"Das ist die Realität heute in Frankreich: Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt mit großen, erfolgreichen Firmen, aber wir, die jungen Erwachsenen, werden vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen und die Regierenden tun nichts für uns."
Ophelie Latil ist so empört über die Missstände, dass sie sich einem Kollektiv mit Namen "Generation Prekär" angeschlossen hat. Seit fünf Jahren vernetzt sich diese Gruppe über Facebook und Twitter und führt immer wieder spontane Aktionen durch, um auf die prekäre Lage der jungen Erwachsenen aufmerksam zu machen. Immerhin liegt die Arbeitslosenquote unter jungen Arbeitssuchenden in Frankreich seit Jahrzehnten über 20 Prozent, mittlerweile beträgt sie sogar 25 Prozent.
Romain hat eine Arbeit, er taucht in dieser Statistik also nicht auf, aber auch er hat große Mühe, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten:
"Ich bin Sozialarbeiter, aber ich werde nur zehn Stunden pro Monat beschäftigt und verdiene gerade mal 300 Euro. So wie mir ergeht es vielen jungen Leuten. In Spanien ist es noch schlimmer, weil es die Wirtschaftskrise voll erwischt hat, aber Paris ist auch betroffen."
Romain hat noch Glück, denn seit er 25 ist, hat er Anrecht auf 460 Euro Sozialhilfe im Monat. Wer jünger ist, der bekommt in Frankreich im Allgemeinen kein Geld vom Staat. Politiker aller Parteien argumentieren, dass sie bei der Jugend keine Almosenmentalität schaffen wollen. So erklärt sich, dass jeder Fünfte der jungen Erwachsenen unter 25 Jahren arm ist.
Für Ophelie sieht es ein wenig besser aus. Sie hat nun endlich nach langem Suchen einen zeitlich begrenzten Vertrag bekommen. Aber damit, sagt die 27-Jährige, kann sie keine Wohnung finden. Die Vermieter verlangen einen unbegrenzten Arbeitsvertrag. Die junge Frau wohnt daher immer noch in einem kleinen Dienstmädchenzimmer, für das sie 500 Euro Miete bezahlen muss. Ophelie fühlt sich ungerecht behandelt, denn sie kann hervorragende Diplome vorweisen:
"Ich habe einen Abschluss der Elitehochschule Sciences Po, außerdem einen Master in Jura und im Management. Ich spreche fließend Englisch und Russisch und etwas Deutsch. Ich habe zwei Jahre lang Praktika absolviert, davon ein Jahr in Russland. Um mein Studium zu finanzieren, habe ich zwei Kredite aufgenommen und in allen Ferien gejobbt. Und was schlug man mir dann vor: nichts. Es hieß: Sie haben zwei Jahre Berufserfahrung, machen sie doch noch ein Praktikum."
Ophelie und Romain haben sich in den vergangenen Tagen jeden Abend auf dem Platz der Bastille versammelt, aus Solidarität mit den Streikenden auf der Puerta del Sol in Madrid. Die jungen Franzosen protestieren aber auch gegen die Zustände im eigenen Land. Auch der Geschichtsstudent Maxime war auf der Kundgebung. Bei der Frage, ob junge Menschen in Frankreich überhaupt eine Lobby haben, schüttelt er den Kopf:
"Nein. In der Nationalversammlung beträgt das Durchschnittsalter 60 Jahre und im Senat sogar 70 Jahre. In Frankreich wird die Jugend von der Politik ganz schlecht behandelt."
Dagegen beschäftigen sich Soziologen ausführlich mit der Situation der jungen Franzosen. Sie kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der heranwachsenden Generation ein "sozialer Abstieg" droht. Der Wissenschaftler Louis Chauvel etwa stellt fest, dass es heute in Frankreich drei Gruppen junger Menschen gibt: auf Schüler und Studenten folgt die Gruppe der 23- bis 28-Jährigen, die mühsam den Einstieg in die Arbeitswelt suchen. Und neuerdings formiert sich eine Gruppe von 28- bis 35-Jährigen, die, obwohl sie Arbeit haben, immer noch von ihren Eltern abhängig sind, weil sie so schlecht bezahlt werden. Diese Gruppe wird immer größer und älter.
Ophélie Latil befürchtet, dass ihre, wie sie sagt, "geopferte Generation" für die Zukunft des Landes auch eine schwere Belastung darstellen kann:
"Wenn man eine ganze Generation in dieser sozialen Unsicherheit lässt, mit einer Schlinge um den Hals, dann schafft man eine Gesellschaft voller Menschen, die verbittert sind und Angst haben, dass sie von der Prekarität in die Armut abgleiten. Das wollen wir nicht."
Die verlorene Generation - Vierteilige Serie über die Ursachen der Jugendproteste in Europa
Ophelie Latil ist so empört über die Missstände, dass sie sich einem Kollektiv mit Namen "Generation Prekär" angeschlossen hat. Seit fünf Jahren vernetzt sich diese Gruppe über Facebook und Twitter und führt immer wieder spontane Aktionen durch, um auf die prekäre Lage der jungen Erwachsenen aufmerksam zu machen. Immerhin liegt die Arbeitslosenquote unter jungen Arbeitssuchenden in Frankreich seit Jahrzehnten über 20 Prozent, mittlerweile beträgt sie sogar 25 Prozent.
Romain hat eine Arbeit, er taucht in dieser Statistik also nicht auf, aber auch er hat große Mühe, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten:
"Ich bin Sozialarbeiter, aber ich werde nur zehn Stunden pro Monat beschäftigt und verdiene gerade mal 300 Euro. So wie mir ergeht es vielen jungen Leuten. In Spanien ist es noch schlimmer, weil es die Wirtschaftskrise voll erwischt hat, aber Paris ist auch betroffen."
Romain hat noch Glück, denn seit er 25 ist, hat er Anrecht auf 460 Euro Sozialhilfe im Monat. Wer jünger ist, der bekommt in Frankreich im Allgemeinen kein Geld vom Staat. Politiker aller Parteien argumentieren, dass sie bei der Jugend keine Almosenmentalität schaffen wollen. So erklärt sich, dass jeder Fünfte der jungen Erwachsenen unter 25 Jahren arm ist.
Für Ophelie sieht es ein wenig besser aus. Sie hat nun endlich nach langem Suchen einen zeitlich begrenzten Vertrag bekommen. Aber damit, sagt die 27-Jährige, kann sie keine Wohnung finden. Die Vermieter verlangen einen unbegrenzten Arbeitsvertrag. Die junge Frau wohnt daher immer noch in einem kleinen Dienstmädchenzimmer, für das sie 500 Euro Miete bezahlen muss. Ophelie fühlt sich ungerecht behandelt, denn sie kann hervorragende Diplome vorweisen:
"Ich habe einen Abschluss der Elitehochschule Sciences Po, außerdem einen Master in Jura und im Management. Ich spreche fließend Englisch und Russisch und etwas Deutsch. Ich habe zwei Jahre lang Praktika absolviert, davon ein Jahr in Russland. Um mein Studium zu finanzieren, habe ich zwei Kredite aufgenommen und in allen Ferien gejobbt. Und was schlug man mir dann vor: nichts. Es hieß: Sie haben zwei Jahre Berufserfahrung, machen sie doch noch ein Praktikum."
Ophelie und Romain haben sich in den vergangenen Tagen jeden Abend auf dem Platz der Bastille versammelt, aus Solidarität mit den Streikenden auf der Puerta del Sol in Madrid. Die jungen Franzosen protestieren aber auch gegen die Zustände im eigenen Land. Auch der Geschichtsstudent Maxime war auf der Kundgebung. Bei der Frage, ob junge Menschen in Frankreich überhaupt eine Lobby haben, schüttelt er den Kopf:
"Nein. In der Nationalversammlung beträgt das Durchschnittsalter 60 Jahre und im Senat sogar 70 Jahre. In Frankreich wird die Jugend von der Politik ganz schlecht behandelt."
Dagegen beschäftigen sich Soziologen ausführlich mit der Situation der jungen Franzosen. Sie kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der heranwachsenden Generation ein "sozialer Abstieg" droht. Der Wissenschaftler Louis Chauvel etwa stellt fest, dass es heute in Frankreich drei Gruppen junger Menschen gibt: auf Schüler und Studenten folgt die Gruppe der 23- bis 28-Jährigen, die mühsam den Einstieg in die Arbeitswelt suchen. Und neuerdings formiert sich eine Gruppe von 28- bis 35-Jährigen, die, obwohl sie Arbeit haben, immer noch von ihren Eltern abhängig sind, weil sie so schlecht bezahlt werden. Diese Gruppe wird immer größer und älter.
Ophélie Latil befürchtet, dass ihre, wie sie sagt, "geopferte Generation" für die Zukunft des Landes auch eine schwere Belastung darstellen kann:
"Wenn man eine ganze Generation in dieser sozialen Unsicherheit lässt, mit einer Schlinge um den Hals, dann schafft man eine Gesellschaft voller Menschen, die verbittert sind und Angst haben, dass sie von der Prekarität in die Armut abgleiten. Das wollen wir nicht."
Die verlorene Generation - Vierteilige Serie über die Ursachen der Jugendproteste in Europa