Es gibt acht Raffinerien in Frankreich, inzwischen werden sie alle bestreikt; viele Zufahrtswege wurden mit Reifen und Holzpaletten blockiert. Hinter diesen Aktionen steht allein die radikal linke Gewerkschaft CGT, ihr Konkurrent, die nur wenig kleinere CFDT ist mit den Ergebnissen der bisherigen Verhandlungen zum neuen Arbeitsrecht zufrieden und beteiligt sich nicht mehr an den Protesten. Die CGT wehrt sich gegen die Vorwürfe der Regierung, die Blockaden der Raffinerien und Treibstoffdepots seien "verantwortungslos". Arbeiter und Angestellte, mit den Bedingungen des geplanten neuen Arbeitsrechts unzufrieden, würden lediglich von ihrem Streikrecht Gebrauch machen, teilte die CGT mit.
Ihr Generalsekretär Philippe Martinez im Fernsehsender BFM: "Die Regierung und insbesondere der Premierminister - sie spielen ein gefährliches Spiel, wenn sie versuchen, die Bevölkerung gegen die CGT aufzubringen. Man muss daran erinnern: es gibt diese Streiks durch Mehrheitsbeschluss der Arbeiter und Angestellten in den Raffinerien, das ist ein unumstößlicher Beschluss. 2010 ging Präsident Nicolas Sarkozy in einer ähnlichen Situation gegen die Streikenden vor und wurde verurteilt – wegen Missachtung des Streikrechts! Ich kann die Regierung also nur warnen, sich nicht am Streikrecht zu vergreifen! Es basiert auf einer Entscheidung der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen."
Gewerkschaftsseite beklagt "beispiellos gewalttätiges" Polizei-Vorgehen
Die Regierung sieht das völlig anders. Die gewaltsame Blockade sämtlicher Öl-Raffinerien des Landes habe doch mit dem Streikrecht nichts zu tun, teilte Premierminister Valls mit, zur Zeit ist er auf Staatsbesuch in Israel: "Es ist inakzeptabel, mit anzusehen, dass Franzosen in einigen Departments an einer Tankstelle eine dreiviertel Stunde lang Schlange stehen müssen! Es ist inakzeptabel, die Franzosen und unsere gesamte Wirtschaft als Geiseln zu nehmen. Die Regierung wird alles daran setzen, die Blockaden aufzuheben, und ich begrüße ausdrücklich die Ruhe und Beherrschtheit der Ordnungskräfte, die trotz der Gewalt gegen sie und obwohl einige verletzt wurden, ihre Arbeit mit großer Professionalität und Entschlossenheit ausgeführt haben."
Damit bezog sich Manuel Valls auf die heutige Räumung der Barrikaden vor der Raffinerie im südfranzösischen Fos-sur-Mer und vor einem Treibstofflager am Hafen von Marseille. Von "erheblichem Widerstand" sprachen die Ordnungskräfte: Reifen und Holzhaufen seien angezündet, Beamte gezielt mit Wurfgeschossen attackiert worden. Die Gewerkschaftsseite beklagte ein "beispiellos gewalttätiges" Vorgehen der Polizei, die rückhaltlos Wasserwerfer und Tränengas eingesetzt habe. Verhärtete Fronten überall: die CGT besteht auf ihrer Forderung, die Regierung müsse ihre Arbeitsmarktreform vollständig zurückziehen und einen neuen Text verhandeln. Genau das werde er nicht tun, bekräftigte dagegen Regierungschef Valls.
Hamsterkäufe und Benzin-Knappheit vor der EM
Unterdessen wird mancherorts das Benzin knapp, rund 20 Prozent der Tankstellen sind betroffen. Hamsterkäufe verschlimmern die Lage: nach Regierungsangaben wurde gestern die dreifache Menge des sonst Üblichen getankt. Kompromisslösungen sind nicht in Sicht. Stattdessen spricht die CGT vom möglichen Generalstreik, rief für Donnerstag zu landesweiten Demonstrationen auf, ab dem 2. Juni sollen die Pariser Verkehrsbetriebe bestreikt werden - unbefristet.
Eine Woche später beginnt dann die Fußball-Europameisterschaft.