Archiv

Archive im Umbau
Das Gedächtnis des Staates wird digitalisiert

Statt sich durch Aktenberge und Bücherregale wühlen zu müssen, könnten bald alle Archiv-Inhalte per Mausklick verfügbar sein. Denn immer mehr Archive digitalisieren ihren Bestand. Kritiker befürchten jedoch, dass dadurch der Bildungsauftrag der Archive verloren gehen könnte. Und die Wissensdigitalisierung birgt noch weitere Gefahren.

Von Manuel Waltz |
    Eine Hand bedient eine Computermaus.
    Immer mehr Menschen beziehen ihr Wissen aus dem Internet anstatt sich im Archiv schlau zu machen. (AFP / Robyn Beck)
    "Rittergut Knauthein, das ist also ein Rittergutsbestand, den wir hier im Haus haben. Knauthein liegt unmittelbar bei Leipzig."
    Hans Jürgen Voigt hält ein großes, sehr altes Buch – eine historische Urkunde – in der Hand. Der Einband ist in einem blassen Blau gehalten, die Jahrhunderte haben ihre Spuren auf dem Papier und in der Farbe hinterlassen. Die kunstvoll geschriebenen, handschriftlichen Buchstaben sind aber noch gut zu lesen. Daneben prangt ein großes altes Siegel, ein ritterliches Wappen in dunklen, roten Lack.
    "Wir haben eine erhebliche Anzahl Überlieferungen von ehemaligen Rittergütern hier aus dem Territorium Nordwestsachsen, das sind auch sehr interessante Bestände, historisch interessant, die Tätigkeit der adligen Familien auf den Rittergütern ist doch sehr gut dokumentiert. Und es zeigt doch recht gut das Leben auf dem Lande in den vergangenen Jahrhunderten."
    Hans Jürgen Voigt ist Archivar im Staatsarchiv Leipzig, welches Teil des sächsischen Landesarchivs ist. Ein grauer Zweckbau am Rande der Stadt – direkt gegenüber von einem großen Einkaufszentrum.
    "Natürlich ist das Betrachten des Originals gerade einer historischen Akte, die vielleicht auch noch einen schönen Einband hat, fürs Auge natürlich viel interessanter, als einen Mikrofilm anzuschauen, der möglichst dann auch noch auf Graustufenbasis ist und man nur die Informationen der Akte entnehmen kann."
    Tribut der Digitalisierung
    Deutschland ist ein Land der Archive: Kirchenarchive, städtische Archive, viele Unternehmen haben ein eigenes Archiv, ebenso Privatpersonen, Stiftungen oder die Parteien. Jedes Bundesland unterhält ein Archiv, und auch der Bund hat in Koblenz das Bundesarchiv.
    330 Kilometer Akten lagern hier. Welches Dokument in dieses Bundesarchiv kommt, und wer es dort einsehen darf, ist durch das Bundesarchivgesetz geregelt. Viele Jahre lang hatte niemand etwas an diesem Gesetz auszusetzen, doch nun fordert die Digitalisierung auch hier ihren Tribut: Archivgut ist längst nicht mehr nur aus Papier. Das wirft Fragen darüber auf, was in welcher Form am besten aufbewahrt werden sollte. Der Bundestag wird im September direkt nach der Sommerpause eine Neufassung des Bundesarchivgesetzes verhandeln.
    "Also die Aufgaben in den Archiven sind die gleichen geblieben, aber es haben sich die Objekte geändert, mit denen wir umgehen, und folglich haben sich auch die Kompetenzen und Fähigkeiten geändert, die Archivare dann entsprechend besitzen müssen."
    Karin Schwarz lehrt Archivwesen an der Fachhochschule Potsdam. Die Professorin will mit dem Klischee vom Archiv aufräumen. Es gebe dort beispielsweise weder Staub noch Archivare in grauen Kitteln. Vielmehr bestehen Archive zu einem wachsenden Teil aus Serverräumen voller mannshoher Computer.
    Lesbare und verstehbare Informationen
    Die Kunst des Archivwesens besteht immer mehr darin, Nullen und Einsen zu sichern und dafür zu sorgen, dass diese digitalen Informationen auch noch in vielen Jahren lesbar und vor allem verstehbar sind.
    "Ganz wesentlich ist, dass diese digitale Archivierung nicht nur die Digitalisierung umfasst, also nicht nur das Digitalisieren von papiergebundenen Unterlagen - in digitaler Form dann zu transformieren, sondern es geht ja auch in hohem Maße um die Archivierung digitaler Objekte, die genuin schon digital sind."
    Kritiker bemängeln, dass mit der zunehmenden Digitalisierung Akten immer öfter unvollständig und unübersichtlich geführt werden.
    Eine Frau durchsucht einen Aktenschrank. (picture alliance / dpa / Marc Müller)
    Ein Beispiel: Die Bundesministerien und ihre Behörden müssen ihre Akten und Unterlagen an das Bundesarchiv übermitteln, wenn die Vorgänge darin abgeschlossen sind, so will es das geltende Bundesarchivgesetz. Anders als eine Akte aus Papier wird jedoch eine elektronische Datenbank niemals abgeschlossen, sondern immer weiter aktualisiert.
    Folglich darf eine Datenbank nie an das Bundesarchiv übermittelt werden. Wichtige Informationen gehen verloren, wenn die Daten überschrieben werden. Die Neufassung des Bundesarchivgesetzes trägt dem nun Rechnung: Das Archiv soll nun in regelmäßigen Abständen eine Kopie dieser Datenbanken bekommen. Hier geht es nicht nur um technisches Umdenken, so Karin Schwarz von der FH Potsdam.
    "Was uns aber in den Archiven sehr herausfordert, ist die Wahrung der Authentizität. Also das heißt, bei digitalen Unterlagen muss ich mich entscheiden, was ist denn authentisch. Also ist das reine Aussehen authentisch oder reicht es, nur die Information zu archivieren."
    Eine Papierakte oder ein Aktenordner sind als solche immer authentisch, solange sie vollständig sind. Hier bedarf es keiner Einschätzung der Archivare, was genau dazugehört und was nicht. Bei digitalen Informationen aber ist das anders: Das Internet verändert seine Inhalte schließlich ständig.
    "Ich muss dann als Archivar natürlich entscheiden, wie weit kann ich gehen, wie viele Abstriche kann man machen, damit das archivierte Objekt dennoch als authentisch angesehen wird."
    Doch das Problem stellt sich nicht nur bei Internetseiten, sondern auch bei den klassischen Akten der Ministerien. Mit dem Programm "Digitale Verwaltung 2020" will die Bundesregierung ihre Arbeitsabläufe weitgehend digitalisieren, Behördengänge beispielsweise sollen dann nicht mehr nötig sein. Auch der Schriftverkehr soll dann elektronisch erfolgen. Ob das im nunmehr dritten Anlauf klappt, ist aber zweifelhaft.
    Doppelte Aktenführung als Zwischenlösung
    Derzeit behilft man sich mit einer hybriden, soll heißen, doppelten Aktenführung: sowohl auf Papier als auch elektronisch. Ins Archiv aber kommt nur Papier, die elektronische Kommunikation darum herum soll ausgedruckt werden, sofern sie relevant ist. Kein guter Zustand, findet Michael Hollmann, der Präsident des Bundesarchivs.
    "Was ich erwarten würde, wenn die Regelungen, die wir eigentlich haben, gehalten würden, dann würde man eben nicht E-Mails, in denen unten drunter dann auch steht: 'Hab dich ganz doll lieb' oder 'Grüße an die Ehefrau', in die Akten kommen, sondern dann würde man über solche Dinge einen Vermerk schreiben und diesen Vermerk in die Akten geben. Aber dieser gute und vor allem konzentrierte Stil, ist in den letzten..., ach das ist schon länger her, das hat spätestens mit der Kopie eigentlich angefangen, dass man Akten nicht mehr sorgfältig geführt hat, sondern einfach rein getan hat in die Akten, was man gerade für wichtig gehalten hat, was aber dazu führt, dass Akten heute nur noch deutlich schwerer lesbar sind, und dass sie nur noch schwer zu überblicken sind. Früher waren Akten dünn, heute sind sie aufgeschwemmt."
    Die Umstellung auf die digitale Verwaltung ist auch Voraussetzung für die Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes, kurz IFG. Dieses besagt seit gut zehn Jahren, dass die Verwaltung offen und transparent arbeitet, dass Bürger Einblick in die Arbeit der Ministerien haben können. Die Informationsfreiheit wurde als neues, hohes demokratisches Gut gefeiert, möglich gemacht durch Digitalisierung: Alle Unterlagen, ob auf Papier oder digital, Ton- oder Videoaufzeichnungen, Bilder oder Grafiken, sollen elektronisch zugänglich sein. Ausgenommen sind sensible Informationen. Werner Jann ist Professor für Verwaltungswissenschaft an der Uni Potsdam - und von diesem Anspruch auf Transparenz nicht in Gänze überzeugt.
    "Inzwischen gibt es ja viele Akten, die gar nicht mehr als Papier existieren, sondern die nur noch als elektronische Daten existieren. Das erfordert wirkliches Umdenken. Aber die Vorstellung, ach das ist doch prima, das haben wir ja alles irgendwo im Netz oder auf irgendeinem Computer, das können wir jetzt alles öffentlich machen, das scheint mir wirklich eine naive und sehr problematische Sichtweise zu sein."
    Zwar besagt das Informationsfreiheitsgesetz, dass es Zugang nur zu abgeschlossenen Vorgängen geben darf, Werner Jann aber meint, dass auch dies in großen Teilen noch zu rasch ist.
    "Man spricht da von Blame-Avoidance, also von Verantwortungsvermeidung. Das heißt, was passiert eigentlich, wenn man befürchten muss, dass solche Entscheidungsprozesse sofort öffentlich gemacht werden. Verhandlungen werden schwieriger, wenn ich überwacht werde, kann ich schlechter Kompromisse schließen oder auch taktisch verhandeln."
    Im Übrigen seien es weniger Bürger, die sich über die Arbeit einer Behörde schlaumachen wollten – vielmehr zeige die Erfahrung, dass vor allem Lobby- und Interessengruppen mit dem IFG Material sammeln wollten, um sich gegen Politik und Verwaltung zu wehren, kritisiert Jann.
    "Aber es passiert eben auch: Verlagerung in andere Gremien, ein defensiverer Umgang mit Informationen - und tatsächlich Vermeidung sorgfältiger Dokumentation und mehr Informalität. Das heißt: Sensible oder kontroverse Informationen werden nicht dokumentiert."
    Erdrückende Aktenführung
    Damit schließt sich Professor Jann der Kritik des Bundesarchiv-Präsidenten Hollmann an: Die Akten werden zwar dicker, ihre Aussagekraft aber nimmt ab. Und auch die Recherchierbarkeit leidet, wenn relevante Informationen hinter vielen irrelevanten verschwinden – ein Phänomen, das aus dem Internet bekannt ist: Die Flut an Informationen kann erdrückend sein. Für Werner Jann ist diese Entwicklung der Aktenführung auch eine Folge der extrem beschleunigten Informationskultur.
    "Oder man kann es auch anders sagen: Die Darstellung des Entscheidungsprozesses wird wichtiger als sein Inhalt. Das heißt, das wissen wir alles aus der verwaltungswissenschaftlichen Forschung. Also die Vorstellung, ah, wenn wir alles offen machen und wenn wir alles sofort offen machen, werden Entscheidungen besser und transparenter, ist vollkommen naiv."
    Dass das Informationsfreiheitsgesetz für die Ministerien gilt, nicht aber für das Bundesarchiv, hat außerdem zu einem Paradoxon geführt. Die Akten der Bundesministerien und ihrer Behörden lagern eine Weile in den jeweiligen Häusern. Hier gilt das IFG, jeder kann also – theoretisch – die Akten einsehen.
    Werden sie aber nach einer Weile an das Bundesarchiv überführt, gilt das Bundesarchivgesetz, das eine 30-jährige Sperrfrist vorschreibt. Die Akten werden bislang also wieder geschlossen. Die Neufassung des Bundesarchivgesetzes will zum einen die Sperrfrist auf zehn Jahre verkürzen, zum anderen lässt es die Akten, für die das IFG gilt, geöffnet.
    Auch das zweite große Archiv des Bundes kämpft mit den Herausforderungen der Digitalisierung - die Stasi-Unterlagen-Behörde. Deren Leiter Roland Jahn will sie langfristig als modernes Archiv gestalten, immer mehr auch im Internet anbieten und so erreichen, dass auch junge Menschen sich für dieses Kapitel der deutschen Geschichte interessieren. Dazu braucht er das Bundesarchiv, davon ist er überzeugt.
    "Also ich glaube, dass gerade auch unter dem Dach des Bundesarchivs in der Zusammenarbeit mit den anderen Beständen des Bundesarchivs hier eine große Chance liegt. Aber es ist wichtig, dass wir dieses Stasi-Unterlagen-Archiv als eine besondere Errungenschaft der Friedlichen Revolution immer wieder herausstellen, auch eigenständig sichtbar machen, und das geht besonders an den historischen Orten, das geht besonders durch die Art und Weise, wie wir es ausstellen, wie wir es begehbar halten und wie wir, ja, die Angebote in die Gesellschaft hineinbringen, dass diese Orte auch besucht werden."
    Anspruch auf Wissensverwaltung wahren
    Für beide Archive – Bundesarchiv wie auch die Stasi-Unterlagen-Behörde – besteht die große Herausforderung darin, ihren Anspruch auf Wissensverwaltung in Zeiten von Internet und Google zu wahren. Zwar sind Inhalte eines Archivs immer einmalig, sie haben zunächst einmal keine Konkurrenz. Die Stasi-Akten beispielsweise gibt es nur hier. Es geht aber nicht zuletzt darum, noch als Quelle wichtiger und verlässlicher Informationen wahrgenommen zu werden. Die Zahl derer, die in Roland Jahns Haus ihre eigene Akte einsehen wollen, nimmt ab. Junge Menschen kennen die DDR nur noch aus Erzählungen. Das Interesse dieser Internet-Generation zu wecken, das ist eine grundsätzlich neue Situation, der sich alle Archive stellen müssen, so Karin Schwarz von der Fachhochschule Potsdam.
    "Wenn wir jetzt die Informationsgesellschaft als Ganzes sehen, dann konkurriert natürlich eine Gedächtniseinrichtung wie ein Archiv mit anderen Gedächtniseinrichtungen, dann konkurriert ein Archiv als Informationseinrichtung auch mit anderen Informationsinfrastrukturen. Das ist ganz klar und die Archive können sich da natürlich günstig positionieren, indem sie sichtbar bleiben, auch online sichtbar bleiben, und entsprechend ist die Digitalisierung dann ein ganz wesentlicher Punkt."
    Wie die Stasi-Unterlagen-Behörde nun, mehr als 25 Jahre nach dem Ende der DDR, in das Bundesarchiv überführt werden soll - darüber gehen die Meinungen auseinander. So weit, dass der Streit darüber dieses Jahr zu eskalieren drohte. Roland Jahns Arbeitsvertrag wurde zeitweise nicht verlängert, und er musste die Behörde kommissarisch leiten. Eine Expertenkommission des Bundestags hatte unter anderem vorgeschlagen, der Behörde unter dem Dach des Bundesarchivs eine gewisse Eigenständigkeit zu erhalten, der Chef aber soll nur noch "Lobbyist für die Stasi-Opfer" sein.
    Einige Außenstellen sollen zudem geschlossen werden, die verbleibenden von Archivaren des Bundesarchivs geleitet werden. Der Grünen-Abgeordnete Harald Terpe kritisiert vor allem diesen letzten Punkt, er sähe lieber weiterhin Zeitzeugen der Friedlichen Revolution auf den Führungsposten.
    "Weil ich glaube, dass gerade der frühzeitige Zugang zu den Akten und der Umgang mit den Akten so einmalig ist. Nicht nur in der deutschen Geschichte, sondern auch international gesehen, dass sich zwangsläufig daraus ergibt, dass man zusätzlich zu dieser rein archivarischen Expertise auch immer eine Bildungsexpertise braucht für diejenigen, die an den authentischen Orten die Leitung übernehmen und für diejenigen, die den Gesamtbestand des Stasi-Unterlagen-Archivs verantworten. Und das muss, glaube ich, für die Zukunft auch noch viel deutlicher raus gearbeitet werden, dass wir da dann auch die richtigen personellen Entscheidungen fällen."
    Unrecht nachvollziehbar machen
    In der Außenstelle der Stasi-Unterlagen-Behörde in Leipzig kümmern sich Archivare um die Erschließung und Sicherung der Unterlagen. Regina Schild, die die Außenstelle leitet, ist Zeitzeugin. Sie war dabei, als die Montagsdemonstrationen an der sogenannten Runden Ecke, der damaligen Stasi-Zentrale, vorbeizogen. Heute ist ihre Außenstelle hier untergebracht. Regina Schild hat, direkt nachdem Bürgerrechtler die Zentrale besetzt hatten, mitgeholfen, die Akten vor der Vernichtung durch die Stasi zu schützen. Das Unrecht nachvollziehbar zu machen – das will sie bis heute. Sie hält ein in Plastikfolie eingeschweißtes altes Flugblatt in der Hand. Die Verfasser des Flugblattes rufen zum Boykott der DDR-Kommunalwahlen 1989 auf.
    "Und man muss sich vorstellen, `89, Sie sehen ja dieses Flugblatt, man kann es kaum lesen, weil es ja auch schwierig war, Flugblätter anzufertigen. Es war eine andere Zeit, wir hatten nicht die Computer und so was. Man hat das mühsam mit so einem Stempelkasten zusammengebaut, das Flugblatt, hat das aufgeklebt und dann sozusagen gedruckt und heimlich verteilt. Das war eben ein Straftatbestand."
    Ein sehr spezielles Archiv
    Akten in der Stasi-Unterlagen-Behörde in Berlin
    Akten in der Stasi-Unterlagen-Behörde in Berlin (imago / epd)
    Die Stasi-Unterlagen-Behörde ist ein sehr spezielles Archiv. Erstmals wurden die Unterlagen einer Geheimpolizei komplett für die Bürger geöffnet. Einzig, um die Opfer der Stasi zu schützen, werden heute noch Teile der Akten geschwärzt oder zurückgehalten.
    "Und das sehen sie hier ran, dass der erste Angeklagte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten bekommen hat, und der Zweite zehn Monate. Und wenn Sie das zeigen und zwischen diesen Akten stehen, dann fangen auch Jugendliche an nachzudenken, und unten haben sie noch rumgeklapst, Witze gemacht, und spätestens hier werden sie dann nachdenklich."
    Wie die Behörde die Aufgabe meistern wird, einerseits Archiv, andererseits auch eine Bildungseinrichtung zu sein, das muss sich zeigen. An den authentischen Orten – wie der "Runden Ecke" in Leipzig – kann sie ihrem Bildungsauftrag gerecht werden. Doch führt auch der Weg der Stasi-Unterlagen ins Internet und zu einer besseren Vernetzung mit dem Bundesarchiv.
    Gefahr der Marginalisierung
    Auch das Bundesarchiv in Koblenz jedoch sucht noch nach Wegen ins Internet-Zeitalter. Eine Kooperation mit Wikipedia scheiterte vor einigen Jahren. Zu unterschiedlich waren die Haltungen zu Urheberschaft und ungehinderter Verbreitung von Materialien. Der Anschluss ans digitale Netz ist jedoch alternativlos für den Präsidenten des Bundesarchivs Michael Hollmann.
    "Das ist die eigentlich große Herausforderung für die Archive im Moment, dafür zu sorgen, dass wir, nur weil wir nur zu einem so geringen Bruchteil derzeit in der digitalen Welt schon vorhanden und verfügbar sind, dass wir immer mehr der analogen Teile dann auch in diese digitale Umgebung transferieren, um die Dinge dann benutzbar zu machen, denn sonst laufen wir ein Stück weit Gefahr, marginalisiert zu werden, weil eine junge Generation - ich habe selbst mittlerweile erwachsene Kinder - davon ausgeht, dass das, was wichtig ist, auch im Netz verfügbar ist."
    Hohe Kosten und viel Arbeit
    Das alles aber kostet viel Geld, die Digitalisierung von Akten ist mehr als nur das bloße Einscannen von Papier. Es erfordert viel Handarbeit und damit Personal. Die Novelle des Bundesarchivgesetzes diesen Herbst wird wohl noch einmal für einen kleinen Aufmerksamkeitsschub bei den Politikern sorgen, die auch für die Haushaltsposten zuständig sind.
    Je mehr die Menschen aber vergessen, welche zentrale Rolle Archive für die Wissensorganisation der Gesellschaft hatten und immer noch haben, und je mehr Menschen ihre Informationen nur noch über die populärste Suchmaschine im Internet beziehen, desto schwerer wird es für die Archive, Geld für das sachkundige und aktuelle Hüten von Wissen zu fordern. Wenn sie das nicht bekommen, werden sie tatsächlich zu den staubigen grauen Orten, die sie selbst nicht sein wollen.