Benjamin Hammer: Die Regierung von Bangladesch hat einen Trauertag ausgerufen, in der Hauptstadt kommt es zu Protesten von wütenden Arbeitern - erneut hat es am Wochenende ein schweres Feuer in einer Textilfabrik in Bangladesch gegeben, mehr als 100 Arbeiter konnten sich nicht mehr in Sicherheit bringen und kamen ums Leben. In der Fabrik wurden unter anderem Klamotten für den deutschen Modekonzern C&A gefertigt, und damit bekommt die Tragödie im fernen Asien auch eine sehr direkte, eine deutsche Perspektive, und heute Vormittag erreichen uns Meldungen über einen weiteren Brand in einem Hochhaus in Bangladesch mit verschiedenen Textilfabriken.
Über den möglichen Warenpreis von günstigen Klamotten möchte ich nun sprechen mit Sandra Dusch Silva, sie ist Expertin für Arbeitsrecht bei der Christlichen Initiative Romero. Guten Tag, Frau Dusch Silva.
Sandra Dusch Silva: Guten Morgen!
Hammer: Warum kommt es in Textilfabriken in Asien so häufig zu dermaßen verheerenden Bränden?
Dusch Silva: In Asien ist das Problem, dass häufig die Sicherheitsvorkehrungen nicht ausreichend sind, dass schnell und vor allem billig produziert wird. Wir haben verschiedene Fabriken in Bangladesch untersucht und haben dort immer wieder Sicherheitsmängel festgestellt. In vielen Fabriken fehlen einfach Notausgänge, Brandmeldesysteme existieren nicht, Notbeleuchtung, Feueralarm, alles funktioniert nicht ausreichend und deswegen kommt es immer wieder zu Bränden. In den von uns untersuchten Fabriken waren Brandfälle häufig schon existent, und wenn die Notausgänge nicht frei sind, oder nicht existent sind, dann kommt es natürlich auch immer zu sehr vielen Todesfällen.
Hammer: Wenn man deutsche Modekonzerne darauf anspricht, dann sagen die - es geht ja darum, dass Zulieferer dort in Bangladesch produzieren -, wir versuchen, dort strenge Richtlinien durchzusetzen, wir versuchen, mit denen zu reden. Was funktioniert da in der Kommunikation nicht?
Dusch Silva: In der Kommunikation funktioniert nicht, dass viele Unternehmen hier in Deutschland einfach zu geringe Standards haben, zu geringe Standards in den Zulieferfabriken einfordern und dies nicht hinreichend kontrolliert wird. Zum Beispiel Kik ist nun erneut wieder im Fokus, weil es bei Kik einfach an grundlegenden Standards fehlt und die in Bangladesch nicht eingehalten werden. Es geht darum, schnell und billig zu produzieren, und da wird zu häufig einfach über Sicherheitsmängel hinweggesehen.
Hammer: Es gibt aber auch deutsche Modekonzerne, die das besser machen wollen, die Initiativen für mehr Brandschutz gestartet haben. Was sind denn da die Möglichkeiten?
Dusch Silva: Es ist ganz zentral, dass es Brandschutzabkommen gibt, dass sich die Unternehmen dafür einsetzen, dass es letztlich solche Situationen, solche Zustände nicht weiter gibt, und dazu fordern wir auch die Unternehmen auf, dass sie sich solchen Initiativen anschließen und letztlich dafür sorgen, dass in der Zukunft nicht mehr Brände zum traurigen Alltag gehören.
Hammer: Was kann denn konkret getan werden, um mehr Brandschutz zu gewährleisten?
Dusch Silva: Die Unternehmen müssen dafür sorgen, es müssen in den Fabriken mehr Kontrollen da sein. Es muss mehr dafür gesorgt werden, dass in den Fabriken entsprechende Sicherheitsvorkehrungen existent sind, und da müssen die Unternehmen einfach vor Ort sein und auch vor Ort handeln.
Hammer: Jetzt kostet ein T-Shirt bei Modediscountern in Deutschland oft nicht mehr als drei Euro, und dann steht häufig "Made in Bangladesch" im Etikett. Die Sache ist ja, die Leute kaufen so was. Sind nicht wir Konsumenten in großem Maße an der Lage in Asien beteiligt, weil wir die Preise drücken?
Dusch Silva: Es geht da um zwei unterschiedliche Dinge, die man berücksichtigen muss. Es geht zum einen natürlich um das Angebot; die billigen Textilien. Selbst wenn man da höhere Standards einhalten würde, müsste das Kleidungsstück nicht unbedingt teurer werden. Aber es ist schon auch die Verantwortung des Konsumenten, der Konsumentin, bei T-Shirts, die drei Euro kosten, noch mal genauer hinzuschauen: Wo kommt das her und unter welchen Bedingungen wurde es gefertigt. Und da liegt natürlich auch die Verantwortung beim Konsumenten, bei der Konsumentin, hier noch mal nachzufragen, nachzuhaken, und dann eben auch im Falle von Kik beispielsweise zu sagen, drei Euro, das kann nicht sein, dass das unter menschenwürdigen Bedingungen letztlich hergestellt wurde.
Hammer: Interessiert das den Durchschnittskunden denn überhaupt, wenn wir mal ehrlich sind?
Dusch Silva: Ich glaube, es gibt zwei Gruppen von Konsumenten und Konsumentinnen. Es gibt natürlich Menschen, die es interessiert, die sich aus ökonomischen Gründen nichts anderes leisten können. Es gibt aber auch die Leute, die sehr viel Geld haben, sich andere Dinge leisten können und die dann nur das Sparen in den Augen haben und Textilien nicht kaufen, weil sie sie brauchen, sondern Textilien kaufen, weil es gerade billig ist oder im Angebot ist und dann auf Vorrat kaufen. Diese Konsummentalität muss sich ändern. Das ist aus sozialen und ökologischen Gesichtspunkten nicht tragfähig.
Hammer: Wenn ich als Konsument Kleidung kaufen will, die unter guten Bedingungen produziert wurde, wo suche ich und welche Möglichkeiten habe ich?
Dusch Silva: Man sollte sich informieren, wo wurde das Textil hergestellt, beispielsweise Mitgliedschaft in der Fair Wear Foundation. Das ist schon mal zumindest ein Bestreben, bessere soziale Bedingungen einzuhalten. Das ist ein ganz gutes Indiz. Wenn es ein Unternehmen ist, was letztlich keine sozialen oder ökologischen Kriterien nach außen präsentiert, dann muss man sich wirklich die Frage stellen, ob das überhaupt eingehalten wird, beziehungsweise was dann letztlich von dem Unternehmen angestrebt wird, das kann man nicht genau sehen. Unter www.gruenemode.org sind zumindest einige Unternehmen aufgelistet, wo schon bessere Standards anstreben, beziehungsweise dazu auch noch differenziertere Informationen.
Hammer: Über die Produktionsbedingungen in asiatischen Textilfabriken waren das Einschätzungen von der Arbeitsrechtsexpertin Sandra Dusch Silva. Vielen Dank!
Dusch Silva: Gerne! - Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Über den möglichen Warenpreis von günstigen Klamotten möchte ich nun sprechen mit Sandra Dusch Silva, sie ist Expertin für Arbeitsrecht bei der Christlichen Initiative Romero. Guten Tag, Frau Dusch Silva.
Sandra Dusch Silva: Guten Morgen!
Hammer: Warum kommt es in Textilfabriken in Asien so häufig zu dermaßen verheerenden Bränden?
Dusch Silva: In Asien ist das Problem, dass häufig die Sicherheitsvorkehrungen nicht ausreichend sind, dass schnell und vor allem billig produziert wird. Wir haben verschiedene Fabriken in Bangladesch untersucht und haben dort immer wieder Sicherheitsmängel festgestellt. In vielen Fabriken fehlen einfach Notausgänge, Brandmeldesysteme existieren nicht, Notbeleuchtung, Feueralarm, alles funktioniert nicht ausreichend und deswegen kommt es immer wieder zu Bränden. In den von uns untersuchten Fabriken waren Brandfälle häufig schon existent, und wenn die Notausgänge nicht frei sind, oder nicht existent sind, dann kommt es natürlich auch immer zu sehr vielen Todesfällen.
Hammer: Wenn man deutsche Modekonzerne darauf anspricht, dann sagen die - es geht ja darum, dass Zulieferer dort in Bangladesch produzieren -, wir versuchen, dort strenge Richtlinien durchzusetzen, wir versuchen, mit denen zu reden. Was funktioniert da in der Kommunikation nicht?
Dusch Silva: In der Kommunikation funktioniert nicht, dass viele Unternehmen hier in Deutschland einfach zu geringe Standards haben, zu geringe Standards in den Zulieferfabriken einfordern und dies nicht hinreichend kontrolliert wird. Zum Beispiel Kik ist nun erneut wieder im Fokus, weil es bei Kik einfach an grundlegenden Standards fehlt und die in Bangladesch nicht eingehalten werden. Es geht darum, schnell und billig zu produzieren, und da wird zu häufig einfach über Sicherheitsmängel hinweggesehen.
Hammer: Es gibt aber auch deutsche Modekonzerne, die das besser machen wollen, die Initiativen für mehr Brandschutz gestartet haben. Was sind denn da die Möglichkeiten?
Dusch Silva: Es ist ganz zentral, dass es Brandschutzabkommen gibt, dass sich die Unternehmen dafür einsetzen, dass es letztlich solche Situationen, solche Zustände nicht weiter gibt, und dazu fordern wir auch die Unternehmen auf, dass sie sich solchen Initiativen anschließen und letztlich dafür sorgen, dass in der Zukunft nicht mehr Brände zum traurigen Alltag gehören.
Hammer: Was kann denn konkret getan werden, um mehr Brandschutz zu gewährleisten?
Dusch Silva: Die Unternehmen müssen dafür sorgen, es müssen in den Fabriken mehr Kontrollen da sein. Es muss mehr dafür gesorgt werden, dass in den Fabriken entsprechende Sicherheitsvorkehrungen existent sind, und da müssen die Unternehmen einfach vor Ort sein und auch vor Ort handeln.
Hammer: Jetzt kostet ein T-Shirt bei Modediscountern in Deutschland oft nicht mehr als drei Euro, und dann steht häufig "Made in Bangladesch" im Etikett. Die Sache ist ja, die Leute kaufen so was. Sind nicht wir Konsumenten in großem Maße an der Lage in Asien beteiligt, weil wir die Preise drücken?
Dusch Silva: Es geht da um zwei unterschiedliche Dinge, die man berücksichtigen muss. Es geht zum einen natürlich um das Angebot; die billigen Textilien. Selbst wenn man da höhere Standards einhalten würde, müsste das Kleidungsstück nicht unbedingt teurer werden. Aber es ist schon auch die Verantwortung des Konsumenten, der Konsumentin, bei T-Shirts, die drei Euro kosten, noch mal genauer hinzuschauen: Wo kommt das her und unter welchen Bedingungen wurde es gefertigt. Und da liegt natürlich auch die Verantwortung beim Konsumenten, bei der Konsumentin, hier noch mal nachzufragen, nachzuhaken, und dann eben auch im Falle von Kik beispielsweise zu sagen, drei Euro, das kann nicht sein, dass das unter menschenwürdigen Bedingungen letztlich hergestellt wurde.
Hammer: Interessiert das den Durchschnittskunden denn überhaupt, wenn wir mal ehrlich sind?
Dusch Silva: Ich glaube, es gibt zwei Gruppen von Konsumenten und Konsumentinnen. Es gibt natürlich Menschen, die es interessiert, die sich aus ökonomischen Gründen nichts anderes leisten können. Es gibt aber auch die Leute, die sehr viel Geld haben, sich andere Dinge leisten können und die dann nur das Sparen in den Augen haben und Textilien nicht kaufen, weil sie sie brauchen, sondern Textilien kaufen, weil es gerade billig ist oder im Angebot ist und dann auf Vorrat kaufen. Diese Konsummentalität muss sich ändern. Das ist aus sozialen und ökologischen Gesichtspunkten nicht tragfähig.
Hammer: Wenn ich als Konsument Kleidung kaufen will, die unter guten Bedingungen produziert wurde, wo suche ich und welche Möglichkeiten habe ich?
Dusch Silva: Man sollte sich informieren, wo wurde das Textil hergestellt, beispielsweise Mitgliedschaft in der Fair Wear Foundation. Das ist schon mal zumindest ein Bestreben, bessere soziale Bedingungen einzuhalten. Das ist ein ganz gutes Indiz. Wenn es ein Unternehmen ist, was letztlich keine sozialen oder ökologischen Kriterien nach außen präsentiert, dann muss man sich wirklich die Frage stellen, ob das überhaupt eingehalten wird, beziehungsweise was dann letztlich von dem Unternehmen angestrebt wird, das kann man nicht genau sehen. Unter www.gruenemode.org sind zumindest einige Unternehmen aufgelistet, wo schon bessere Standards anstreben, beziehungsweise dazu auch noch differenziertere Informationen.
Hammer: Über die Produktionsbedingungen in asiatischen Textilfabriken waren das Einschätzungen von der Arbeitsrechtsexpertin Sandra Dusch Silva. Vielen Dank!
Dusch Silva: Gerne! - Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.