Das ist der Klang einer Granatensalve, den die Besucher des Kriegsmuseums in Bastogne zu hören bekommen. Vor ihnen sind Attrappen aufgestellt, die eine raue Waldlandschaft abbilden, so wie sie in den Ardennen üblich ist: grau, dunkel, neblig, verschneit, so wie auch damals im Winter 1944. Es knallt und kracht, zudem hört man die Erinnerungen von vier fiktiven Protagonisten, die die Ardennenoffensive erlebt haben. Die Geschichte endet mit dem deutschen Rückzug. Der deutsche Leutnant Hans Wegmüller nimmt Abschied vom Amerikaner Bob Keane, der ihn zuvor gefangen genommen hatte und ihn nun entlässt:
"Bob, weiter viel Glück."
"Auf Wiedersehen, Hans, pass‘ auf dich auf!"
"Auf Wiedersehen, Hans, pass‘ auf dich auf!"
Geschichte lebendig machen
Es geht dem Museum darum, eine Geschichte lebendig zu machen, die bereits 75 Jahre her ist: Am 16. Dezember 1944 marschierten die Deutschen im Abschnitt zwischen dem Hohen Venn in der Eifel und dem Norden von Luxemburg Richtung Westen. Die Wehrmacht wollte nach Antwerpen vorstoßen, um die Nachschublinien der Alliierten zu unterbrechen, die britischen und US-amerikanischen Streitkräfte zu spalten und ihre in den südlichen Niederlanden stehenden Verbände zu vernichten. Hitler dachte, er könne die Alliierten so zu Verhandlungen zwingen. Die Aufforderung zur Kapitulation lehnte der US-General Anthony McAuliffe mit dem berühmten Spruch ab: "Nuts"- ihr seid wohl verrückt geworden.
Die Operation kam an der Maas zum Erliegen, der Wehrmacht ging der Sprit aus. Im Januar 1945 gelang es den US-Amerikanern, die Deutschen wieder zurückdrängen. Die Bilanz der Ardennenoffensive: Insgesamt knapp 170.000 Tote, Vermisste, Verwundete und Gefangene.
Erinnerung an den Schrecken
Nach der Ardennenoffensive bleibt Briten, Amerikanern und Belgiern vor allem die Erinnerung an den Schrecken, erklärt der Geschäftsführer des Kriegs-Museums, Mathieu Billa:
"Für die Bevölkerung hier ist es vor allem eine riesige Überraschung, ebenso für die Alliierten, man glaubt nicht, dass die Deutschen noch wenige Tage vor Weihnachten angreifen. Die Kämpfe sind sehr schwierig, die Bevölkerung leidet. Das bleibt im Gedächtnis, und für die Belgier ist es auch die Erinnerung an einen mythischen Kampf."
Neuer Impuls durch die Gedenkfeierlichkeiten
Mit den Jahren wird es allerdings schwieriger, diese mythische Erinnerung lebendig zu halten. Das Museum in Bastogne versucht es mit Audio-Guides, Multimedia-Installationen, Filmen, und persönlichen Erlebnisberichten. Verstand und Emotion sollen gleichermaßen angesprochen werden. Ein neuer Impuls für die Erinnerungskultur dürfte auch von den Gedenkfeierlichkeiten heute ausgehen, zu denen die belgische Regierung nach Bastogne eingeladen hat. Staats- und Regierungschefs, Veteranen und das belgische Königspaar. Die Gästeliste macht deutlich, den Belgiern ist das Ereignis wichtig.
Museumsgeschäftsführer Mathieu Billa weiß, welche Aspekte der Erinnerung aus belgischer Sicht besonders wichtig sein werden:
"Auf nationaler Ebene wird gewöhnlich an alle Formen des Widerstandes erinnert, aber auch an die Kollaboration mit den Nazis. Es geht um das Leiden der Bevölkerung, wie Lebensmittel rationiert wurden. Und speziell in Bastogne - auch wenn es während der Schlacht kein strategisch wichtiger Ort war - so erinnert man doch daran: Hier war die letzte Offensive der Deutschen, und hier wurde sie gestoppt."
Bombardements an beiden Weihnachtsfeiertagen
Gut 50 Kilometer nördlich von Bastogne, befindet sich hingegen ein Ort, den die Alliierten im Verlauf der Ardennenoffensive als strategisch wichtig ansahen. St. Vith, der Straßenknotenpunkt entlang der Bahnstrecke Aachen-Luxemburg sollte den Deutschen wieder entrissen werden. Bombardements an den beiden Weihnachtsfeiertagen legten die Stadt fast vollständig in Schutt und Asche, was sich nachhaltig in die Erinnerung der deutschsprachigen Bewohner einbrannte.
"Zunächst mal war man erschüttert, man hat es nicht fassen können. Also nach dem Krieg ein böses Erwachen in vielerlei Hinsicht. Einmal die Stadt ist zerstört. Die Bewohner werden hier als Kollaborateure und Gegner Belgiens angesehen und ins Gefängnis gesteckt." Erinnert Klaus-Dieter Klauser vom örtlichen Geschichts- und Museums-Verein. Wer auf der Seite der Nazis war, verschwand entweder aus der Stadt oder hielt sich bedeckt, der Fokus der Bewohner lag jetzt vor allem auf dem Wiederaufbau. Und die St. Vither mussten sich umorientieren.
"Wir sind ja im Grunde in einer schizophrenen Situation. Wir haben als Deutsche den Krieg mitgemacht. Ein lustiger Bauer hier aus der Gegend hat erzählt, er versteht das nicht, weil sie hätten den Krieg verloren, aber sie hätten Belgien jetzt gewonnen. Wie das zu verstehen wäre? Man ist als Verlierer aus dem Krieg zurück und findet sich dann bei den Gewinnern. Aber die Leute haben das so nicht empfunden. Die haben zunächst die Zerstörung gesehen und die Toten, die es gab. Ein Siegesgefühl, oder ein Gefühl, wir sind jetzt bei den Richtigen, hat sich so nicht eingestellt."
"Wir müssen uns nicht vor dieser Geschichte schämen"
Jahrzehntelang wurde der Mantel des Schweigens über die Ereignisse gelegt. Erst die Enkelgeneration habe wissen wollen, was genau geschehen war, schildert Klaus Dieter-Klauser. Etliche Jahre habe es gedauert, bis die deutschsprachige Gemeinde ihre Rolle im 2. Weltkrieg offen diskutieren konnte.
"Natürlich gehört es zu unserer Geschichte zu sagen, wir hatten auch hier Anhänger der Nazis, nicht alle Deutschen waren nationalsozialistisch eingestellt, aber manche schon. Heute kann man es sagen, muss man es sogar sagen. Es geht gar nicht darum zu verurteilen, es geht darum zu verstehen, was ist damals passiert. Und wie kann es dazu kommen, dass man einem Verführer wie Hitler auf den Leim geht? Sind wir heute davor gefeit? Natürlich nicht! Je nachdem, wer heute was verspricht und je nachdem welche wirtschaftliche Situation herrscht, dann wird er seine Anhänger finden. Also wir müssen uns nicht vor dieser Geschichte schämen oder sie verschweigen. Im Gegenteil, sie soll erzählt werden, damit man vielleicht was draus lernt."