Derzeit sollte in Argentinien Winter sein, aber davon ist in Buenos Aires wenig zu spüren. Blauer Himmel, Sonne, die Temperaturen sind ungewöhnlich mild für August. Und die Aufregung darüber, dass Argentinien gerade mal wieder mit einer Staatspleite flirtet, hält sich in Grenzen - schließlich geht es mit der Wirtschaft des Landes bereits seit einigen Jahren bergab. Die Inflation galoppiert mal wieder, das Wachstum stagniert.
"Wir erleben hier so viele Hoch und Tiefs. Ich bin 70 Jahre alt und habe hier in Argentinien schon alles miterlebt."
"Das ist eine komplizierte Situation. Ich glaube, da kommt noch einiges auf uns zu. Die Regierung kann da sagen, was sie will. Aber das geht den Bach runter. Das geht nicht gut aus."
Wenige Meter weiter sitzt ein junger Mann bei Milchkaffee und Butterhörnchen im Straßencafé - und sieht die Dinge etwas anders. Er ist stolz auf die Haltung seiner Regierung im Schuldenstreit mit den Hedgefonds:
"Ich finde, unsere Regierung verhält sich in der aktuellen Situation richtig. Diese Geierfonds, die spekulieren einfach gegen ein Land und üben enormen Druck aus. Dass wir da nicht nachgeben, ist glaube ich positiv für unser Land."
Nachbarländer bleiben zunächst gelassen
Zwar ist Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner längst nicht mehr so populär wie vor einigen Jahren - doch die Gegenseite ist es noch weniger. Für Kritik sorgt vor allem die Rolle des US-Bundesrichter Thomas Griesa, der entschied: Argentinien müsse den Hedgefonds zuerst 1, 3 Milliarden Dollar zahlen, bevor es seine anderen Gläubiger weiter bedienen kann. Wieso hat ein 83-jähriger, eigentlich schon pensionierter Greis die Macht, einen souveränen Staat so in die Enge zu treiben, sagt sich dieser Mann:
"Ich denke, die Vereinigten Staaten mischen sich in eine Sache ein, die sie nichts angeht. Eigentlich müssten sie Argentinien unterstützen. Es ist ja ein weltweites Problem. Wenn Argentinien ins Schlingern gerät, wird das andere Länder mit reinziehen."
Wenn sich Argentinien erkältet, blicken zum Beispiel die Uruguayer bange über den Rio de la Plata. Die Wirtschaftskrise 2001 im Nachbarland hatte Uruguay damals wie im Strudel mitgerissen. Hunderte von Firmen gingen Pleite, die Armut verdoppelte sich. 13 Jahre später stufen die Ratingagenturen Argentinien erneut als Pleiteland ein, doch Wirtschaftsexperten wie Alfonso Capurro bleiben vorerst gelassen:
"Das uruguayische Bankensystem ist gesund, hat genügend Eigenkapital, der Risikoaufschlag ist viel geringer als in Argentinien. Nur ein Prozent der Kredite sind an das Ausland vergeben, also hier ist die Gefahr sich anzustecken, sehr gering. Fakt ist: Unsere Wirtschaft ist von Argentinien bei weitem nicht mehr so abhängig, wie noch vor Jahren."
Ähnlich ist die Situation in Paraguay. Auch hier hätten sich die Exporteure und Investoren nach den Erfahrungen von 2001 von Argentinien emanzipiert, sagt der Analyst Manuel Ferreira:
"Argentinien hat als Finanzplatz erdrutschartig an Wert verloren. Und Paraguay hat sich woanders hin orientiert, nach Europa, in den Nahen Osten. Wenn es Argentinien schlecht geht, hat Paraguay nun Kontrollmechanismen und Puffer, die es den Investoren erlauben, ruhiger auf das zu blicken, was da im Nachbarland passiert."
Hilfspaket für Argentinien?
Ruhiger schon - trotzdem werden die Entwicklungen in Argentinien genau beobachtet. Die Experten sorgt vor allem, dass Argentinien seine Währung, den Peso, wohl weiter abwerten wird. Das dürfte es für die kleinen Nachbarn Uruguay und Paraguay noch schwieriger machen, Waren nach Argentinien zu exportieren.
Brasilien hat dieses Problem bereits zu spüren bekommen. Argentinien ist Brasiliens drittgrößter Handelspartner, vor allem die Automobilindustrie macht mit dem Nachbarland im Süden gute Geschäfte. Doch der Wind dreht sich: Im ersten Halbjahr 2014 gingen die Auto-Exporte rund um ein Drittel zurück, mit der Staatspleite könnte sich die Situation weiter verschlechtern. Der Wirtschaftsanalyst Roberto Gianetti da Fonseca fordert daher ein Hilfspaket für Argentinien nach dem Vorbild der Hilfen für die europäischen Krisenstaaten, und er nimmt den Mercosur, den südamerikanischen Wirtschaftsverbund in die Pflicht:
"Der Mercosur müsste diskutieren, ob Brasilien nicht eine zielgerichtete Aktion starten sollte um Argentinien aus dem Default zu befreien. Denn die Kosten hierfür könnten unter Umständen geringer sein, als die Verluste für den Handel und die Industrie Brasiliens, die sich aus der argentinischen Wirtschaftskrise entwickeln."
Bisher hatte Brasilien gegenüber dem Nachbarland einen Handelsüberschuss. Durch die schwindende Kreditwürdigkeit könnte Argentinien gezwungen sein, die Importe zu drosseln um die Handelsbilanz umzukehren und so an Devisen zu gelangen.
Importbeschränkungen, Devisenmangel, Schwierigkeiten an Kredite zu kommen - damit haben die Argentinier schon seit Jahren zu kämpfen. Unterkriegen lassen werden sie sich aber nicht. "Wir sind es ja gewöhnt", sagt Jon Flombaund, ein Immobilienhändler:
"Alle sind derzeit in Standby: Nichts wird investieren, nichts wird gekauft so ist das, man muss jetzt eben abwarten bis der Sturm wieder vorbei ist."