Der Platz der Republik in Armeniens Hauptstadt Eriwan. Fontänen plätschern im Takt der Musik, bunt angeleuchtet. Menschen flanieren. Überall stehen Händler und bieten bunte Luftballons an. Es gibt Zuckerwatte, Bier und Brause. Vor wenigen Wochen standen hier noch Demonstranten. Sie haben das autokratische Regime von Sersch Sargsjan, dem langjährigen Machthaber, gleichsam weggefegt. Mit dabei war Mariam Nasarjan, 17 Jahre alt, Schülerin.
"Vor ein paar Wochen dachten wir noch, dass wir hier keine Zukunft haben, dass wir nichts ändern können und hier nicht hingehören. Dass wir vielleicht unser Land verlassen müssen. Und das war sehr traurig. Wir wollen nicht weg. Wir gehören hier hin. Aber jetzt haben wir Hoffnung. Ich weiß zwar nicht, was sich ändert. Aber ich hoffe und glaube daran, dass wir eine Zukunft haben, wenn wir hier bleiben."
Mariam möchte Sprachen studieren, Englisch und Französisch. Bei den Demonstrationen war sie Tag und Nacht auf den Beinen, wie so viele. Das war mutig. Denn bei den letzten großen Protesten gegen die Regierung, waren zehn Menschen ums Leben gekommen. Das war am 1. März 2008.
"Ich hatte vielleicht an den ersten paar Tagen Angst." sagt Mariam. "Aber nicht so richtig, denn ich wusste ja, dass ich etwas für mich und meine Zukunft tue."
Auch 2018 stand die Situation auf Messers Schneide. Am Morgen des zehnten Protesttages hatte es ein Treffen gegeben zwischen Noch-Machthaber Sersch Sargsjan und Oppositionsführer Nikol Paschinjan. Es dauerte nur zwei Minuten. Paschinjan hatte Sargsjan zum Rücktritt aufgefordert. Der reagierte verärgert: "Das sind keine Verhandlungen, das ist kein Dialog. Das ist ein Ultimatum. Das ist Erpressung des Staates, der gesetzmäßigen Machthaber.
Das Treffen dauerte nur zwei Minuten. Sargsjan ließ den Oppositionsführer und 200 Demonstranten festnehmen. Und er drohte mit einem Hinweis auf die Polizeigewalt und die Toten von 2008:
"Sie erkennen den Grad an Verantwortung nicht. Sie haben keine Lehren aus den Ereignissen vom 1. März gezogen. Und wenn ich in so einem Ton sprechen muss, dann bleibt mir nichts, als Ihnen erneut zu raten, sich auf den Boden des Gesetzes zurückzubewegen und überhaupt - in den Rahmen logischen Handelns. Andernfalls liegt alle Verantwortung bei Ihnen. Wählen Sie aus."
Die Demonstranten ließen sich nicht abhalten. Immer mehr Menschen aus dem ganzen Land kamen in die Hauptstadt Eriwan. Zwei Tage nach der Festnahme war Paschinjan wieder auf freiem Fuß und Sersch Sargsjan trat zurück. Mit einer kurzen schriftlichen Erklärung:"Nikol Paschinjan hatte recht; ich hatte unrecht."
Kurz darauf wurde Nikol Paschinjan im zweiten Versuch vom Parlament mit 59 zu 105 Stimmen zum Regierungschef gewählt. Für den 43-Jährigen, dessen Partei erst im letzten Jahr mit nur neun Abgeordneten ins Parlament einzog, stimmten auch Abgeordnete der Regierungspartei. Mit ihm ist jetzt eine neue Generation von Politikern an der Macht. Zum Beispiel Lena Nasarjan. Die 35-Jährige hat sechs Jahre als investigative Journalistin gearbeitet, hat Fälle von Korruption aufgedeckt. Armenien hat wie die meisten postsowjetischen Gesellschaften ein massives Problem mit Korruption. In der Wertung von Transparency International liegt Armenien auf Platz 107 von 180 Ländern. Die Oligarchen Armeniens waren bisher von der Regierung angehalten, Stimmen zu kaufen, um das Machtgefüge zu sichern. Lena Nasarjan zog bei der letzten Wahl ins Parlament ein. Sie hat die Demonstrationen gegen Sargsjan mitorganisiert:
"Ich denke, in Armenien sind jetzt Reformen möglich, die früher nicht möglich waren. Wir wollen, dass es in Armenien keine Korruption mehr gibt. Wir wollen ehrliche Wahlen. Wir wollen, dass die Gerichte gerecht urteilen. Und niemand kann uns hindern, diese Reformen durchzusetzen."
"Ich denke, in Armenien sind jetzt Reformen möglich, die früher nicht möglich waren. Wir wollen, dass es in Armenien keine Korruption mehr gibt. Wir wollen ehrliche Wahlen. Wir wollen, dass die Gerichte gerecht urteilen. Und niemand kann uns hindern, diese Reformen durchzusetzen."
Die Rolle Russlands
Das wollten die Reformer in den ehemaligen Sowjetrepubliken Ukraine und Georgien auch. In beiden Ländern hat Russland den Fortgang der Reformen massiv behindert: Durch die Besetzung von Landesteilen, durch Krieg, über wirtschaftlichen Einfluss. In Armenien ist der Einfluss Russlands noch größer, als in Georgien und der Ukraine. Russland ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner Armeniens. Das Land ist Mitglied in der Eurasischen Wirtschaftsunion.
Armenien bezieht Erdgas aus Russland, dessen Verkauf innerhalb des Landes liegt in den Händen von "Gazprom Armenia", einer Tochtergesellschaft des russischen Staatskonzerns "Gazprom". Auch mehrere Wasser- und Wärmekraftwerke in Armenien, ein Mobilfunkanbieter und ein großer Versicherer gehören russischen Staatskonzernen. Lena Nasarjan sieht die Gefahr russischer Einmischung zu Zuungunsten der Reformer trotzdem nicht.
Oppositionspolitikerin Nasarjan: "niemand kann uns aufhalten."
Wir planen Wahlen im November oder im April nächsten Jahres, sagt Lena Nasarjan:"Und wir wollen und werden alles so machen, dass niemand die Wahlergebnisse anzweifeln wird."
Sie hätten bereits jetzt erste Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung, betont Nasarjan. Zum Beispiel habe ich 6 Monate lang versucht, Informationen über eine Stiftung zu bekommen, die Geld für die Stadt sammelt: "sechs Monate lang konnte ich keine Information bekommen, wer Geld gibt, wie viel, welche Programme die Stiftung umsetzt. Gestern hat die Polizei den Direktor dieser Stiftung verhaftet. Jeden Tag hören wir, dass die Polizei, die früher nichts in der Richtung unternommen hat, Ermittlungen aufnimmt." . Es stehe also nichts Geringeres an, als ein totaler Umbruch der Gesellschaft, betont Mher Grigorjan, der stellvertretende Regierungschef:
"Ich glaube, die Personen vom alten System erkennen und verstehen, dass ihre Zeit vorbei ist und man sie selbstverständlich austauschen muss. Nicht nur, weil sie alle mit Korruption infiziert sind. Wir brauchen für die Veränderungen und Reformen in unserem Land staatlich Bedienstete, die wesentlich besser und moderner gebildet sind. Wir brauchen auch die langjährige Erfahrung. Das ist sehr wichtig. Wenn aber jemand korrupt ist, dann brauchen wir ihn nicht."
Wird das Beispiel Armenien Schule machen?
Grigorjan hat vorher einen gut bezahlten Job in der Finanzbranche gehabt. Den hat er aufgegeben, um die Reformen zu unterstützen. Er war selbst länger im Ausland, ist aber zurückgekommen. Armenien hat in den letzten Jahren massiv unter der Abwanderung junger Menschen gelitten. Sie sollen zurückkommen, wünschen sich viele. Dass das für weitere Spannungen sorgen wird, ist klar. Die Zeiten ändern sich. Nicht nur in Armenien, hofft auch die Abgeordnete Lena Nasarjan:
"Ich denke, die armenische Revolution wird Wellen schlagen. Menschen in vielen Ländern, die beobachtet haben, was in Armenien passiert, beneiden uns und haben sich gefreut. Nun wollen sie, dass so etwas auch bei ihnen passiert. Und selbst in Russland haben die Leute bei Demonstrationen gerufen: Wir wollen das wie in Armenien."
Die Machthaber in Russland befürchten schon lange, dass der Funken sogenannter farbiger Revolutionen nach Russland überspringt. Jede Art von demokratischer Reformbewegung wird im eigenen Land seit Jahren im Keim erstickt. Derartige Umbrüche in anderen Ländern werden deshalb von den russischen kremlnahen Medien als gefährliche Irrwege dargestellt, die vom Westen organisiert seien und nichts als Chaos, Anarchie und Krieg brächten. Im Fall Armeniens war das anders. Russland schwieg. Zum Erstaunen vieler Beobachter, sagt Andrej Kolesnikow vom Carnegie Zentrum Moskau:
"Aber es war schon beeindruckend: Wie die gesamte russische offizielle Elite nach einer Pause und Zweifeln auf einmal aufwacht und einstimmig auf einmal erklärt: Das ist doch toll, das Volk ist auf der Straße, es ist gut, wenn das Volk bestimmt, was es will. Und es gab keinerlei Verdächtigungen hinsichtlich des Maidan und einer Einmischung der USA. Nein, das sei etwas ganz anderes, was auch stimmt. Aber alle Analytiker hatten erwartet, dass sie sagen: Das ist US-Einmischung, die Hand Amerikas, eine orange Revolution. Aber nein, ich denke vor allem aus wirtschaftlichen, pragmatischen Gründen."
Die Machthaber in Russland befürchten schon lange, dass der Funken sogenannter farbiger Revolutionen nach Russland überspringt. Jede Art von demokratischer Reformbewegung wird im eigenen Land seit Jahren im Keim erstickt. Derartige Umbrüche in anderen Ländern werden deshalb von den russischen kremlnahen Medien als gefährliche Irrwege dargestellt, die vom Westen organisiert seien und nichts als Chaos, Anarchie und Krieg brächten. Im Fall Armeniens war das anders. Russland schwieg. Zum Erstaunen vieler Beobachter, sagt Andrej Kolesnikow vom Carnegie Zentrum Moskau:
"Aber es war schon beeindruckend: Wie die gesamte russische offizielle Elite nach einer Pause und Zweifeln auf einmal aufwacht und einstimmig auf einmal erklärt: Das ist doch toll, das Volk ist auf der Straße, es ist gut, wenn das Volk bestimmt, was es will. Und es gab keinerlei Verdächtigungen hinsichtlich des Maidan und einer Einmischung der USA. Nein, das sei etwas ganz anderes, was auch stimmt. Aber alle Analytiker hatten erwartet, dass sie sagen: Das ist US-Einmischung, die Hand Amerikas, eine orange Revolution. Aber nein, ich denke vor allem aus wirtschaftlichen, pragmatischen Gründen."
Moskaus militärische Rückendeckung
Paschinjan suchte von Anfang an den direkten Kontakt mit Russland. Schon während der Proteste traf er sich mit dem russischen Botschafter in Eriwan. Und er verkündete schon vor dem Machtwechsel, Armenien werde weder aus der Eurasischen Wirtschaftsunion austreten, noch aus dem Militärbündnis mit Russland und anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion, der OVKS.
"Russland wollte seine Gelder in Armenien nicht verlieren. Deshalb kam man nach einer kurzen Zeit des Zweifelns und Abwartens zu der Einsicht, kooperativ zu handeln. Es schien vielleicht, dass Sargsjan der beste Freund Putins sei, sie haben sich umarmt, geküsst; es war die Rede von einem strategischen Partner, ja, das war er, aber nur, weil Russland einen Vorposten im Südkaukasus brauchte. Und da sind sie bereit, jeden beliebigen Typen zum Partner zumachen, solange die Wirtschaftsbeziehungen und die Kontrolle über Finanzströme erhalten bleiben. Das hat auch Paschinjan verstanden."
Prekäre Ruhe im russischen Hinterhof
Armenien ist auch militärisch von Russland abhängig. Nicht nur über die Mitgliedschaft im Militärbündnis OVKS. Russland hat in Armenien mehrere tausend Soldaten stationiert. Erst 2012 haben beide Staaten den Vertrag über deren Präsenz verlängert. Militärische Sicherheit ist ein Schlüsselthema in Armenien. Denn mit seinem östlichen Nachbarn Aserbaidschan ist Armenien im Krieg um Berg-Karabach, und auch die Grenze zur Türkei im Westen ist geschlossen. Hier liege noch ein Grund, weshalb Russland sich in Bezug auf die Umbrüche in Armenien zurückgehalten habe, erläutert Andrej Kolesnikow.
"Russland war interessiert an Ruhe im Südkaukasus. Turbulenzen dort nützen niemandem. Russland kann auch einen Krieg in Berg-Karabach nicht brauchen. Russland hat das Interesse, die Interessen zwischen Aserbaidschan und Armenien auszubalancieren. Wir verkaufen Aserbaidschan Waffen, Armenien ist unser strategischer Partner, und in dieser Waage geht es weiter."
Angesichts der Schwierigkeiten, die Georgien und die Ukraine nach den demokratischen Umbrüchen bekommen haben, sind die Verantwortlichen in Armenien sehr bemüht, jede Art von geostrategischer Festlegung zu vermeiden. Die neuen Machthaber sehen Armenien als Brückenland, wollen die Kooperation mit der EU fortsetzen, an den Bündnissen mit Russland aber festhalten. Das betont auch der Präsident Armeniens, Armen Sarkisjan:
"Ich möchte daran erinnern, dass ich der Präsident Armeniens bin. Ich bin weder prowestlich noch proöstlich, ich bin proarmenisch, und meine Rolle ist sicherzustellen, dass es da Respekt für meine Nation gibt und für die Entscheidungen, die wir hier treffen.
Armen Sarkisjan wurde nur wenige Wochen vor dem Umbruch Präsident. Zuvor waren die Befugnisse des Präsidenten erheblich beschnitten worden. Sarkisjan hat langjährige Erfahrung als Diplomat: "Und so denke ich, dass meine Rolle am Ende des Tages ist, das Land und die Regierung in ihren Auslandsbeziehungen zu unterstützen."
Derzeit ist die Situation zwischen Russland auf der einen und der EU und den USA auf der anderen Seite so angespannt, wie seit dem Ende des Kalten Kriegs nicht mehr. So Präsident Sarkisjan:
"Aus dieser Perspektive ist Armenien die einzige Brücke zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion. Besonders in den schwierigen Tagen, in denen es mehr Barrieren gibt als offene Straßen, kann so eine kleine Brücke sehr nützlich sein. Ich glaube man sollte verstehen, dass wir nach guten Beziehungen mit all unseren Nachbarn suchen.
Im Bann des Karabach-Konflikts
Damit es dazu kommt, müsste zunächst einmal der Krieg mit Aserbaidschan um Berg-Karabach beendet werden.
Stepanakert, die Hauptstadt von Berg-Karabach. Die Region ist bergig, die Luft ist frisch. Immer mal wieder verirren sich Wandertouristen in das Separationsgebiet. Doch so einfach durch den Wald zu laufen, ist gefährlich, wegen der Minen, wegen nicht explodierten Geschossen. 1994 trat ein Waffenstillstand in Kraft. Doch noch immer liegen sich aserbaidschanische und armenische Soldaten in einem System aus Schützengräben, Bunkern und Minenfeldern gegenüber.
Zuletzt eskalierte der Krieg 2016 für wenige Tage. Es gab mehr als hundert Tote. Aktuell machen Heckenschützen Jagd auf jeden, der sichtbar ist, erschießen einzelne Soldaten. Menschen, auch die in Berg-Karabach sind verärgert, aber machtlos, dass die eigentliche Schutzmacht Russland Waffen an Aserbaidschan liefert. Senor Hasratyan, Oberst in der Armee von Karabach:
"In den Beziehungen zwischen Russland und Aserbaidschan können wir die russische Führung nicht beeinflussen. Die verkaufen Militärausrüstung, und es ist ihre Sache." Karabach selbst habe keine eigene Kooperation mit Russland, versichert Oberst Hasratyan.
"Deshalb können wir das nicht kommentieren. Aber angesichts der militärischen Kooperation zwischen Armenien und der Russischen Föderation verstehen wir das nicht. Russland hat Berg-Karabach nicht als eigenen Staat anerkannt, ebenso wenig übrigens wie Armenien. Grundsätzlich rechnen wir aber nicht nur von der russischen Seite mit solchen Aktionen. Wir können auch eine Einmischung von der türkischen Seite nicht ausschließen."
Und so ist Karabach abhängig vom Schutz durch die Soldaten Armeniens. Umso wichtiger ist es aus der Sicht von Berg-Karabach, dass in Armenien Stabilität herrscht. Die Umbrüche dort verfolgen die Politiker in Berg-Karabach deshalb durchaus skeptisch. Umbrüche im Mutterland gefährden die Sicherheit der Bergregion, erläutert Masis Mayilan, der Außenminister Berg-Karabachs:
"Während im April dieses Jahres diese Bewegung in Armenien begann, die Nikol Paschinjan an die Macht brachte, haben wir beobachtet, wie die aserbaidschanische Seite an der Kontaktlinie militärische Ausrüstung und Truppen zusammenzog.Und wir können wahrscheinlich oder mit Sicherheit sagen, dass, wenn es da irgendeine instabile Situation in Armenien gegeben hätte, es mit Sicherheit zu einem weiteren Versuch von der aserbaidschanischen Seite gekommen wäre, die Aggression gegen Karabach zu erneuern."
Nikol Paschinjan, der neue Regierungschef in Armenien, hat nie einen Zweifel daran aufkommen lassen, dass auch seine Regierung uneingeschränkt zu Berg-Karabach steht. Masis Mayilan gibt sich deshalb äußerst selbstbewusst:
"Je stärker Armenien ist, desto sicherer ist Karabach. Diese Reformbewegung wird auf jeden Fall Armenien stärken, und im Ergebnis wird Karabach sicherer sein."
Ob es sich dabei um Opportunismus handelt oder um echte Begeisterung für die Reformen, ist nicht sicher. Es gibt nur wenige in Karabach, die den Umbruch, den es im Mutterland gegeben hat, nun auch für das Separationsgebiet fordern. Prognosen sind schwierig, Karabach ist nicht gerade bekannt für kontroverse Diskussionen. Die Bedrohungssituation schweißt die Menschen zusammen.
Seit 1992 bemüht sich die OSZE, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit, darum, eine Lösung für den Konflikt um Karabach zu finden. Vor geraumer Zeit waren Vertreter der sogenannten Minskgruppe in Armenien, um mit der neuen Regierung zu sprechen. Auch haben Vertreter der OSZE die Frontlinie auf beiden Seiten inspiziert. Von einem Fortschritt wurde danach nichts bekannt.
Die Rolle von Ankara
Der Konflikt mit Aserbaidschan ist auch deshalb schwer lösbar, weil der andere große Nachbar Armeniens, die Türkei, Aserbaidschan unterstützt. Mit der Türkei liegt Armenien auch im Konflikt, weil sie sich weigert, den Genozid an den Armeniern im Jahr 1915 anzuerkennen. Damals starben rund 1,5 Millionen Menschen.
An der Grenze zur Türkei ist es stockfinster. Knapp 300 Leute sitzen auf Strohballen und warten auf den Sonnenaufgang. Die Aurora-Initiative, ein Projekt von drei armenischen Milliardären, verleiht hier, am Fuß des Ararat, einen Preis für Menschlichkeit. Einer der Milliardäre, Ruben Vardanjan, ist russischer: Staatsbürger.:
"Ich habe Armenien verlassen, als ich 13 Jahre alt war. Ich habe mit meiner Frau und unseren Partnern in den letzten 20 Jahren viel von unserem Geld und unserer Zeit investiert, damit Armenien wächst. Wir haben versucht, die Denkweise der Armenier von Überleben zu Wohlstand zu verändern. Wir haben mit der letzten Regierung gearbeitet, wir arbeiten mit dieser Regierung. Unser Hauptziel ist, dass die Armenier merken, dass sie erfolgreich und glücklich sein können und dass Armenien wirtschaftlich wachsen kann, wenn die Menschen globaler denken und nach vorn schauen, anderen helfen, statt selbst um Hilfe zu bitten."
Vardanjan spricht damit das wohl größte Problem an: den Mentalitätswechsel, die Fokussierung auf den Genozid und auf den Karabach-Konflikt, auf die eigene Opferrolle. Der Weg ist weit, dessen ist sich auch die 17-jährige Schülerin Marjam aus Eriwan bewusst.
"Ich möchte realistisch sein. In einem Jahr wird sich etwas verändern, es verändert sich ja jetzt schon etwas. Aber auch ein Jahr wird nicht reichen. Es ist viel Arbeit zu erledigen. Ich hoffe, dass meine Enkel an einem Ort leben, der ihr zu Hause ist."