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Argentinischer Präsident bei Papst Franziskus
Ein Besuch mit Spannungen

Fast drei Monate nach seinem Amtsantritt besucht der argentinische Präsident Mauricio Macri zum ersten Mal Papst Franziskus - relativ spät, finden einige Beobachter. Seine Vorgängerin Cristina Kirchner ging im Vatikan beinahe ein und aus - das Verhältnis von Papst Franziskus und Macri gilt jedoch als angespannt. Was sind die Gründe?

Von Victoria Eglau |
    Der neue argentinische Präsident Mauricio Macri winkt mit der rechten Hand.
    Für den wirtschaftsliberalen Präsidenten Argentiniens, Mauricio Macri, ist der anstehende Besuch im Vatikan ein wichtiger Termin. (picture-alliance / dpa / Juan Ignacio Roncoroni)
    Ein Rosenkranz war in dieser Woche eines der wichtigsten Gesprächsthemen in Argentinien. Kein geringerer als Papst Franziskus hatte die Gebetskette an eine bekannte Sozialaktivistin geschickt: die seit Mitte Januar inhaftierte Milagro Sala. Sala hatte in den vergangenen Jahren in der nordargentinischen Provinz Jujuy Häuser, Schulen und Gesundheitszentren für die Armen bauen lassen. Ihre Organisation Tupac Amaru stand der Regierung von Ex-Präsidentin Cristina Kirchner nahe und erhielt von ihr viele Millionen an staatlichen Geldern. Jetzt aber sitzt Milagro Sala in Haft, weil ihr unter anderem Betrug, Erpressung und Gewalt vorgeworfen werden. Franziskus, der Absender des Rosenkranzes, ist für die 52-Jährige kein Unbekannter: 2014 empfing er Sala im Vatikan.
    "Für einen großen Teil der öffentlichen Meinung sieht es so aus: Der Papst unterstützt Milagro Sala. Mir scheint, das ist nicht gut für Franziskus, denn Milagro Sala sitzt nicht im Gefängnis, weil sie eine Sozialaktivistin ist, sondern weil sie im Verdacht steht, eine illegale Vereinigung zu führen und staatliche Gelder veruntreut zu haben," wetterte der bekannte Journalist Alfredo Leuco in seiner abendlichen Talkshow. Öffentlich geäußerte Kritik am Papst ist inzwischen keine Seltenheit mehr in Argentinien. Die Politikerin Elisa Carrió, politische Weggefährtin des neuen Präsidenten Mauricio Macri, nimmt kein Blatt vor den Mund: Es sei "höchst gefährlich", von geistlicher Seite aus Gewalt zu nähren. Sie fahre nicht nach Rom. Zwar hegen viele Argentinier nach wie vor große Sympathie für Franziskus, aber immer mehr seiner Landsleute ärgert es, wenn der Papst sich in die heimische Politik einmischt. José María Poirier, Direktor der katholischen Zeitschrift Criterio:
    "In Argentinien werden die Gesten des Papstes genau registriert – meiner Meinung nach in übertriebener Weise. Dass Franziskus der inhaftierten Aktivistin Milagro Sala einen Rosenkranz geschickt hat, finden viele sehr irritierend. Anderen Argentiniern wiederum hat diese Geste gefallen."
    Einmischung in die Politik?
    Das sind vor allem jene, die die im Dezember angetretene Mitte-Rechts-Regierung ablehnen. Diese Argentinier sind empört über die Inhaftierung von Milagro Sala. Sie sehen in ihr eine politische Gefangene, die ohne Prozess im Gefängnis sitze. An Solidaritätsbekundungen in den vergangenen Wochen nahm auch eine Gruppe politisch links stehender Priester teil. Und ein katholischer Bischof versuchte, bei der Regierung zugunsten der Sozialaktivistin zu vermitteln. Was den Rosenkranz des Papstes angeht, betonten hochrangige Kirchenvertreter, er sei lediglich ein Ausdruck der Barmherzigkeit. Der Rektor der Katholischen Universität ging weiter. Er kritisierte die erzürnten Reaktionen und die Art, wie die päpstliche Geste gedeutet werde. Anders José Maria Poirier von der Zeitschrift Criterio. Für ihn ist die Geste keine rein pastorale Handlung:
    "Eine Geste kann barmherzig und zugleich politisch sein. Ganz offensichtlich ist Franziskus ein Mann mit einem ausgeprägten politischen Talent. Es ist schwer vorstellbar, dass er einer solch umstrittenen Person wie Milagro Sala einen Rosenkranz schickt und nicht einkalkuliert, dass das Reaktionen hervorruft."
    Ob der Papst also meint, er könne auf Argentiniens Regierung einwirken? Fest steht – am morgigen Samstag macht Präsident Macri seinen Antrittsbesuch im Vatikan. Dann könnte auch das Thema Milagro Sala zur Sprache kommen. Die meisten Regierungsvertreter haben sich betont zurückhaltend geäußert, als Franziskus der umstrittenen Sozialaktivistin einen Rosenkranz geschenkt hat – wohl, um Spannungen im Vorfeld der Rom-Reise zu vermeiden.
    Parteipolitisches Statement des Papstes?
    Mit dem Machtwechsel in Argentinien hat eine neue Etappe in den Beziehungen zum Papst begonnen. Macris Vorgängerin Cristina Kirchner suchte, obwohl sie zu Erzbischof Jorge Bergoglio ein schlechtes Verhältnis hatte, die Nähe zu Franziskus: Vier Mal besuchte sie ihn. Nicht nur die Links-Peronistin, auch viele andere argentinische Politiker pilgerten nach Rom. Ein Foto mit dem beliebten Kirchenoberhaupt kann nicht schaden. Doch jetzt sollen die Beziehungen formell und protokollarisch werden – die neue Außenministerin Susana Malcorra hat es angekündigt.
    "In Macris Bündnis hat der Katholizismus zwar Gewicht, und es gibt viele Verbindungen zum Klerus, aber der neue Präsident will alles ganz anders machen als die Vorgängerregierung", sagt der Religionssoziologe Fortunato Mallimaci. Anders machen schön und gut, aber für den wirtschaftsliberalen Präsidenten Mauricio Macri ist der Besuch beim Papst dennoch ein wichtiger Termin. Sonst würde er nicht für einen Tag nach Rom fliegen.
    "In Argentinien sind Politik und Gesellschaft nach wie vor vom Katholizismus durchdrungen. Der Präsident fliegt jetzt zum Papst, weil er um die große symbolische Macht der Kirche und des Papstes in Argentinien weiß. Trotz aller Differenzen – daran kommt er nicht vorbei."