Archiv

Arches Nationalpark
Noch lebt die Wüste im Südwesten der USA

Sie sieht aus wie Dreck und ist doch ungemein wichtig: die Kruste, die Teile der Wüste im Südwesten der USA überzieht. Die Mischung aus Moosen, Flechten und Blaualgen hilft, Stickstoff zu binden und Erosion vorzubeugen. In vielen Gebieten wurde die Kruste schon zerstört, Forscher und Umweltschützer schlagen Alarm.

Von Sarah Kumpf |
    Der Arches Nationalpark in Utah im Südwesten der USA. Der Wanderweg schlängelt sich zwischen roten Sandsteinfelsen hindurch, die immer wieder hoch oben Bögen bilden – die Namensgeber des Parks. Am Rand des Weges stehen Schilder: "Bitte auf den Wegen bleiben" oder "Die Kruste ist lebendig" steht darauf. Die meisten Besucher halten sich daran, aber einige sind auch außerhalb der Pfade unterwegs – und wissen anscheinend gar nicht, was sie da anrichten. Was aussieht wie Dreckklumpen am Wegesrand ist ein biologisches System – sogenannte Bodenkrusten. Und die gehen extrem schnell kaputt, wenn jemand auf sie tritt, sagt Forscherin Jayne Belnap.
    "Egal, ob es ein Auto, ein Fahrrad, ein Fuß oder ein Huf ist, der sie stört – die Bodenkrusten halten nur sehr wenig Druck aus. Besonders wenn sie trocken sind, zerbröseln sie einfach",
    erklärt Belnap. Die energische Biologin ist begeistert von den "kleinen Kerlen", wie sie sie nennt. Zwischen Felsen und weit auseinander stehenden Büschen zeigt sie mir einen Flecken Erde, der mit Bodenkruste überzogen ist.
    "Here we go!"
    Bodenkrusten sind komplexe Gemeinschaften: Die erste Schicht direkt über dem Boden sind Cyanobakterien. Diese an sich wirken schon stabilisierend für Wüstenböden. Darauf verbinden sich Moose und Flechten zu braunschwarzen, knubbeligen Krusten. "Moose sind großartig", sagt Jayne Belnap.
    " Amazing!"
    "Sie haben einen der schnellsten Stoffwechsel überhaupt auf dem Planeten."
    Belnap träufelt ein wenig Wasser auf die braune, moosige Bodenkruste, die wir gefunden haben. Und tatsächlich: Innerhalb weniger Sekunden wird das Moos grün.
    Bodenkrusten gibt es überall auf der Welt. Besonders wichtig sind sie in Wüstengebieten, wo es nur wenige Pflanzen gibt, die weit auseinander stehen. In einer intakten Wüste überbrücken Bodenkrusten diese Zwischenräume. Sie speichern Nährstoffe und stabilisieren die Erde. Wo die Kruste fehlt, weht der Wind die in Wüsten sehr dünne fruchtbare Schicht weg. Wo vorher die Pflanzen schon Mühe hatten, Nährstoffe zu finden, wächst jetzt für Jahrzehnte gar nichts mehr.
    Selbst für Menschen, die sich nicht für die Schönheit einer intakten Wüste interessieren – oder den Unterschied schlicht nicht erkennen können, sind Bodenkrusten im Südwesten der USA mittlerweile ein Thema: Seitdem die Krusten in Utah den Boden nicht mehr festhalten können, ist Staub für die Bewohner ein Problem geworden. "Es gibt viele Gesundheitsrisiken", sagt Belnap.
    "Zum einen weht der Staub über die Schnellstraßen und Menschen geraten in Autounfälle, weil sie nichts sehen können. Auch Erkrankungen der Atemwege wie das Talfieber werden durch den Staub übertragen, Asthma und Krebs begünstigt."
    Forscherinnen und Aktivisten wie Jayne Belnap arbeiten deshalb daran, Menschen für die Bodenkrusten zu sensibilisieren. In letzter Zeit haben die Schilder in Nationalparks wie Arches allerdings immer weniger Effekt, wie Belnap beobachtet: "Die Leute machen jetzt Handstand unter den Bögen", erzählt sie von ihrem letzten Besuch.
    "Ich habe Leute gesehen, die auf die Bögen klettern und ihre Nationalflagge schwenken. Es war fürchterlich, es hat mir das Herz gebrochen."
    Trotzdem gibt Belnap nicht auf. Sie ist sich sicher: Wenn Menschen erst genug unter den Folgen der zerstörten Krusten leiden – wie dem Staub, wird sich auch etwas ändern. Noch ist es dafür nicht zu spät.