Westlich von Blagoevgrad, kurz vor Pokrownik, steht an der nagelneuen Autobahn ein riesiger, orangefarbener Telekran. Neben antiken Grundmauern, ausgelegt mit einem weißen Vlies. Ein Radlader schafft Kies herbei. Männern mit Schaufeln verteilen ihn. Ein kleiner, älterer Herr mit einem großen Sonnenhut beäugt die Arbeiten: "Ich heiße Ilija Kulow. Ich bin seit 43 Jahren Archäologe, seit fünf Jahren in Rente. Aber dieses Jahr gibt es zu viele wichtige Objekte. Da muss ich aushelfen."
"Wir haben es geschafft, alles innerhalb von acht Monaten alles auszugraben. Und das hier haben wir gefunden." Sein rechter Arm rudert über das Gelände: "Ein römisches Landhaus."
"Wir haben es geschafft, alles innerhalb von acht Monaten alles auszugraben. Und das hier haben wir gefunden." Sein rechter Arm rudert über das Gelände: "Ein römisches Landhaus."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe Bedrohte Kresna-Schlucht.
"Man sieht hier die Grundmauern dieses römischen Anwesens. Und dahinter das Fundament einer Kirche, das eigentlich genau auf der Autobahnstrecke lag. Das haben wir letztes Jahr 20 Meter verschoben."
"Gebaut wie die Verrückten"
Um den Weg frei zu machen für die Autobahn. Frühchristlich. Man erkennt den Altarstein. Der Kran und die Arbeiter gehören zum Groma-Konzern, der vertraglich verpflichtet ist, den Archäologen bei der Rettung und Konservierung zu helfen. Kulow führt uns stolz zu einer Keramik, die er im Badezimmer des Landhauses entdeckt hat. Etwas abseits fand sich ein nahezu komplett erhaltenes Grab. Es enthielt zwei Glasbehälter, eine Lampe. Und Schachteln, vielleicht für Schreibmaterial. Die Ruhestätte des Hausherrn, mutmaßt der Archäologe.
Das war 1.700 Jahre unter der Erde konserviert, sagt er. Jetzt muss es Sonne und Regen trotzen. Macht die Baufirma Zeitdruck?
"Ja, klar. Die wollen ja immer, dass alles gestern fertig ist. Sie haben wie die Verrückten gebaut. Aber was wir hier machen, braucht natürlich Zeit. Das alles zu verfugen, Stein für Stein."
Das war 1.700 Jahre unter der Erde konserviert, sagt er. Jetzt muss es Sonne und Regen trotzen. Macht die Baufirma Zeitdruck?
"Ja, klar. Die wollen ja immer, dass alles gestern fertig ist. Sie haben wie die Verrückten gebaut. Aber was wir hier machen, braucht natürlich Zeit. Das alles zu verfugen, Stein für Stein."
"Die Region ist archäologisch sehr interessant"
Die Experten arbeiten penibel. Selbst der Mörtel wird historisch korrekt abgetönt. "Alles original", sagt er. Die Spezialmischung mit den Pigmenten stammt aus Deutschland.
"Die Frage ist natürlich, wer sich um das Objekt kümmert. Ich hoffe, dass sich jemand findet. Ansonsten wird das alles hier nach drei, vier Jahren verschwunden sein."
"Die Region hier ist archäologisch sehr interessant und sehr dynamisch, auch für die prähistorische Zeit. Wir haben einige spannende Projekte hier."
"Die Frage ist natürlich, wer sich um das Objekt kümmert. Ich hoffe, dass sich jemand findet. Ansonsten wird das alles hier nach drei, vier Jahren verschwunden sein."
"Die Region hier ist archäologisch sehr interessant und sehr dynamisch, auch für die prähistorische Zeit. Wir haben einige spannende Projekte hier."
Eine der ersten landwirtschaftlichen Siedlungen auf dem Balkan
Keine zehn Autominuten von der archäologischen Baustelle entfernt, im Regionalmuseum von Blagoewgrad, sortiert Małgorzata Grębska-Kulow Papiere auf ihrem Schreibtisch. Sie ist verheiratet mit dem Mann auf der Baustelle, ebenfalls Archäologin. Und vermutlich die beste Kennerin der Frühgeschichte dieser Gegend. Zusammen hat das Paar vor Jahren etwa eine große Fundstelle am Fuße Berges Vlahina am rechten Ufer der Struma untersucht. Eine Siedlung aus dem 6. Jahrtausend vor Christus.
"Wir hatten dort eine unglaubliche gute Ausbeute. Wir haben 23 Tonnen Material ausgegraben – 3.000 Objekte. Das war eine der ersten landwirtschaftlichen Siedlungen auf dem ganzen Balkan."
An einem anderen Ort, bei Balgarchevo, fanden sie eine Siedlung, die von circa 5.700 bis 4.000 vor Christus bewohnt war. Von Menschen, die aus der heutigen Türkei, aus Anatolien kamen. Sie züchteten Schafe, Schweine, Rinder und Ziegen.
"Wir gehen davon aus, dass hier die Landwirtschaft Europas ihren Anfang nahm. Wir liegen hier auf dem Weg nach Mitteleuropa. Und wir wissen, dass es dort erst 500 Jahre später die ersten Landwirte gab."
"Wir hatten dort eine unglaubliche gute Ausbeute. Wir haben 23 Tonnen Material ausgegraben – 3.000 Objekte. Das war eine der ersten landwirtschaftlichen Siedlungen auf dem ganzen Balkan."
An einem anderen Ort, bei Balgarchevo, fanden sie eine Siedlung, die von circa 5.700 bis 4.000 vor Christus bewohnt war. Von Menschen, die aus der heutigen Türkei, aus Anatolien kamen. Sie züchteten Schafe, Schweine, Rinder und Ziegen.
"Wir gehen davon aus, dass hier die Landwirtschaft Europas ihren Anfang nahm. Wir liegen hier auf dem Weg nach Mitteleuropa. Und wir wissen, dass es dort erst 500 Jahre später die ersten Landwirte gab."
Dorf aus prähistorischer Zeit entdeckt
Der wichtigste Fund aber, sagt die Forscherin, sei wohl Damianitsa. "Das bedeutsamste Dorf aus prähistorischer Zeit wurde tatsächlich nur wegen der Bauarbeiten an der Struma-Autobahn entdeckt."
Auch in Damianitsa betrieben die Wissenschaftler "Rettungsarchäologie". Unter Hochdruck, die Bagger der Baufirma im Nacken. "Wir hatten wenig Zeit. 2016 gab es eine Vorstudie, 2017 mussten wir innerhalb von acht Monaten alles sichern – vor dem Autobahnbau."
Eine Fläche von neun Hektar. Knapp die Hälfte durchkämmten sie, ein Trupp von 60 Archäologen und Studenten und 300 Arbeitern.
"Das war in der Tat ziemlich hart und intensiv. Wir haben zunächst die eine Autobahn-Spur abgearbeitet. Dann mussten wir, damit die Bauarbeiter loslegen konnten, auf die andere Spur wechseln. Die Straße ist jetzt fertig. Aber wir haben es geschafft."
Auch in Damianitsa betrieben die Wissenschaftler "Rettungsarchäologie". Unter Hochdruck, die Bagger der Baufirma im Nacken. "Wir hatten wenig Zeit. 2016 gab es eine Vorstudie, 2017 mussten wir innerhalb von acht Monaten alles sichern – vor dem Autobahnbau."
Eine Fläche von neun Hektar. Knapp die Hälfte durchkämmten sie, ein Trupp von 60 Archäologen und Studenten und 300 Arbeitern.
"Das war in der Tat ziemlich hart und intensiv. Wir haben zunächst die eine Autobahn-Spur abgearbeitet. Dann mussten wir, damit die Bauarbeiter loslegen konnten, auf die andere Spur wechseln. Die Straße ist jetzt fertig. Aber wir haben es geschafft."
Zwei Kulturen begegnen sich
Sie fanden Materialien wie Kupfer und Graphit. Dazu 200 Tonnen Keramik, auch einen Ofen. "Das hat unsere Wahrnehmung dieser Epoche sehr verändert", sagt Frau Grębska-Kulow. Das Interessanteste für sie: Dass sich hier zwei Kulturen begegneten, aus dem Norden und dem Süden. Die Forscher sind noch mitten in der Auswertung, studieren die Konflikte und Annäherungsprozesse. Die Kresna-Schlucht, sagt die Archäologin, sei eine natürliche Grenze zwischen Süd- und Nordeuropa. Stört es sie, dass der Beitrag unserer Zivilisation eine Autobahn sein wird? Frau Grębska-Kulow guckt ein wenig irritiert. "Ich bin froh", sagt sie dann. "Wir haben hier ja viel Verkehr."
"Wissen Sie, die Archäologie ist ja letztlich auch eine destruktive Wissenschaft. Wir dokumentieren bei unseren Ausgrabungen zwar alles sehr präzise, aber wir zerstören es auch."
"Wissen Sie, die Archäologie ist ja letztlich auch eine destruktive Wissenschaft. Wir dokumentieren bei unseren Ausgrabungen zwar alles sehr präzise, aber wir zerstören es auch."