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Arbeitsteilung bei Insekten
Warum Ameisen sozial sind

Evolutionsgenetiker haben festgestellt, dass Zusammenarbeit Ameisen erfolgreicher macht. In Gruppen ab sechs Ameisen entwickeln die Tiere eine Arbeitsteilung und sind dadurch produktiver. Forscher in New York haben jetzt untersucht, warum die Insekten in sozialen Gruppen leben. Ein Grund: die Hormone.

Von Joachim Budde |
    Nur mit ihren Händen hebt die Diplom-Biologin Christina Grätz in einem Wald nahe Birkenwerder ein Ameisenvolk hoch.
    In größeren Gruppen ist die Sterblichkeit bei Ameisen geringer (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Wer Waldameisen kennt mit ihren großen Ameisenhaufen, der Königin und den vielen Arbeiterinnen, muss bei der asiatische Ameisenart Ooceraea biroi umdenken. Denn bei der sogenannten Clonal Raider Ant ist einiges anders, sagt Professor Daniel Kronauer von der Rockefeller University in New York City.
    "Das Besondere an der Clonal Raider Ant ist, dass sie keine Königin haben, also die Kolonien bestehen nur aus Arbeiterinnen. Alle Ameisen in der Kolonie können Eier legen und können sich auch um die Larven kümmern, können fourragieren, also können nach Futter suchen und so weiter. Und die pflanzen sich eben asexuell fort, parthenogenetisch, das heißt, die klonen sich im Prinzip. Das heißt, jede Ameise kann Eier legen, und die Eier sind genetisch identisch mit der Ameise, die die Eier gelegt hat", sagt Kronauer.
    Diese Tatsache macht die Clonal Raider Ant so interessant für die Forschung. Denn Daniel Kronauer untersucht, warum Insekten Sozialität entwickelt haben, also warum irgendwann in der Kreidezeit die Vorfahren der heutigen Wespen, Bienen und Ameisen begonnen haben, gemeinsam ihre Nachkommen großzuziehen und warum die Arbeiterinnen steril wurden, während die Königinnen nur noch Eier legen.
    "Dadurch dass diese Art keine Königin hat, sondern nur Arbeiterinnen, und die Arbeiterinnen können aber sämtliche Rollen übernehmen in der Kolonie, dadurch ist man da sehr flexibel und hat experimentell sehr, sehr gute Kontrolle", sagt der Wissenschaftler.
    Computeranalyse der Mini-Ameisenvölker
    Daniel Kronauer machte seine Versuche mit ganz unterschiedlichen Gruppen: mit einzelnen Tiere, mit Pärchen, mit Gruppen von vier, sechs, acht, zwölf und 16 Ameisen. Er filmte die Mini-Völker, wertete ihr Verhalten per Computer aus und analysierte, wie gut die Gruppen funktionieren.
    Kronauer: "Das Erste, was wir sehen, wenn wir die Gruppen vergrößern, ist, dass sich Arbeitsteilung entwickelt. Es gibt Ameisen, die eben sehr konsistent mehr Zeit außerhalb des Nests verbringen, die fourragieren, nach Nahrung suchen, und bestimmte Ameisen verbringen dann konsistent sehr viel mehr Zeit im Nest und kümmern sich dort um die Larven zum Beispiel. Das ist eine wichtige Beobachtung."
    Obwohl die Ameisen also genetisch völlig identisch sind, übernehmen einzelne Arbeiterinnen schon bei Gruppen ab sechs Mitgliedern unterschiedliche Aufgaben. Die zweite Beobachtung: In der Gruppe sind die Ameisen produktiver.
    "Größere Gruppen produzieren sehr viel mehr Nachwuchs, und viel weniger Ameisen sterben in den größeren Gruppen, und was sehr überraschend war – für uns zumindest –, ist, dass die Entwicklungszeit von den Larven sehr viel kürzer wird", sagt Kronauer.
    Größere Ameisengruppen sind fitter
    Dass sich ein positiver Effekt der Arbeitsteilung schon bei kleinen Gruppen zeigt, bestätigt die Evolutionstheorie. Zögen Ameisenvölker erst ab mehreren zig oder hundert Tieren einen Vorteil aus der Zusammenarbeit, wäre Eusozialität niemals entstanden. Die New Yorker Forscherinnen und Forscher überprüften ihre Erkenntnisse anhand mathematischer Modelle. Das Ergebnis: Größere Gruppen sind stabiler. Weniger Aufgaben werden vernachlässigt, die Fitness wächst.
    "Wenn man zusätzlich noch Spezialisierung zwischen Individuen hat, dann vergrößert oder verstärkt sich dieser Effekt der Gruppengröße auf die Stabilität der Gruppen", sagt Kronauer.
    Die Arbeitsteilung in der Ameisenkolonie vergrößert den Überlebensvorteil größerer Gruppen also noch zusätzlich. Das erklärt, warum sich kameradschaftliche Sozialität evolutionär behaupten konnte. Daniel Kronauer, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollten aber auch wissen, wie Eusozialität ursprünglich entstanden sein könnte. Dazu haben sie sich bei sieben verschiedenen Ameisenarten angeschaut, wie sich die Genaktivität in den Gehirnen von Königinnen und Arbeiterinnen unterscheiden: "Ein bestimmtes Gen ist da in den Vordergrund getreten, und das ist die Ameisenversion von dem, was bei uns Insulin ist."
    Denn dieses Gen führe zur Produktion eines Hormons, das bei den kommunardenartigen Clonal Raider Ants den Lebensrhythmus bestimme, erklärt der Evolutionsgenetiker.
    Daniel Kronauer: "Die Arbeiterinnen legen synchronisiert Eier, also alle zur selben Zeit. Und sobald dann die Larven aus den Eiern schlüpfen, unterdrücken die Larven die Reproduktion von den Erwachsenen und induzieren dieses Brutpflegeverhalten."
    Höherer Insulinspiegel bei Königinnen
    Dass tatsächlich eine insulinähnliche Substanz dahintersteckt, konnten die Forscher zeigen, als sie den Arbeiterinnen mitten in der Brutpflege Insulin spritzten. Die Insekten begannen daraufhin, wieder Eier zu legen. Hormonell gesteuerte Gruppen-Zyklen wie bei der Clonal Raider Ants kennen Biologen von Wespenarten, deren Individuen nicht zusammenarbeiten, sogenannten subsozialen Arten. Da die Wissenschaftler annehmen, dass Ameisen - genau wie Bienen - aus Wespen entstanden sind, passt auch dieser Baustein in ihre Theorie.
    Zudem konnten sie bei anderen Arten zeigen, dass Königinnen einen sehr viel höheren Insulinspiegel haben als Arbeiterinnen. Als die Sozialität entstand, dürften also Unterschiede im Hormonspiegel einzelner Tiere in einer Gruppe erstmals zu Arbeitsteilung geführt haben.