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"Kompetenzcenter" und "Inhalte-Pool"
So will sich die ARD reformieren

Die von der ARD beschlossenen Reformen seien ein „Paradigmenwechsel“, sagte ARD-Chef Kai Gniffke im Dlf. Der Senderverbund werde künftig regionaler und wirtschaftlicher arbeiten. Experten gehen die Pläne aber zum Teil immer noch nicht weit genug.

Text: Michael Borgers | Kai Gniffke im Gespräch mit Sebastian Wellendorf |
ARD Sitzung Stuttgart Juni 2023, v.l. Dr. Hans-Martin Schmidt (BR, Leiter Abt. Koordination ARD, Medienpolitik), Helfried Spitra (WDR, Leiter HA Intendanz), Tom Buhrow (WDR, Intendant), Jan Bttner (SWR, Verwaltungsdirektor, Vorsitzender der Finanzkommission), Thomas Dauser (SWR, Direktor Innovationsmanagement und Digitale Transformation), Michael Eberhard (SWR, Direktor Technik und Produktion, Vorsitzender der Produktions- und Technikkommission), Franziska Roth (SWR, Leiterin der Intendanz), Prof. Dr. Kai Gniffke (SWR, Intendant und ARD-Vorsitzender), Clemens Bratzler ( SWR, Programmdirektor Information, Sport, Fiktion, Service und Unterhaltung, Vorsitzender der Gemeinsamen Programmkonferenz), Anke Mai (SWR, Programmdirektorin Kultur, Wissen, Junge Formate, Vorsitzende der Audioprogrammkonferenz), Dr. Alexandra Kth (SWR, Juristische Direktorinnen sowie Vorsitzende der Juristischen Kommission), Dr. Frauke Pieper (SWR, Juristische Direktorinnen sowie Vorsitzende der Juristischen Kommission), Philipp Kosak (ARD-Programmdirektion, Referent).© SWR/Patricia Neligan, honorarfrei - Verwendung gem§ der AGB im Rahmen einer engen, unternehmensbezogenen Berichterstattung im SWR-Zusammenhang bei Nennung "Bild: SWR/Patricia Neligan" (S2+), SWR Presse/Bildkommunikation, Baden-Baden, Tel: 07221/929-26868, foto@swr.de
"Wir formen die ARD der Zukunft" - das erklärten die Sender-Chefinnen und -Chefs nach ihrem treffen (SWR / Patricia Neligan)
„Jetzt wird es konkret", heißt es in einer Pressemitteilung nach der ARD-Intendantenkonferenz. Aufgezählt werden dann drei große Punkte, die das unterstreichen sollen. Man werde zum einen ein „Kompetenzcenter“ schaffen, um bei verschiedenen Themenfeldern „die Ressourcen zu fokussieren“: Klima, Verbraucher, Gesundheit und Hörspiel stehen bereits fest, weitere Themen sind laut ARD geplant. Angekündigt wird zudem eine „digitale Erneuerung“. Ziel hier sei es, „im Sinne der Generationengerechtigkeit, vor allem jüngere Menschen, die lineare Verbreitungswege wenig oder gar nicht nutzen, mit den vielfältigen Inhalten der ARD zu erreichen“.
Und dann sollen "noch mehr gemeinsame Programmangebote" geschaffen werden. Die im Hörfunk schon heute geübte Praxis einer intensiven Kooperation werde etwa mit einem neuen Inhalte-Pool bei den Kultur- und Infowellen noch ausgeweitet. Und in den dritten TV-Programmen gebe es nun auch „definierte inhaltliche Kooperationen und Pool-Lösungen“, heißt es weiter.
Kompetenzen zu bestimmten Themen sollen zentral gebündelt werden. Statt auf Fachredaktionen in jeder ARD-Anstalt soll auf Beiträge in einem gemeinsamen Pool zurückgegriffen werden. Welche Anstalten wie an den Kompetenzzentren beteiligt sein werden, will die ARD noch in diesem Jahr bekannt geben. Ab 2024 sollen die Kompentenzzentren starten

ARD-Vorsitzender Gniffke: Kräfte bündeln

Vieles von den Plänen trägt die Handschrift des turnusmäßig aktuellen ARD-Vorsitzenden Kai Gniffke. Als SWR-Intendant hatte er im Zusammenhang mit dem Streit um die Nachrichten-App seines Senders Newszone immer wieder betont, wie wichtig es sei, auch jüngere Menschen zu erreichen.
Mit den „Kompetenzzentren“ könne die ARD besser seine Kräfte einteilen, sagte Gniffke im Deutschlandfunk. Nicht jedes Haus müsse beispielsweise für das Thema Klima eine Fachredaktion aufbauen. Besser sei ein Team, das die Recherche bündele.

Gehälterfrage kein Thema auf ARD-Treffen

Über die Gehälter von Indentantinnen und Intendanten der ARD sei nicht diskutiert worden, sagte Gniffke bei einer Pressekonferenz nach dem Treffen. Im Deutschlandfunk fügte er hinzu, jedes Haus müsse diese Frage für sich entscheiden.
Beim SWR habe etwa die Geschäftsleitung entschieden, auf den Inflationsausgleich in diesem Jahr zu verzichten. Darüber hinaus werde man sich an gesetzliche Vorgaben halten.
Beim RBB könnte die neue Intendantin Ulrike Demmer weniger als ihre Vorgängerinnen verdienen, Hessischer Rundfunk, Radio Bremen und Bayrischer Rundfunk erklärten, teilweise auf Gehaltserhöhungen verzichten zu wollen.
Insgesamt habe man bei dem ARD-Treffen Beschlüsse gefasst, "die nicht mehr und nicht weniger sind als ein Paradigmenwechsel in der ARD", meint Kai Gniffke.

Initiative "Unsere Medien": Sparprogramm, keine Reform

"Was hier als Reform verkauft wird, ist ja eigentlich ein Sparprogramm und zwar an der falschen Stelle“, kritisiert dagegen Olaf Steenfadt, der sich mit der Initiative „Unsere Medien“ für einen transparenteren und zukunftsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk einsetzt.
Gespart werde ausgerechnet im Informationssektor und in der Regionalität, so Steenfadts Lesart der ARD-Pläne. Dabei fließe der Großteil der Rundfunkbeiträge in den Unterhaltungssektor, in Sportrechte und eine „unendliche Flut an Krimis“, erklärt Steenfadt gegenüber dem Deutschlandfunk. „Da könnte massiv gespart werden, während die regionalen Informationsprogramme der ARD eher mehr Budget bräuchten und nicht weniger.“
Einen Programmaustausch gebe es schon lange in Hörfunk und auch bei TV-Magazinen. „Natürlich kann man das noch optimieren, aber das ist sicher kein großer Wurf, der den Namen Reform verdient“, findet der Medienjournalist. „Letztendlich zentralisiert die ARD so auf der nationalen Ebene, wo es ja schon das ZDF gibt.“
SWR-Intendant Gniffke widersprach dieser Kritik im Dlf-Interview. Künftig gebe es "noch mehr journalistische Qualität und regionale Verankerung". Es gebe viele Inhalte, die keine regionale Verankerung bräuchten. Außerdem werde man Regionalität in der Mediathek "so gut abbilden wie niemals zuvor". Zuvor hatte ARD-Programmdirektorin Christine Strobl erklärt, es gebe eine neue Funktion innerhalb der ARD-Mediathek, ein sogenanntes Regionalitäts-Widget.

Neuberger (FU Berlin): Im Fokus sollten Themen stehen

Aufgaben innerhalb der ARD zu zentralisieren, sei zwar aus Kostengründen unvermeidlich, meint Christoph Neuberger, Professor an der Freien Universität Berlin, wo er unter anderem zur Digitalen Transformation des Mediensystems forscht. „Vielfalt muss aber dort erhalten und ausgebaut werden, wo sie aus guten Gründen notwendig ist“, fordert der Kommunikationswissenschaftler gegenüber dem Deutschlandfunk. Und das sei besonders im Regionalen und bei der Ansprache aller Gruppen der Bevölkerung.

Zum Reformprozess der Öffentlich-Rechtlichen:

In der Idee eines Kompetenzcenters sieht Neuberger „eine Chance, bei überregionalen Themen besser zu werden“. Hier müssten neben der täglichen Nachrichtenversorgung dann aber auch die großen Herausforderungen und Fragen der Gegenwartsgesellschaft verhandelt werden. „Im Fokus sollten also Themen stehen“, betont der Neuberger.
Wichtig sei außerdem, die Arbeitskultur zu verändern, ergänzt der Wissenschaftler. Und wichtige Punkte hierbei seien „Kooperation statt Anstalts-Egoismen, enger Austausch der Redaktionen mit ihrer Community, Experimentierräume für digitale und crossmediale Formate“.