Archiv

ARD-Recherchen über Versuche an DDR-Amateuren
"Randnotizen in Akten nicht wahrgenommen"

30 Jahre nach der Wiedervereinigung hat die ARD-Dopingredaktion medizinische Versuche an DDR-Freizeitsportlern aufgedeckt. Lange Zeit habe ihr Schicksal bei der Doping-Aufarbeit keine Rolle gespielt, so Journalist Hajo Seppelt. Jetzt gehe es auch um ihre Rehabilitierung.

Hajo Seppelt im Gespräch mit Raphael Späth |
Beteiligt am DDR-Dopingsystem war auch das Forschungsinstitut für Körperkultur in Leipzig, hier ein nachgestelltes Bahndlungszimmer
Beteiligt am DDR-Dopingsystem war auch das Forschungsinstitut für Körperkultur in Leipzig, hier ein nachgestelltes Behandlungszimmer. (imago Sportfoto)
Nicht nur Spitzensportler, sondern auch Freizeitsportler waren Teil des DDR-Staatsdopingsystems. Am Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport in Leipzig, kurz FKS, wurden Versuche an Läufern und anderen Freizeitsportlern unternommen, um für die Profis zu forschen. Das hat die ARD-Dopingredaktion 30 Jahre nach der Wiedervereinigung aufgedeckt.
Über die Risiken und Nebenwirkungen seien die Amateure nicht informiert worden "und vor allem sollten sie darüber schweigen", sagt Hajo Seppelt, Leiter der ARD-Dopingredaktion. Es habe schmerzhafte Biopsien, also Gewebeentnahmen, und pharmakologische Tests mit beispielsweise anabolen Steroiden gegeben. Auch Kinder sollen betroffen gewesen sein.
Ein DDR -Trainingsanzug ist 2010 in der Ausstellung "Wir gegen uns" im Bonner Haus der Geschichte zu sehen
Doping im DDR-Sport - Menschliche Versuchskaninchen
Seit Jahrzehnten ist bekannt, wie Leistungssportler der DDR mit unerlaubten Methoden behandelt wurden, um Medaillen zu gewinnen. Die ARD-Dopingredaktion hat mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung aufgedeckt: Für Erfolge der Stars des DDR-Sports mussten Freizeitsportler die Knochen hinhalten.
Für Anne Drescher, Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, sind die Recherchen Neuland – obwohl die Vorgänge genauestens dokumentiert worden sind. "Wir waren so auf den Hochleistungssport fokussiert, dass wir solche – wenn man so möchte – Randnotizen in den Akten gar nicht wahrgenommen haben", kritisiert Journalist Seppelt auch die Arbeit seiner eigenen Branche. Es habe schon vor 20 Jahren Hinweise gegeben.
Freizeitsportler haben bislang keinen Anspruch auf Rehabilitierung. "Insofern stellt sich jetzt die Frage, ob der deutsche Sport und auch die Politik dieses Thema doch noch mal auf die Tagesordnung nehmen und sich fragen, ob da ein Kapitel bisher überhaupt nicht aufgearbeitet worden ist", so Seppelt. Der Druck werde jetzt sicher größer werden – nach Ausstrahlung der Dokumentation seien weitere Freizeitsportler auf Seppelt und seine Redaktion zugekommen.