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Arhuser Programm
Empathie statt Strafe für rückkehrende Dschihadisten

In Arhus wird möglichen Dschihadisten, die in Syrien oder dem Irak waren, nicht mit Härte begegnet. Die dänische Stadt versucht, mit einem Wiedereingliederungsprogramm die Rückkehrer in die Gesellschaft zu integrieren - und so Terror zu unterbinden. Kritiker plädieren für härtere Gesetze.

Von Randi Häussler | 14.01.2015
    Mutmaßliche Kämpfer des Islamischen Staates hissen die Flagge der Miliz auf einem Hügel bei Kobane in Syrien.
    Der dänische Geheimdienst geht davon aus, dass inzwischen 110 mutmaßliche Dschihadisten nach Syrien oder in den Irak gereist sind (AFP / Aris Messinis)
    In einem Propaganda-Video des sogenannten Islamischen Staates schießen dänische IS-Kämpfer auf Bilder von dänischen Politikern. Es sind solche Bilder, die in Dänemark Sorge bereiten.
    Der dänische Geheimdienst geht davon aus, dass aus dem Königreich im Norden inzwischen 110 mutmaßliche Dschihadisten nach Syrien oder in den Irak gereist sind. Etwa ein Drittel dieser Männer stammt aus Dänemarks zweitgrößter Stadt: Århus.
    Hilfe bei Job- und Wohnungssuche
    Dem setzt die Stadt seit gut einem Jahr etwas entgegen: Es will Rückkehrer aus Kampfgebieten wieder in die Gesellschaft eingliedern - und somit vermeiden, dass sie Terror in Dänemark planen oder erneut nach Syrien reisen. Den jungen Männern wird bei der Job- und Wohnungssuche geholfen, sie bekommen medizinische und psychologische Betreuung:
    "Ich will den Männern helfen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Sie sollen sich orientieren können und innerhalb unseres gesellschaftlichen Rahmens ankommen."
    Preben Berthelsen von der Universität Århus kümmert sich um den psychologischen Teil des Wiedereinstiegprogramms. Empathie, soziale Anteilnahme und Anpassung an soziale Regeln - das seien Dinge, die für viele Rückkehrer nicht mehr selbstverständlich sind. Die Männer hätten möglicherweise Schlimmes gesehen oder getan. Dadurch ihre moralische Bremse verloren. Außerdem würden sie von der dänischen Gesellschaft nach ihrer Rückkehr angstvoll auf Abstand gehalten. Umstände, die Extremismus fördern können, meint Bertelsen.
    Grimhøjvej-Moschee in Århus
    Zehn von den bislang 16 Rückkehrern haben diese Hilfe bereits in Anspruch genommen. Viele der mutmaßlichen IS-Freiwilligen hatten laut Polizei vor ihrer Abreise Verbindungen zur Grimhøjvej-Moschee in Århus. Dort sind auch Hassprediger aufgetreten.
    Dass so viele aus seiner Moschee sich auf die Reise gemacht hätten, will Gemeindevorsteher Oussama El Saadi nur aus den Medien gehört haben. Er würde jedoch auch niemanden davon abhalten, an Kämpfen in Syrien oder im Irak teilzunehmen:
    "Wenn junge dänische Muslime sich dazu entschließen, ist es ihre Angelegenheit. Wir leben in einem freien Land, da kann man machen, was man will."
    Auf der anderen Seite arbeitet El Saadi mit dem Projekt zur Wiedereingliederung zusammen. Vermittelt zwischen den Rückkehrern und den Behörden. Viele werfen ihm vor, er täte das nur, um die Männer vor polizeilicher Verfolgung zu schützen.
    Kritik an dem Projekt
    Dann wäre das Projekt also möglicherweise vergebliche Liebesmüh? Århus' sozialdemokratischer Bürgermeister Jacob Bundsgaard hat jedenfalls viel Kritik für das Programm einstecken müssen. Wer als mutmaßlicher IS-Kämpfer zurückkehrt, sei ein mögliches Sicherheitsrisiko - sagen viele dänische Politiker, und da würden nur härtere Gesetze helfen. Doch Bundsgaard ist überzeugt:
    "Gesetze ändern keine Haltungen, ändern keine Motive - dieser Gedanke ist naiv. Man muss sich schon die Hände schmutzig machen, muss sie in den Boden des Extremismus hineinstecken und diese Menschen konfrontieren, auch mit harter Kritik. Wir sind naiv, wenn wir nichts tun oder allein auf die Gesetze vertrauen."
    Rückendeckung von Kurt Westergaard
    Und das Århuser Projekt zur Wiedereingliederung bekommt auch Rückendeckung von einem, der islamistischen Terror am eigenen Leibe erfahren hat. Kurt Westergaard hatte vor zehn Jahren den Propheten Mohammed mit einer Bombe im Turban gezeichnet. Daraufhin gab es gewaltsame Proteste in Teilen der islamischen Welt. Westergaard bekam Polizeischutz und wäre dennoch 2010 um ein Haar von einem Attentäter umgebracht worden.
    "Es gibt dieses wahre, aber ziemliche obszöne Sprichwort: Die Demokratie geht auch mit ihren Feinden ins Bett, nicht aus Lust, sondern aus Prinzip. Insofern unterstütze ich Aktionen wie dieses Programm, weil es diese Themen ans Licht bringt."
    Einen Erfolg feiert das Århuser Programm bereits: Seitdem das Projekt begonnen hat, ist nur eine einzige Person von Århus aus wieder Richtung Syrien aufgebrochen.