"Ich habe mir ja gesagt: Da wirft man dein Leben weg. Wenn man Bücher wegwirft, dann weiß man ja, was daraus werden kann. Und nun sammle ich alle Bücher ab dem 8.Mai bis zu Schabowskis einzigem vernünftigen Ausdruck seines Lebens: "Die Mauer ist weg". Alles, was in der DDR erschienen ist, oder über oder unter dem Ladentisch verkauft wurde, was gedruckt wurde."
Das Leseland DDR besaß unendlich viele Bibliotheken, 2000 allein in Sachsen, - heute sind es dort kaum noch die Hälfte. Bereits als Theaterdirektor in Halle hat Sodann mit dem Sammeln der DDR-Bücher begonnen. Doch bald musste er mit ihnen „sein“ Neues Theater verlassen:
"Und dann kam das Jahr 2005, - die Stadt war mit mir nicht mehr zufrieden, hat meinen Vertrag nicht verlängert. Da fand eine kleine Ungerechtigkeit statt, die die Stadt wahrscheinlich bereut hat. Jedenfalls, nachdem man mich entlassen hatte, machte man mich zum Ehrenbürger der Stadt. Das ist ein Witz."
Zwar sitzt die empfundene Ungerechtigkeit tief, doch der so unbequeme wie zielstrebig eigensinnige Peter Sodann verfolgte sein Ziel einer DDR-Bibliothek konsequent weiter. Über Merseburg, wo er nach einem Bürgermeister-Wechsel seine Bücher nicht lassen durfte, fand er nach Staucha. Wo der Ort mit eigenen und Fördermitteln die beiden Hallen herrichtete.
Wenn Sodann den Besucher durch sein Bücherreich mit den unendlichen Regalen führt, ist man mehr als beeindruckt. Nicht nur von seinem Elan, sondern auch von den Dimensionen des Projektes. Der Bücherspenden-Aufruf hat ein nicht endendes Echo gefunden. Mehr als zweihunderttausend Bücher sind bisher katalogisiert und stehen geordnet in Regalen, - dabei werden von Büchern, die mehrere Auflagen erlebten, alle Auflagen gesammelt, - haben diese doch oftmals, je nach kulturpolitischer Entwicklung, ganz unterschiedliche Vor- oder Nachworte. Was in der DDR zwischen Buchrücken gelangte, findet man hier: DDR-Literatur, klassische und westliche Literatur, aber auch politische Propaganda-Schriften.
Noch mehr als zwei Millionen Bücher lagen in Kisten, und das Antiquariat, in dem mehrfach vorhandene sowie nicht in der DDR erschienene Bücher verkauft werden, funktioniert vor allem im Internet gut.
Doch nur Büchersammeln reicht Peter Sodann nicht:
"Ich habe eine Bibliothek gegründet, und zu einer Bibliothek gehört erst einmal, denke ich, zumindest ein Lesetheater. Damit die Leute mit einem Buch, was sie nicht kennen, bekannt gemacht werden."
Die zweihundert Stühle vor einem Podest in ungeheiztem Halleneck sind bei den Veranstaltungen ausgebucht, erklärt Sodann dem verdutzten Besucher, schließlich gebe es im Umkreis von 120 Kilometern gleich fünf Universitäten, in Freiberg, Chemnitz, Halle, Leipzig und Dresden.
"Da gibt es erst mal ein Hörspiel "Es ist nicht aller Tage Abend", das ist eine Begegnung zwischen Kennedy und Chruschtschow, die sich über ihre Sünden und ihre guten Taten unterhalten. Dann "Albert Speer" von Esther Vilar, wo Erich Honecker auf den Gedanken kommt, Speer zu engagieren, damit er die Wirtschaft rettet. Dann habe ich mit meinem Sohn eine Lesung gemacht, über Mozartbriefe, und das gefällt den Leuten sehr."
Das gesamte Projekt gefällt den Leuten, denn sie schicken oder bestellen nicht nur ihre Bücher, sondern kommen auch einfach mal zu Besuch ins DDR-Bücherreich. Zwar gibt es in Staucha weder ein Hotel noch ein Kaffee, aber der 77-jährige Peter Sodann hat da schon wieder so seine Pläne.