dokumentationspflicht gefordert. Vertreter der CSU sprachen von einem "Bürokratiewahnsinn"; sie wollen den Streit im Koalitionsausschuss klären. Die Unternehmen müssen die Arbeitszeiten von allen Beschäftigten mit Monatseinkommen bis zu 2958 Euro dokumentieren.
    Die SPD-Linke unterstellt dem Koalitionspartner Union, den Mindestlohn wieder abschaffen zu wollen. "Ich kann den Katzenjammer bei der Union nicht mehr hören", sagte der Sprecher des linken Flügels der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Sieling, der Nachrichtenagentur dpa. "Erst wurden die Ausnahmen gefordert, und jetzt klagen dieselben über daraus entstandene Bürokratie." Das sei ein Ablenkungsmanöver von CDU und CSU: "In Wahrheit geht es darum, auf dem Rücken der Beschäftigten den Mindestlohn wieder ganz einzustampfen. Das wird die SPD verhindern."
    "Handlungsbedarf" bei Riester-Rente
    Faire Entlohnung sei das beste Rezept gegen Altersarmut, sagte Nahles dem "Abendblatt". Es sei ein Problem, "dass vor allem die potenziell von Altersarmut Betroffenen keinen Riester-Vertrag abschließen". Die unter der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder (SPD) eingeführte private Zusatzvorsorge funktioniere lediglich "gut für Familien mit Kindern". Die Ministerin sieht in der Sache "durchaus Handlungsbedarf".
    Nahles warf den Versicherungskonzernen außerdem vor, die gesetzliche Rente systematisch schlechtgeredet zu haben. "Jahrelang hieß es vor allem von Seiten der privaten Rentenversicherer, dass das deutsche Rentensystem in der Krise steckt", sagte die Ministerin. "Das System wurde kränker geredet, als es war." Die Rentenreserven seien noch nie so hoch gewesen wie heute, gleichzeitig sei der Beitragssatz so niedrig wie seit Anfang der 1990er-Jahre nicht mehr.
    Betriebs- statt Riester-Rente
    Statt Riester- sollten künftig verstärkt Betriebsrenten gefördert werden, kündigte Nahles an. Damit ging sie auf Distanz zu ihrer Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU). Sie hatte sich noch erfolglos dafür eingesetzt, eine Mindestrente einzuführen - gekoppelt an eine verpflichtende private Vorsorge im Form von Riester-Renten.
    Gleichzeitig kündigte Nahles an, dass die Bundesregierung den Übergang vom Berufsleben in die Rente viel flexibler als heute gestalten wolle. Die dafür eingesetzte Koalitionsarbeitsgruppe solle bald zu Ergebnissen kommen. "Wir brauchen mehr Flexibilität beim Renteneintrittsalter", betonte die SPD-Politikerin. Das Hinzuverdienen in den Übergangsjahren solle künftig leichter und stufenlos möglich sein.
    (sdö/nin)