Heute ist ein besonderer Tag für Sean van Rooij. Der 28-Jährige sitzt zusammen mit Joseph Rottmann an einem Holztisch. Ein junger Mann neben seinem neuen Chef. Vor den beiden liegt ein Arbeitsvertrag:
"Herr van Rooij, den Arbeitsvertrag wollen wir heute hier unterzeichnen, und ich würde vorschlagen, wir gehen die einzelnen Punkte, was hier drin steht, noch mal kurz durch. Vertragsgegenstand: Es geht los ab dem 1.4.2014 auf unbefristete Zeit."
Ein unbefristeter Arbeitsvertrag. Sean van Rooij wird Hausmeister bei der Varusschlacht, dem Museumspark Kalkriese im Osnabrücker Land. 32 Stunden pro Woche, für die er nach Tarif bezahlt wird.
"Ja, also ich kann das jetzt so unterschreiben, wenn Sie das auch wollen, dann machen wir das. Jeder bekommt dann ein Exemplar. Hier haben wir noch einen zweiten Stift."
Und beide unterschreiben den Arbeitsvertrag.
"Schönes Gefühl, dass man es endlich hingekriegt hat, dass ich endlich einen Arbeitsvertrag habe."
Denn der Weg hierher war nicht leicht für Sean van Rooij. Vor zehn Jahren hat er seinen Schulabschluss gemacht - an einer Förderschule. Danach war er lange in einer Werkstatt für behinderte Menschen tätig. Offiziell galt er damit als erwerbsunfähig. Dass er jetzt doch einen Arbeitsvertrag in der Tasche hat, liegt auch an ISA – der Initiative sinnvolle Arbeit.
"Wir unterstützen junge Menschen, die für sich entschieden haben, sie möchten einen normalen Arbeitsplatz einnehmen, ein möglichst selbst bestimmtes Leben führen. Da gehen wir auf Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarktes zu und schauen, dass wir Ressourcen-orientiert jemanden am Arbeitsplatz einarbeiten können, dass da langsam ein festes Arbeitsverhältnis draus erwachsen kann."
Die Türen stehen nicht sperrangelweit offen
Sagt Jürgen Linnemann, der Geschäftsführer der gemeinnützigen Initiative. Linnemann hat den Kontakt zwischen Sean van Rooij und seinem neuen Chef Joseph Rottmann vermittelt. Sean hatte zunächst ein Praktikum gemacht und dabei den Museumsbetrieb kennengelernt und gezeigt, was er kann. Dabei hatte ihn Linnemann über mehrere Monate als Jobcoach begleitet. Er blieb die ganze Zeit am Ball, hat Fördermöglichkeiten aufgezeigt und Geschäftsführer Joseph Rottmann am Ende überzeugt:
"Er muss schon immer dran bleiben, wenn er hier Vermittlungserfolge haben will. Weil natürlich die Türen nicht gleich sperrangelweit offen sind. Wir sind ein Unternehmen, das im Wettbewerb steht. Die Mitarbeiter arbeiten hier sehr eigenverantwortlich. Deswegen war die Prüfungsphase auch notwendig, um heute zu diesem positiven Abschluss zu kommen und mit Sean van Rooij einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben."
Diesen Arbeitsplatz fördert der Staat finanziell - unter anderem über das Programm Job4000 des Bundesarbeitsministeriums. Sean ist einer von knapp 1000 Schwerbehinderten, die in den vergangenen Jahren mit dieser Hilfe einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz gefunden haben. Und für die Varusschlacht GmbH bedeutet es, dass sie für den Arbeitsplatz unter anderem einen Lohnkostenzuschuss von insgesamt 28.000 Euro bekommt - verteilt über drei Jahre."
"Die Zuschüsse sind ein Punkt, auf den ich geachtet habe, aber sie sind am Ende nicht entscheidungserheblich. Weil es einmal befristete Lohnkostenzuschüsse sind, wir hier aber einen unbefristeten Vertrag abschließen. Ich muss die Produktivität also auf Dauer sehen. Die Zuschüsse sind irgendwann weg und der Mitarbeiter ist weiter da. Mich freut, dass Sean vorgestern seinen Motorsägenführerschein erfolgreich abgelegt hat. Das sind so Punkte, die ins Gewicht fallen, dass er die Arbeiten, die hier anfallen, auch erfüllen kann. Das ist das, was tragfähig ist und was dann auch bleibt.
Jobcoaching als Motivationshilfe
Auch bei diesem Motorsägenführerschein hat Jürgen Linnemann Sean geholfen. Unterstützte Beschäftigung heißt dieses Konzept. Unabhängig von Art und Grad der Einschränkung unterstützt er Menschen dabei, einen Platz in der Arbeitswelt zu finden:
"Dieses Element des Jobcoachings, also wirklich zu begleiten und im betrieblichen Umfeld zu unterstützen, das bringt uns zu so vielen neuen Erkenntnissen, die wir irgendwo in einem neutralen Raum gar nicht gewinnen würden. Denn da sind wir nicht mit den realen Bedingungen konfrontiert. Und die sind nun mal in jedem Betrieb völlig unterschiedlich. Und da reicht es nicht, theoretisch drauf vorzubereiten, das müssen wir erleben und das müssen auch unsere Teilnehmer erleben und dann zu Sicherheit finden."
Erst platzieren, dann trainieren - das ist ein wichtiger Kern der unterstützten Beschäftigung. Linnemann hat Sean in den Betrieb begleitet und die Aufgaben an diesem Arbeitsplatz mit ihm trainiert. Im Aufenthaltsraum von Sean und seinen Kollegen ist mit Magneten ein DIN A4 großer, laminierter Plan an die Wand geheftet. Für jeden Tag steht dort, was erledigt werden muss.
"Den habe ich mit Jürgen zusammen gemacht, dass ich mich an die Sachen, dass ich die auch immer tue. Weil sonst vergesse ich manchmal was."
Fähigkeit der Menschen in den Mittelpunkt rücken
Denn sich diszipliniert an alles zu erinnern, fällt ihm schwer. Doch mithilfe des Plans gelingt das Sean van Rooij viel besser. Das Konzept der unterstützten Beschäftigung kommt ursprünglich aus den USA - es wurde dann von der Hamburger Arbeitsassistenz übernommen, die das seit den 90er Jahren praktiziert. Das ist auch Linnemanns Vorbild. 2009 fand die unterstützte Beschäftigung schließlich Eingang ins Sozialgesetzbuch. Und inzwischen bieten deutschlandweit immer mehr Integrationsfachdienste, Organisationen und Werkstätten diese Hilfe an. Statt auf Mängel und Fehler zu schauen, werden die Fähigkeiten der Menschen in den Mittelpunkt gerückt. Das ist es, was Eva-Maria Witte so gut gefällt. Auch die 21-Jährige hat sich für die Hilfe durch die ISA entschieden.
"Ich finde es gut, dass man hier immer ernst genommen wird mit seinen Wünschen und Fähigkeiten. Auch dass man die Fähigkeiten vor Augen geführt bekommt. Ich habe früher schon gedacht, dass ich weniger Sachen kann, und dann habe ich gemerkt, ich kann doch mehr, als ich mir selber zugetraut habe."
Eva-Maria hat den erweiterten Realschulabschluss. Doch die junge Autistin mit Asperger Syndrom hat Schwierigkeiten, sich zu orientieren und Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis. Deshalb gilt sie, wie Sean van Rooij auch, als erwerbsunfähig. Doch statt in die Werkstatt für behinderte Menschen zu gehen, nutzt sie ihr persönliches Budget. Damit bezahlt sie das Team von Jürgen Linnemann bei der ISA und lässt sich helfen, einen Arbeitsplatz zu finden. Noch ist Eva-Maria Witte in der beruflichen Orientierungsphase. Die dauert drei Jahre.
Selbstständigkeit erlernen ist das Ziel
Eine Zeit, in der sie ihre Fähigkeiten trainieren und herausfinden kann, wie ihr künftiger Arbeitsplatz sein soll. Dazu macht sie jetzt gerade ihr drittes Praktikum. Nach mehreren Monaten in einem Altenheim und auf einem Biohof mit Gemüseversand, lernt sie jetzt die Arbeit in einem Blumengeschäft kennen. Zu Beginn des Praktikums hat sie einen Jobcoach an ihrer Seite, der ihr hilft, bis sie die Arbeit allein beherrscht. Über drei Praktika hintereinander würden andere Stöhnen, doch Eva-Maria Witte sieht das als geschenkte Zeit. Denn sie hat dadurch viel Selbstständigkeit gewonnen.
"Zum Beispiel alleine zur Arbeit zu fahren. Alleine zu wissen, wann muss ich losfahren, welchen Weg muss ich nehmen, wann komme ich pünktlich an, was muss ich vorher organisieren. Das kannte ich so gar nicht. Und ich habe auch gelernt, mir Arbeitsabläufe einzuprägen, ohne dass das einer ständig überwacht."
Und sie hat auch schon herausgefunden, was ihr liegt. Auf dem Biohof war es ihr oft zu hektisch. Sie liebt Ordnung und Ruhe. Deshalb würde sie gern in einer Bibliothek arbeiten. Anderthalb Jahre dauert ihre berufliche Orientierungsphase noch. Das Ziel ist dann: ein Ausbildungsplatz oder ein Arbeitsvertrag als angelernte Kraft.
"Dann möchte ich eine Arbeitsstelle haben, wo ich möglichst selbstständig bin oder am Liebsten sogar völlig selbstständig bin. Und wo ich jeden Tag hingehen kann und mich nicht erst fragen muss, auweia, wie wird der Tag heute und wie meistere ich das heute, sondern wie jeder andere auch, sagen kann, das ist meine Arbeit, da kenne ich mich aus, und das mache ich selbstverständlich."
Ein ganz normaler Wunsch. Doch noch kann sich nicht jeder Mensch mit Behinderung diesen Wunsch erfüllen. 180.000 Menschen mit Schwerbehinderung sind aktuell arbeitslos. Das sind 4.000 mehr als im vergangenen Jahr. Während die Arbeitslosigkeit eigentlich sinkt, sind die Zahlen bei den Schwerbehinderten stabil. Dabei beinhaltet die von Deutschland unterschriebene Behindertenkonvention der Vereinten Nationen das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen. Große Unternehmen in Deutschland sind gehalten, mindestens fünf Prozent Menschen mit Behinderung einzustellen. Wer das nicht macht, muss eine Ausgleichsabgabe, quasi eine Strafe zahlen.
Komplexes System behindert die Inklusion
Je nachdem, wie viele Menschen mit Behinderung ein Unternehmen beschäftigt, muss es monatlich bis zu 290 Euro pro fehlenden Arbeitsplatz zahlen. Der Anteil der Betriebe, die diese Ausgleichsabgabe zahlen müssen, sinkt nur leicht und lag in den vergangenen Jahren immer bei rund 60 Prozent. An Maßnahmen und Fördermöglichkeiten mangelt es nicht. Aber das komplexe System behindert die Inklusion, kritisieren Wissenschaftler. Die Eingliederungshilfe ist Ländersache – deshalb sei es auch manchmal Glücksache, welche Hilfe ein behinderter Mensch bekommt.
Und je nachdem, ob gerade die Arbeitsagentur, die Rentenkasse oder die Kommune zuständig sei, gebe es andere Unterstützungsmöglichkeiten. Viele Ansprechpartner, Förderprogramme und unterschiedlichste Zuständigkeiten wirken wie ein dichter Dschungel, in dem sich Behinderte und auch Unternehmer oft kaum zurechtfinden. Zum Beispiel Günter Bremer. Ihm gehört ein Trockenbaubetrieb in Lastrup im Landkreis Cloppenburg. Und ihn ärgert es, wenn die Arbeitgeber kritisiert werden, weil sie zu wenig Menschen mit Behinderung einstellen. Der Wunsch sei ja da, sagt er.
"Wenn man ein großes Unternehmen ist, dann hat man eine eigene Personalabteilung und Mitarbeiter, die sich damit auskennen, wo gibt es Förderungen und so weiter. Aber bei so einem kleinen Betrieb wie unserem, wo willst Du die Zeit hernehmen. Ich habe niemanden, den ich dafür abstellen kann. Das muss ich alles selber machen."
Bremer sucht eine Kraft fürs Büro - das dürfe auch gern jemand mit einer Einschränkung sein, sagt er. Und das habe er auch schon der Arbeitsagentur gesagt, doch erfolgreich vermittelt wurde ihm bislang niemand.
"Wenn ich einen Menschen mit Einschränkung habe und möchte, dass der in Arbeit kommt, dann muss ich die auch begleiten. Hier sind Bewerber gekommen, die waren unvorbereitet. Da hat sich auch sonst nie jemand drum gekümmert, dass mal jemand hergekommen wäre und gefragt hätte, was für eine Stelle haben Sie denn, was suchen Sie - nix."
Dass es große Unternehmen da tatsächlich leichter haben könnten, zeigt das Beispiel buw. Das Callcenter-Unternehmen mit Sitz in Osnabrück hat seit anderthalb Jahren einen eigenen Referenten für Inklusion: Bert Sperling.
"Zunächst haben wir Inklusionsteams gebildet. An jedem Standort arbeitet ein Schwerbehindertenvertreter, ein Vertreter aus der Personalabteilung mit mir zusammen. Sodass wir Bewerbungen sichten und schauen, wenn sich Menschen mit Behinderung bewerben, was ist zu tun."
Inklusion in Betrieben verankern
Sperling hat zum Beispiel dafür gesorgt, dass es für die blinden Mitarbeiter im Eingangsbereich des Bürogebäudes jetzt weiße taktile Orientierungsstreifen gibt. Das war aber nicht alles: Ganz zu Anfang hat Sperling an jedem Unternehmensstandort die Vertreter der Arbeitsagentur zu buw eingeladen. Er hat ihnen die Arbeitsplätze gezeigt und überhaupt erst den Kontakt geknüpft. Denn die Callcenter-Branche habe ein schlechtes Image, da galt es zunächst die Mitarbeiter der Arbeitsagentur von buw zu überzeugen. Jetzt weiß Sperling, an wen er sich wenden muss, und auch die Mitarbeiter in den Arbeitsagenturen wissen, dass sie potenzielle Bewerber - auch mit einer Behinderung - zu buw schicken können. Seitdem reiche auch mal der kurze Dienstweg:
"Manchmal braucht es nur ein Telefonat, um zum Beispiel zu sagen, wir haben hier einen Bewerber mit großem Interesse, bei dem wir hohes Potenzial sehen. Dass es also entbürokratisiert ist. Dieses Telefonat gilt dann schon als Antrag, um zum Beispiel einen Eingliederungszuschuss zu beantragen. Natürlich muss dieser Antrag noch schriftlich gestellt werden."
Inzwischen hat buw in Deutschland 240 Mitarbeiter mit Behinderung. Die vorgeschriebene Quote erfüllt das Unternehmen damit. Mit einer betrieblichen Integrationsvereinbarung hat buw die Inklusion fest im Unternehmen verankert.
"Es ist ja nun mal normal verschieden, das als Ansatz. Und dann schauen wir ganz genau hin, was braucht die Person und was braucht die Abteilung, in der diese Person später arbeiten soll."
Und so sorgt der Inklusionsreferent dafür, dass der Arbeitsplatz zum Arbeitnehmer passt. Von dieser neuen Unternehmenskultur profitiert Ricky Sünnewie. Seit einem Badeunfall vor vier Jahren sitzt er im Rollstuhl. Seine Ausbildung zum Anlagenmechaniker musste er abbrechen, denn auch seine Hände kann er nur noch eingeschränkt bewegen.
"Das ist mein Arbeitsplatz. Zwei Bildschirme, ein paar Kleinigkeiten zum Bedienen. Body Buttons heißen die..."
Nach seinem Unfall war der 26-Jährige über ein Jahr krankgeschrieben, und dann hat er sich selbst auf die Suche nach einem Arbeitsplatz gemacht. Nach mehreren Absagen ist er auf buw gestoßen:
"Bewerbung losgeschickt. Das hat 24 Stunden gedauert, dann bin ich von jemand angerufen worden und zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden, das dann eine Woche später war. Dann haben wir danach noch ein, zwei Gespräche geführt über die Umbaumaßnahmen, die anfallen würden. Und dann Vertrag unterschrieben und angefangen."
Inklusionsinitiative für Ausbildung und Beschäftigung
Unkompliziert und selbstverständlich, so sollte auch in anderen Unternehmen der Umgang mit behinderten Bewerbern und Mitarbeitern sein, wünscht sich Sünnewie. Auch die Politik will das. Im Herbst vergangenes Jahr hat das Bundesarbeitsministerium die Inklusionsinitiative für Ausbildung und Beschäftigung gestartet. Dazu gehört auch das Projekt „Wirtschaft inklusiv". In Niedersachsen, Schleswig-Holstein und weiteren sechs Bundesländern sollen vor allem kleinere Unternehmen zum Thema Inklusion beraten werden.
"Guten Tag Frau Künsemüller. Ja, schön, dass Sie sich die Zeit für das Thema genommen haben. Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Handicap - das gibt es in der Wirtschaft noch nicht so viel, und wir möchten gerne auch auf kleinere Betriebe zugehen, um zu schauen, ob es da vielleicht Möglichkeiten gibt."
Petra Künsemüller ist Inklusionsberaterin - eine von 20 bundesweit. Heute besucht sie die medizinische Fußpflegepraxis von Meike Klinkenborg in Osnabrück.
"Auch im Bereich Computer, wenn jemand mit einer Hör- oder Sehschädigung einen Arbeitsplatz eingerichtet bekommt, dann wird das bis zu 100 Prozent gefördert. Ja, diese Informationen sind sehr wichtig, weil da hätte ich auch nicht die Zeit zu, mich da rein zu arbeiten, da bräuchte ich auch Unterstützung, aber das hört sich ja sehr gut an."
Unternehmensberatung für Inklusion
Im Gespräch der beiden Frauen wird schnell deutlich, dass in der Fußpflegepraxis auch Arbeit für einen Menschen mit Behinderung wäre. Bei der Terminvergabe, beim Empfang der Patienten, bei der Buchhaltung oder der Reinigung medizinischer Geräte könnte Meike Klinkenborg Hilfe gebrauchen. Die Idee zu dem Projekt "Wirtschaft inklusiv" kam von den Arbeitgeberverbänden. Angestellt ist Petra Künsemüller beim Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft. Das sieht die Inklusionsberaterin als Vorteil. Denn sie könne die Perspektive der Unternehmen einnehmen.
"Ich sehe meine Aufgabe darin, Unternehmen und Betriebe zu beraten und mit ihnen gemeinsam zu schauen, welche Möglichkeiten gibt es, wo können sie die Potenziale von Bewerbern, die sie bisher noch nicht gesehen haben, wahrnehmen und für sich nutzen. Und ich verstehe es wirklich als eine Art Unternehmensberatung für Inklusion im Arbeitsleben, die von den Interessen des einzelnen Betriebes ausgeht."
Neue Strukturen sollen durch das Projekt nicht geschaffen werden. Vielmehr will Künsemüller Lotsin sein und die Betriebe dann zu anderen Stellen wie dem Integrationsamt oder der Reha-Abteilung bei der Arbeitsagentur begleiten. Auch die Bundesregierung will die Inklusion in der Arbeitswelt vorantreiben und zum Beispiel das deutsche Fördersystem vereinfachen. Das Fürsorgesystem soll zu einem modernen Teilhabesystem weiter entwickelt werden – heißt es etwa im Koalitionsvertrag. Die Arbeit am neuen Gesetz hat gerade begonnen – auch Menschen mit Behinderung sollen daran mitwirken.
Ein sonniger Morgen im Frühsommer. Sean van Rooij schneidet mit der Motorsense die Wiese am Wegesrand des Museumsparks. Zwei Monate arbeitet er jetzt schon in Kalkriese. Zwei Monate, in denen er sein eigenes Geld verdient.
"Yeah!"
So beschreibt Sean sein Gefühl, als er den ersten Lohn auf dem Kontoauszug sah.
"Das war richtig gut, wenn man erst mal das Geld sieht. Nicht mehr aufs Amt angewiesen zu sein. Und dann kann man sich natürlich auch mehr Quadratmeter leisten."
Vor Kurzem ist er mit seiner Freundin in eine größere Wohnung gezogen. Wenn Sean van Rooij bei der Arbeit doch mal Schwierigkeiten hat, kann er sich immer noch an seinen Jobcoach Jürgen Linnemann wenden:
"Die unterstützen mich weiterhin. Wenn ich Hilfe brauche, soll ich anrufen, und dann kommen die vorbei und unterstützen das auch."
Und eins ist klar: Eine Eigenschaft, die vielen Arbeitgebern so wichtig ist, fehlt ihm nicht: Motivation.
"Ich freue mich auf die Arbeit. Immer."