35 Prozent der weltweiten Öl- und Gasreserven sollen, optimistischen Schätzungen zufolge, unter dem Eis der Arktis lagern. Bedingt durch den Klimawandel und das Abschmelzen der Polkappen, wird ihre Förderung einfacher. Die russische Politik treibt die Erschließung der Arktis als strategisches Projekt voran. Gemeinsam mit den russischen Energieunternehmen hofft vor allem auch die russische Seefahrt auf einen Aufschwung. In den letzten sechs Jahren haben 36 Schiffe die Nordostpassage entlang der russischen Polarmeerküste durchquert, erläutert Michail Suslin, stellvertretender Generaldirektor der staatlichen russischen Reederei Sowkomflot.
"70 Prozent der bisherigen Passagen waren große Öltanker. Auch künftig werden vor allem sehr große Schiffe die Arktis passieren. Wie auch immer sie gebaut werden, werden sie nicht ohne Begleitung von Eisbrechern auskommen."
Dazu werde das Eis trotz der Erderwärmung selbst im Sommer zu dick bleiben, so Suslin. Davon möchte ein weiteres russisches Staatsunternehmen profitieren: Atomflot, Eigner der reaktorbetriebenen Eisbrecher in der Arktis. Sie sind seit mehr als 50 Jahren im arktischen Eis unterwegs. Die Flotte ist allerdings veraltet. Stanislaw Golovinskij, stellvertretender Generaldirektor von Atomflot, erläutert die Pläne.
"Wir haben bereits mit dem Bau neuer atombetriebener Eisbrecher begonnen. Ein Modell wird mit zwei Reaktoren betrieben, es wird 2017 fertig sein. Im nächsten Jahr werden wir ein Folgemodell entwickeln. Er wird eine Eisschicht von 4,5 Metern durchbrechen können."
Kooperation trotz Konkurrrenz
Experten warnen vor zu viel Optimismus. Es gäbe noch nicht die Technologien für die extremen Bedingungen der Arktis. Das betrifft die Rohstoffförderung genauso wie die Seefahrt. Vladimir Medikow von der russischen Reederei Sowkomflot mahnt deshalb zur internationalen Zusammenarbeit – trotz der Konkurrenz unter den Arktisanrainern.
"Russland hat zum Beispiel als einziges Land atombetriebene Eisbrecher. Nur sie garantieren eine sichere Passage durch die Arktis. In vielen Staaten, in den USA, Norwegen, der EU, sind dagegen Technologien zur Förderung von Öl- und Gas in großen Meerestiefen vorhanden. Diese Technologien müssen für die Arktis weiterentwickelt werden. Dazu müssen wir einen speziellen arktischen Stahl verwenden. Diesen Stahl wiederum produziert Russland."
Aleksander Dynkin, Direktor des russischen Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen, warnt indes vor überzogenen Erwartungen.
"Logistisch hat es sich auf vielen Schifffahrtsrouten etabliert, dass die Frachter Zwischenstopps einlegen, um Teile der Ladung zu löschen oder neues beizuladen. An der arktischen Küste wird das schwierig werden. Die Reedereien werden das berücksichtigen. Der Markt für lange Schifffahrtsrouten wird sich segmentieren."
Und auch hinsichtlich der Rohstoffförderung sieht Dynkin bisher noch viele Unbekannte.
"Ob sich die Förderung von Öl und Gas in der Arktis lohnen wird, hängt in hohem Maß vom Ölpreis ab. Da gibt es derzeit äußerst widersprüchliche Signale: Die Schiefergasrevolution, die Versuche der EU, den Energieverbrauch zu senken. Gerade wurden neue Rohstoffvorkommen in Brasilien und im Mittelmeer entdeckt. Ob sich die Förderung in der Arktis lohnen wird, werden wir erst beurteilen können, wenn neue Probebohrungen erfolgt sind. Das haben Exxon und Rosneft kürzlich vereinbart. Danach können wir bessere Schlüsse über die Perspektiven in der Arktis ziehen."