Niels Eckstein staunte nicht schlecht, als er eines Tages ein Päckchen geliefert bekam mit der Aufschrift "prescription medicine", also verschreibungspflichtiges Medikament. Damit hatte er nicht gerechnet. Denn: Er und seine Studierenden haben untersucht: Lassen sich auch auf dem zollfreien EU-Binnenmarkt illegal verschreibungspflichtige Dopingmittel beschaffe - ohne Rezept und über das Internet? Projektleiter Niels Eckstein.
"Wir sind ja zunächst einmal von der Annahme ausgegangen, es sind Betrugs-Homepages. Also Seiten, die auf Überweisung warten, von denen Sie nie wieder was hören. In den absolut meisten Fällen haben wir Substanzen in einem relativ kurzen Zeitfenster zugeschickt bekommen."
Drei Substanzen von unterschiedlichen Websites
Die Substanzen stammen von dutzenden Websites. Dort haben die Forscher mehrfach drei verschiedene Dopingmittel bestellt: Testosteron zum Muskelaufbau, Amfepramon für den Gewichtsverlust, dazu verschreibungspflichtige Schmerztabletten. Niels Eckstein schildert den Bestellprozess:
"Sie bestellen, werden dann in so einer Art Chat, Fenster, die sich öffnen mit einem Arzt verbunden. Sie können nicht nachvollziehen ob das ein Arzt ist, also sie sehen keine Approbation oder so etwas."
Ärztliche Zulassung nicht nachgewiesen
Somit kein Nachweis einer ärztlichen Zulassung. Im Chat stellt sich der vermeintliche Online-Arzt vor. Fragt nach dem gesundheitlichen Zustand - und stellt dann ein elektronisches Rezept aus. Das wird an eine Apotheke im EU-Ausland weitergeleitet. Ohne, dass es der Besteller zu Gesicht bekommt.
"Und die Frage ist einfach, existiert dieses E-Rezept überhaupt? Beziehungsweise welche Hürden errichtet dieser Arzt der am anderen Ende der Leitung sitzt und wie qualitätsgesichert erfolgt die Diagnosestellung und Versendung beispielsweise."
Verschreibungen, die "normaler Arzt" nicht ausstellen würde
In einer Bestellung haben sie ihr Projekt sogar auf die Spitze getrieben:
"Wir haben Bluthochdruck angegeben und eine eindeutig Blutdrucksteigernde Substanz zugeschickt bekommen. Da würde ein normaler Arzt sagen: Das ist eine absolute Kontraindikation. Das würde ich so nicht verschreiben."
Da kann also etwas nicht stimmen. In Deutschland bekommt man ein Rezept erst, wenn man persönlich mit einem Arzt Kontakt hatte, so die Vorschrift. Das Original-Rezept muss dann bei der Apotheke vorliegen. Die Forscher wollten wissen: Haben sie echte Dopingmittel bekommen?
"Das haben wir analytisch bei uns in den Laboren untersucht und doch sehr erstaunt festgestellt, ja, das sind Originalpräparate, qualitätsgesichert hergestellte Präparate."
Dopingmittel aus Apotheken in Dänemark und Großbritannien
Also echte Dopingmittel. Zugeschickt aus Apotheken in Dänemark und Großbritannien. Zum Teil weit teurer als in Deutschland. Aber für Konsumenten offenbar attraktiv. Denn: Am deutschen Recht vorbei. Die Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, Dagmar Freitag, kritisiert diesen Handel:
"Wir müssen zumindest damit rechnen, dass unkontrollierter Gebrauch von solchen Substanzen zu Gesundheitsschäden führt und spätestens dann kommt auch die Allgemeinheit ins Spiel, denn dann müssen hinterher die gesetzlichen Krankenkassen in der Regel die Folgeschäden bezahlen."
Im politischen Berlin wird ein Verbot des Versandhandels verschreibungspflichtiger Medikamente ohnehin diskutiert. Die Forscher aus Pirmasens haben derweil die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.