Archiv


Archivieren und Restaurieren

Am 3. März dieses Jahres wurden mit dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs in Köln viele wichtige Dokumente verschüttet. Wie die Archivare und Restauratoren versuchen, die Schätze zu bergen, zu retten und zu sichern, schildert Ulrich Fischer, stellvertretende Direktor des Historischen Stadtarchivs.

Ulrich Fischer im Gespräch mit Maximilian Schönherr |
    Maximilian Schönherr: Stimmt das, nehmen Sie alles mit in die Zukunft?

    Ulrich Fischer: Wir entscheiden uns zumindest früher. Wenn wir uns einmal entschieden haben, Daten zu übernehmen, übernehmen wir diese Daten dauerhaft, dann behalten wir sie auch und geben sie nicht wieder her.

    Schönherr: Welche digitalen Daten haben Sie denn überhaupt?

    Fischer: Wir haben ganz verschiedene Daten. Das Wichtigste ist sicherlich die zentrale Überlieferung der Stadt Kölnischen Verwaltung, da hängen Verträge dran, das ist rechtlich bindend. Wir haben aber auch von Privatleuten Daten verschiedenster Art.

    Schönherr: Das heißt, die Leute kommen bei Ihnen vorbei und geben Ihnen 82 Disketten?

    Fischer: Das kann passieren, ist aber zum Glück noch nicht häufig passiert. Im Moment ist es zu, dass wir eher noch analoges Material übernehmen. Die Schwerpunkte unserer digitalen Sammlung liegen bei der Stadt Köln, also im Verwaltungsschriftgut.

    Schönherr: Die Bilder, die man vom eingestürzten Stadtarchiv sieht, zeigen meist Papier. Gab es da auch in digitale Daten, das heißt, gingen dort PCs und Festplatten unter?

    Fischer: Es sind einige digitale Daten verloren gegangen, allerdings ist die Menge verschwindend gering. Der Großteil dessen, was wir vor dem 3. März hatten, haben wir immer noch, denn wir speichern bei der Stadt Köln in einem hoch redundanten Speichersystem mit mehreren Standorten und das funktioniert weiter.

    Schönherr: Wie alt ist dieses System? Dahinter steckt schon die Frage, wie wird das in die Zukunft entwickelt?

    Fischer: Im Moment ist es so, dass wir ein System haben, was ein ganz neues Rückgrat erhalten hat, in Form einer Speichertechnik. Die ist seit etwa einem Jahr im Einsatz. Der Speichermanager, auf dem sozusagen alles aufsitzt, der die Daten verteilt, der die Daten auch in entsprechende Formate überführt, der ist im Grundsatz etwa fünf Jahre alt, wird allerdings ständig upgedatet und so a Jour gehalten.

    Schönherr: Und in 20 Jahren?

    Fischer: In 20 Jahren wissen wir auch nicht was passiert. Aber um uns fit für die Zukunft zu machen, müssen wir Daten im Formaten vorhalten, die nach Möglichkeit wenn nicht in 20 Jahren dann doch in 10 Jahren noch lesbar sind. Das heißt, offene Formate, Speichermedien, die möglichst lange erhalten, und das heißt vor allem auch, dass man nicht proprietäre Lösungen anstrebt.

    Schönherr: Und das heißt zum Beispiel PDFA?

    Fischer: Das heißt zum Beispiel PDFA oder XML oder TIFF im Bitmap-Bereich bei Bildern. Etwas schwieriger ist die Situation bei bewegten Bildern und bei Ton, da sind wir noch auf der Suche nach den richtigen Formaten, die uns wenigstens über das nächste Jahrzehnt Sicherheit geben.

    Schönherr: Wie ist denn der Austausch zwischen den Archiven? Sie sitzen zum Beispiel am Intranet des Archivs und Sie wollen etwas von der Deutschen Nationalbibliothek in Leizig. Wie kommt das zu Ihnen, gibt es da Schnittstellen?

    Fischer: Da sind wir alle zusammen leider noch auf einen weiten Weg. Es gibt Standards für Daten in den verschiedensten Formaten. Bundesweit wird gerade im Verwaltungsbereich sehr stark vereinheitlicht. Es gibt den so genannten XÖV-Standard, das sind XML-Metdatenkataloge für die verschiedensten Verwaltungsanwendungen. Es gibt Beschreibungsstandards verschiedenster Art, auch diese meistens XML-basiert, aber richtig komplett durchgesetzt hat sich in Deutschland noch keiner und europaweit haben wir auch verschiedene Standards. Wir müssen also zwischendurch mappen, um uns gegenseitig verstehen zu können.

    Schönherr: Mappen heißt quasi auch übertragen, umsetzen, um Daten wieder kompatibel zu machen?

    Fischer: Genau.

    Schönherr: Haben Sie auch alte Daten-Magnetbänder?

    Fischer: Vor allem im analogen Bereich. Tonbänder verschiedenster Art haben wir gehabt, vieles davon ist in Mitleidenschaft gezogen worden im Zuge des Unglücks. Wir hätten uns gewünscht, dass wir da auch schon früher hätten anfangen können, große Mengen zu digitalisieren. Allerdings war das historische Archiv der Stadt Köln gerade erst auf dem Weg in das digitale Zeitalter. Und Pläne gab es schon viele, zur Ausführung ist allerdings zum Beispiel in diesem Bereich noch sehr wenig gekommen, leider.

    Schönherr: Die Software, mit der man jetzt die kaputten Daten, also die Fundstücke aus dem Archiv, birgt, gibt es die bereits und arbeitet die mit den bestehenden Systemen zusammen?

    Fischer: Die ist tatsächlich schon entwickelt. Die haben wir innerhalb von vier Wochen nach dem Einsturz in der ersten Version in Betrieb gehabt. Diese Software wird uns helfen, vor allem unsere Findmittel, also das, was wir an Katalogen haben über unsere ganzen Bestände, aktuell zu halten und um einfach ab zu gleichen, was haben wir wiedergefunden und was fehlt uns noch. Und wir hoffen natürlich, dass am Ende bei möglichst vielen Stücken sagen können, es ist nicht verloren am 3. März.