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Arktis-Expedition MOSAiC
"Ich bin froh, dass wir mit einer Messlücke davonkommen"

Die Corona-Pandemie macht einen veränderten Ablauf der MOSAiC-Expedition nötig. Da man nicht bis zur Polarstern vorstoßen könne, werde der Wechsel des Forschungsteams auf offener See stattfinden, sagte Markus Rex, Leiter der Expedition, im Dlf. Es gingen zwar Messdaten verloren, das sei aber zu verschmerzen.

Markus Rex im Gespräch mit Monika Seynsche |
Teilnehmer der MOSAIC-Expeditionsetappen leg2 und leg3 gehen vom Versorgungseisbrecher Kapitan Dranitsyn aus über das Eis zur Polarstern
Eigentlich sollte die Crew auf der Polarstern schon im April ausgetauscht werden (Michael Gutsche/Alfred-Wegener-Institut)
Im Oktober hat sich der deutsche Forschungseisbrecher Polarstern im Arktischen Meereis einfrieren lassen und driftet seitdem über das Nordpolarmeer. Die Forscher der MOSAiC-Expedition sammeln dabei völlig neue und extrem wertvolle Daten über eine der unbekanntesten Regionen der Erde. Alle paar Monate wechselt die Mannschaft an Bord und ein neues Forschungsteam kann mit seiner Arbeit beginnen – eigentlich.
Denn im April hätten dafür etwa 100 Forscher aus aller Welt nach Spitzbergen reisen sollen, um von dort aus zur Polarstern zu fliegen: In Zeiten von Corona ist das aber unmöglich. Händeringend haben die Verantwortlichen deshalb in den vergangenen Wochen nach einem Plan B gesucht, um Forscher und auch Vorräte auf das Schiff bringen zu können.
Jetzt ist der Plan offenbar fertig und Monika Seynsche hat den Leiter der Expedition, Markus Rex vom Alfred-Wegener-Institut, gefragt, wie er aussieht.
Markus Rex: Wir werden Mitte Mai mit den beiden deutschen Forschungsschiffen Sonne und Maria S. Merian zur Eiskante aufbrechen. Diese Schiffe konnten wir jetzt sehr kurzfristig organisieren, um jetzt auch unter den Bedingungen der Coronakrise den Austausch des Expeditionsteams hinzubekommen. Das sind aber keine Eisbrecher, deswegen können wir mit diesen Schiffen nicht bis zur Polarstern vorstoßen. Die Polarstern verlässt dann ihre Position an unserem Eisforschungscamp kurzzeitig, kommt auch zur Eiskante, wir treffen uns da, wir machen die ganze Versorgung der Polarstern, bringen Versorgungsgüter an Bord, tauschen das Expeditionsteam aus, dann fährt die Polarstern zurück zum Eiscamp, die Messungen gehen weiter und das alte Expeditionsteam fährt mit den beiden Forschungsschiffen zurück nach Deutschland.
Das auf einer Eisscholle eingefrorene Forschungs-Schiff "Polarstern" drifttet ein Jahr lang durch das Nordpolarmeer.
Arktis-Expedition MOSAiC - Corona-Pandemie beeinflusst Crew-Wechsel auf der Polarstern
Seit Mitte Oktober 2019 driftet der Forschungseisbrecher Polarstern eingefroren im Meereis durch das Nordpolarmeer. Aber auch die Expedition in der Arktis ist von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen, die den routinemäßigen Wechsel der Forschungsmannschaft verzögert.
Ein Austausch per Boot
Monika Seynsche: Das heißt, dieser Wechsel findet aber auf offener See statt, oder verstehe ich das richtig?
Rex: An der Eiskante. Je nach Wetterbedingungen werden wir uns in einen der Fjorde von Spitzbergen zurückziehen dafür, die Eiskante liegt gerade im Bereich dieser Inselgruppe Spitzbergen. Das ist sehr viel einfacher, wenn wir mit drei oder letztlich dann auch mit vier Schiffen, da kommt noch ein Tanker dazu, umeinander herumtanzen, wenn wir unter dem Wetterschutz des Fjordes das Ganze durchführen.
Seynsche: Wir hatten im März schon einmal miteinander gesprochen, als es schon erste Verzögerungen durch Corona gab beim Teamwechsel, der damals anstand im April, der sollte ja eigentlich mit Flugzeugen stattfinden. Da hatten Sie gesagt, das ist kein Problem, wenn es etwas später wird – wir haben noch Vorräte, die lange bis in den Sommer reichen. Warum müssen Sie jetzt trotzdem diesen ja recht komplizierten Austausch per Boot machen?
Rex: Das ist ja schon ein Weilchen her. Die letzte Versorgung war geplant für Anfang Aprils, das hatten wir vor, mit Flugzeugen durchzuführen, und da war gar nicht geplant, dass wir da neue Versorgungsmittel mit an Bord bringen. Die nächste wäre jetzt geplant gewesen für den Juni, dann werden sie ja auch wieder Versorgungsgüter brauchen. Die wird jetzt ersetzt werden durch die vorgezogene Versorgung, die wir jetzt durchführen, damit wir auch das derzeitige Expeditionsteam, was halt jetzt schon zwei Monate länger an Bord bleiben muss als geplant, damit wir das jetzt auch mal austauschen können. Aber, die jetzt darauffolgende wird erst im August wieder sein. Bis dahin brauchen wir neue Versorgungsgüter.
"Da gehen uns Messdaten verloren"
Seynsche: Wie lange wird denn die Polarstern dann von ihrer Scholle quasi weg sein?
Rex: Das wird so etwa ein Drei-Wochen-Zeitraum sein. Das tut uns wissenschaftlich natürlich auch etwas weh, da gehen uns Messdaten verloren, es bleibt aber auch eine Menge Instrumentarium auf dem Eis stehen, einiges im autonomen Mess-Mode, sodass wir auch in diesen drei Wochen messen können, allerdings nicht das volle Programm. Aber gemessen an der Gesamtlänge von Mosaic, das ist ja eine über ein Jahr lange Expedition, 13 Monate geht sie, sind diese drei Wochen natürlich zu verschmerzen.
Seynsche: Vor welchen Herausforderungen stehen Sie denn dadurch, dass Sie quasi Ihr Eiscamp da sich selbst überlassen? Ich hatte im Januar mit Marcel Nicolaus, einem Ihrer Kollegen, gesprochen, der im Oktober beim Aufbau des Eiscamps beteiligt war und der damals sagte, wir müssen im Prinzip jede Woche wieder umräumen, weil ständig die Eisscholle aufbricht, neue Presseisrücken entstehen, die Gefahr besteht, dass irgendwelche Geräte verlorengehen. Was machen Sie, wenn Sie da drei Wochen gar nicht nach dem Rechten schauen können?
Rex: Ja, ich war ja auch von September bis Januar dabei an Bord, ich habe das Eiscamp selber mit aufgebaut und dabei die sehr dynamischen Eisbedingungen kennengelernt in der neuen Arktis. Das Eis ist dünn und variabel, es bricht immer mal wieder auf, es bilden sich dabei Risse, wo offenes Wasser zutage tritt, oder es bilden sich auch Presseisrücken, die Stromleitungen und auch Instrumente bedrohen können. Deswegen werden wir ja auch die ganz teuren Ausrüstungsgegenstände, die nicht messen können, mit an Bord nehmen, wir werden nicht alles dort stehen lassen, um es einfach in die Sicherheit des Schiffes zu bringen in der Zeit. Für andere Instrumente, wo wir auch Ersatz noch dabei haben, gehen wir das Risiko dann einfach ein.
"Es stand auch durchaus im Raum, dass wir abbrechen müssen"
Seynsche: Können Sie schon abschätzen, wie viele Daten Ihnen dadurch verloren gehen?
Rex: Wir werden ein grundsätzliches Messprogramm die ganze Zeit über aufrecht erhalten können durch autonome Messungen. Es gehen uns aber natürlich auch viele Daten jetzt aus einer wichtigen Zeit verloren, wenn das Schmelzen in der Arktis einsetzt. Trotzdem muss man sehen, dass diese kurze Unterbrechung von drei Wochen bei einer ganzjährigen Expedition natürlich eine relativ milde Auswirkung der Coronakrise auf diese Expedition ist. Es stand ja auch durchaus im Raum, dass wir abbrechen müssen, dass wir es jetzt nicht mehr schaffen, ganz kurzfristig völlig umzuplanen und jetzt unter den Bedingungen der Coronakrise ein Team von 100 Leuten aus aller Herren Länder hier zusammenziehen, in Quarantäne zu setzen und zur Expedition zu schicken.
Das ist uns jetzt gelungen, es war aber nicht klar, ob uns das gelingt, und im Vergleich zu dem Szenario, dass wir die ganze Expedition abbrechen müssen, muss ich sagen, bin ich jetzt sehr froh, dass wir mit einer Drei-Wochen-teilweise-Messlücke davonkommen.
"Das Expeditionsteam befindet sich in einer strikten Quarantäne"
Seynsche: Wie stellen Sie denn sicher, dass das neuartige Corona-Virus nicht auf das Schiff kommt, nicht auf die Polarstern kommt?
Rex: Das gesamte Expeditionsteam befindet sich ja zurzeit in einer sehr strikten Quarantäne. Das betrifft die Besatzungsmitglieder des Schiffes, auch die Besatzungsmitglieder der beiden Schiffe, die uns jetzt bis an die Eiskante bringen, und alle Wissenschaftler. Diese Quarantäne hat begonnen mit einem Corona-Test aller Beteiligten, der ist schon mal für alle negativ ausgefallen, das ist gut. Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich jemand von den Teilnehmern jetzt noch in der Inkubationszeit befindet, deswegen werden wir während der Quarantäne und am Ende der Quarantäne noch mal einen weiteren Corona-Test haben. Wenn wir aber über 14 Tage nachweislich alle coronafrei sind, dann ist es sehr sicher, dass wir keinen Virus dabeihaben und virenfrei aufbrechen und uns dann untereinander tatsächlich dann auch als (Anm. der Redaktion: Dieses Wort ist leider unverständlich) Gemeinschaft nicht mehr auf irgendwelche Abstandsregeln verständigen müssen. Wir können dann da oben in der Arktis gemeinsame Partys feiern.
Seynsche: Viel Spaß dabei! Das heißt, ich muss es mir so vorstellen: Sie sitzen im Moment in Ihrem Hotelzimmer und sehen überhaupt gar niemanden und treffen niemanden?
Rex: Ganz genau so ist das. Wir sind in unseren Hotelzimmern wirklich vollständig isoliert, die Türen sind zu, die Tür geht nur jeweils drei Mal am Tag einmal kurz auf, nämlich, nachdem es geklopft hat, das bedeutet, dass uns jemand Essen vor die Tür gestellt hat. Dann warten wir noch eine Minute, damit auch der Gang wieder frei ist, und ziehen uns das Essen schnell ins Zimmer rein. Es gibt keinerlei Kontakt zu irgendeiner anderen Person in dieser Quarantäne und damit sind wir auch sicher, dass wir das Virus auch während der Quarantäne uns jetzt nicht in die Gruppe noch wieder reinschleppen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.