Was haben Sie sich schon abgearbeitet an diesem Gebäude, das man seit dem Umbau 1938 getrost als Nazi-Architektur bezeichnen kann. Der wuchtige deutsche Pavillon auf der Biennale von Venedig ist schon immer ein etwas beklemmender Klotz gewesen – und jeder der hier ausstellen wollte, musste sich irgendwie dazu verhalten, zumal auf der Architekturbiennale. Vor zwei Jahren gab es die perfekte Illusion: aus dem Innenleben wurde der Bonner Kanzlerbungalow. Dieses Mal sind die Macher deutlich brachialer vorgegangen: vier große Löcher haben sie in die Wand geschlagen, diese kreative Zerstörung bringt eine recht einfache Botschaft:
"Der Pavillon war auch noch nie so offen gewesen. Wir haben ihn ja extra geöffnet. Und es soll unser Thema natürlich symbolisieren: Deutschland ist offen, ist ungeschützt. Und der Pavillon, das deutsche Haus ist offen ist ungeschützt. Aber gleichzeitig ist er natürlich auch sehr viel schöner geworden."
Peter Cachola Schmal ist im normalen Leben Direktor der Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt, in Venedig wurde er zum Generaldirektor des Deutschen Pavillons, Oliver Elser hat die Ausstellung inklusive der Wanddurchbrüche kuratiert. Selten waren sie hier so aktuell, selten musste man bei der Planung fast die Sorge haben, von der aktuellen Entwicklung überholt zu werden. Das offene Deutschland ist hier das Thema – und Flüchtlingsarchitektur:
"Als wir mit dem Projekt begonnen haben, standen wir quasi mitten in dem, was viele Flüchtlingskrise nennen. Ich würde immer sagen: es ist genauso auch eine Wohnungskrise, die es in unserem Land gibt. Und wir haben begonnen, uns damit auseinanderzusetzen, welche Rolle eigentlich Architektur, welche Rolle Architekten, welche Rolle Städtebau in dieser Flüchtlingssituation spielen."
Einfach, günstig und trotzdem Heimat
Beispiele von Flüchtlingsunterkünften werden vorgestellt, die schnell für die vielen Ankommenden hochgezogen werden mussten. Möglichst, einfach, günstig und irgendwie trotzdem Heimat bietend. "Making Heimat" nennen Sie das hier. Und vermutlich wäre das keine deutsche Ausstellung ohne eine Portion Theorie: was passiert, wenn aus Flüchtlingen Einwanderer werden? Wie wirkt sich das auf Städte aus? Oliver Elser fragt, was Städte leisten müssen, um mit vielen Einwanderern in kurzer Zeit klar zu kommen:
Eine Form von niedrigschwelligem Zugang zu Wohnungen, vor allen Dingen aber auch zu Arbeitsplätzen, natürlich zu Schulen. Natürlich stellt das bestimmte Anforderungen an eine Stadtstruktur, das heißt, es muss so eine Form von kleinteiliger Verfügbarkeit von Gewerberaum geben. Also gerade bei Einwanderern ist die Selbstständigenrate sehr hoch, im Vergleich zur deutschen Bevölkerung deutlich höher.
Das Ganze kommt luftig, großzügig und eben "offen" daher. Der deutsche Pavillon will ein Ort sein, an dem man gerne ist. Aber den Machern ist auch klar, dass sich der Wind im Flüchtlingsland Deutschland, nach der ersten Willkommens-Euphorie, ein wenig gedreht hat. Und deswegen stellen sich viele Fragen:
"Nicht jeder möchte, dass das Deutsche Haus offen ist"
"Ja, es möchte ja auch nicht jeder in Deutschland, dass das Deutsche Haus offen ist. Das ist überhaupt das Problem zur Zeit. Wie offen darf es denn sein, wie ungeschützt ist es denn? Was kann man davon halten? Das verändert ja gerade alle Wahlen, das ist natürlich ein Thema. Und ist das deutsche Haus offen oder ist das europäische Haus offen? Und wie offen ist überhaupt das europäische Haus? Diese Fragen stellen sich ja gerade, und macht der Pavillon auf eindrückliche Weise klar."
Der deutsche Beitrag passt sich übrigens gut in das Oberthema der Architekturbiennale ein, die bis Ende November läuft. Der chilenische Direktor Alejandro Aravena hat seine Hauptausstellung "Reporting from the Front" genannt. Unter den Teilnehmern aus 37 Nationen stammen besonders viele aus Schwellen- und Entwicklungsländern. Aber in der Flüchtlingskrise sind viele Länder weltweit, nicht nur in Europa, zu Frontstaaten geworden. Sogar Deutschland. Bei aller Offenheit.