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Argentinien
Erste Bilanz der Regierung Macri fällt bescheiden aus

Der argentinische Präsident Mauricio Macri ist seit Dezember 2015 im Amt. Bereits im Wahlkampf hatte er angekündigt, die staatlichen Subventionen des Energieverbrauchs abzubauen, vor vier Monaten beschloss die Regierung einen kräftigen Anstieg der Gaspreise. Die Folge waren Proteste gegen Macri, dessen Beliebtheit stark gesunken ist.

Von Victoria Eglau |
    Mauricio Macri
    Präsident Mauricio Macri wollte eigentlich die Inflation verringern, das gelang ihm bisher nicht. (picture alliance / dpa / David Fernandez)
    Plaza de Mayo, der Platz vor dem Regierungsgebäude in Buenos Aires. Dies ist der Ort in der argentinischen Hauptstadt, an dem traditionell politische Kundgebungen und soziale Proteste stattfinden. Zurzeit wird hier häufig demonstriert. An diesem Vormittag sind es Lehrer und andere Staatsangestellte, die eine bessere Bezahlung fordern. Maria arbeitet als Hilfskraft an einer Schule:
    "Es ist das erste Mal, dass ich auf die Straße gehe. Mein Lohn reicht wirklich nicht aus. Bei den Tarifverhandlungen wurde eine Erhöhung von 15 Prozent vereinbart, aber seitdem haben unsere Gehälter ständig an Kaufkraft verloren. Das liegt an der Peso-Entwertung, der Inflation ... Und die gestiegenen Kosten für Strom, Gas und Wasser – die schlucken heute unseren ganzen Lohn!"
    Auch Marias Kollegin Elsa demonstriert zum ersten Mal in ihrem Leben. Umgerechnet 240 Euro verdienen die beiden Frauen netto. Ein Viertel davon, 60 Euro, betrug die letzte Gasrechnung, die Elsa ins Haus flatterte. Gerade Geringverdiener, aber auch viele Angehörige der Mittelklasse sowie kleine und mittelständische Betriebe ächzten in den vergangenen Monaten unter den kräftigen Erhöhungen der Tarife für den Energieverbrauch. Der Tarifazo, wie die Argentinier den massiven Anstieg nennen, hat Präsident Mauricio Macri die erste handfeste Krise beschert. Am Donnerstag erreichte sie ihren vorläufigen Höhepunkt: Das Oberste Gericht stoppte die Gaspreis-Erhöhung für Privathaushalte. Die Regierung ist nun gezwungen, bis auf Weiteres zu den alten Tarifen zurückzukehren. Und sie muss öffentliche Anhörungen zur beabsichtigten Preisanhebung abhalten – was sie bisher versäumt hatte. Der Politologe Rosendo Fraga erklärt:
    Um neue Investitionen wirbt Macri hartnäckig – mit wenig Erfolg
    "Der Fehler der Regierung war nicht nur die Erhöhung der Tarife ohne vorherige öffentliche Anhörungen, sondern auch das Timing. Die Anhebung der Energiepreise auf das Vier- bis Fünffache ausgerechnet im argentinischen Winter bedeutete, dass die Leute de facto zehn oder 20 Mal mehr bezahlen mussten!"
    Mit den höheren Tarifen hatte Macris Regierung der Energiekrise begegnen wollen, womit im Prinzip viele Argentinier einverstanden sind. Im vergangenen Jahrzehnt waren Strom, Wasser und Gas für die Verbraucher spottbillig. Die Kirchner-Regierungen hatten die Preise durch Subventionen künstlich niedrig gehalten. Aber die Unternehmen investierten kaum in die Energie-Erzeugung. Eine der Folgen: häufige Stromausfälle. Energieminister Juan José Aranguren:
    "Unser Ziel bleibt, dass Argentinien ausreichend Energie produziert. Wir müssen erreichen, dass Energie nicht importiert, sondern in unserem Land erzeugt wird. Und wir brauchen eine bessere Versorgung der Haushalte und Industrie mit Strom und Gas. Nur so kann Argentinien attraktiv für Investoren werden."
    Um neue Investitionen wirbt Präsident Macri hartnäckig – doch bisher mit wenig Erfolg. Die kränkelnde Wirtschaft, die ihm Vorgängerin Cristina Kirchner hinterlassen hat, ist weiter geschrumpft. Die Argentinier konsumieren weniger – wegen des Tarifazo und wegen der Inflation, die Macri eigentlich verringern wollte, die aber bis Jahresende die 40-Prozent–Grenze überschreiten wird. All dies hat die soziale Lage im Land verschärft. Von seinem Wahlkampf-Versprechen "Mehr Jobs, null Armut" ist Macri weit entfernt. Es gab Entlassungen und die Armutsrate liegt bei mehr als 30 Prozent – höher als am Ende der Ära Kirchner. Agustín Salvia, Sozialforscher der Katholischen Universität in Buenos Aires:
    Argentinien der zwei Geschwindigkeiten
    "Die Korrekturen in der Wirtschaftspolitik, vor allem die Währungsabwertung, haben zu mehr Armut geführt. Aber diese Regierung hat die Krise nicht verursacht, sondern geerbt. Sie versucht, die Folgen der Anpassungs-Maßnahmen abzumildern, etwa durch ermäßigte Bus- und Bahn-Tickets für die Armen und durch Sozialhilfe, aber das sind alles nur Pflästerchen."
    Und diese änderten nichts an der strukturellen Ungleichheit, sagt Salvia – am Argentinien der zwei Geschwindigkeiten:
    "Da ist das dynamische Argentinien, das Kapital anhäuft und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze bietet. Und da ist das Argentinien der prekären Jobs, der wirtschaftlichen Ausgrenzung, in der die Armut verwaltet wird und viele keine Chance auf sozialen Aufstieg haben."
    Ob der Wirtschaftsliberale Macri an dieser Situation etwas ändern kann und will, bleibt abzuwarten. Fürs Erste muss er einen Popularitätsverlust hinnehmen. Das Hin und Her des Tarifazo, Inflation und Rezession ließen seine Beliebtheit einer aktuellen Umfrage zufolge auf 46 Prozent sinken. Aber noch traue eine Mehrheit dem Präsidenten zu, die Schwierigkeiten zu überwinden, meint der Meinungsforscher Jorge Giacobbe.
    "Die meisten Argentinier geben der alten Regierung die Schuld für die derzeitigen Probleme. Allerdings ändert sich das langsam. Je mehr Zeit verstreicht, desto mehr werden die Leute Macris Regierung verantwortlich machen."
    Maria, die auf der Plaza de Mayo protestiert, tut das jetzt schon.
    "Die Leute demonstrieren nicht, wenn es ihnen gut geht - sondern wenn sie wirklich schlecht dran sind."