Ruben Vardanyan verbringt die meiste Zeit im Flugzeug, unterwegs zwischen Moskau, London, den USA. In Armenien ist er nur selten, doch seinen Namen kennt dort fast jeder, denn das Land ist arm, hängt am Tropf der Diaspora, und Vardanyan ist für die alte Heimat einer der größten Wohltäter. Sein Vorzeigeprojekt liegt in den armenischen Bergen nahe der Grenze zum Iran. Dort hat er ein Kloster restaurieren und eine Seilbahn bauen lassen.
"Der Weg hinauf zu dem Kloster war früher sehr beschwerlich. Das halbe Jahr liegt Schnee, das Klima ist streng. Die neun Dörfer ringsum waren kurz davor auszusterben, die Menschen konnten dort keine Arbeit finden.
Dank der Seilbahn kommen nicht mehr 4.000 Touristen im Jahr, sondern 150.000. Die Seilbahn hat schon mehr als eine Million Euro Gewinn eingebracht. Das gesamte Geld fließt in den Erhalt des Klosters. Und in die Dörfer ist das Leben zurückgekehrt: Dort wurden Souvenirläden, Restaurants und zwölf Minihotels eröffnet."
Investitionen für die alte Heimat
Eine halbe Milliarde US-Dollar hat Vardanyan nach eigenen Angaben in dieses und andere touristische Reiseziele in Armenien investiert, stets mit dem Ansatz, der lokalen Bevölkerung Perspektiven zu bieten.
Vardanyan kam in den 1990er Jahren zu Geld. In Russland. Dort war er einer der ersten Investmentbanker. Mittlerweile, sagt er, sei ihm Wohltätigkeit genauso wichtig wie das Geschäft.
"Ich bin tief davon überzeugt, dass Wohltätigkeit und Unternehmertum im 21. Jahrhundert immer enger zusammenwachsen werden. Es wird schon bald nicht mehr darum gehen, hier Geld zu verdienen und es dort zu stiften, sondern alles Handeln wird sich auf den Menschen ausrichten müssen. Das klingt sehr utopisch, denn wir leben in einer harten kapitalistischen Welt, in der Geld entscheidet, aber in 30 bis 40 Jahren werden das alle begreifen."
Armenier sollen aus der Geschichte Kraft schöpfen
Vor drei Jahren gründete er deshalb mit Gleichgesinnten die "Aurora-Initiative für Menschlichkeit" in Eriwan. Sie zeichnet Persönlichkeiten aus, die ihr eigenes Leben riskieren, um andere zu retten. Die Aurora-Initiative verleiht den Preis im Namen der Überlebenden des Völkermordes der Türken an den Armeniern, als Zeichen der Dankbarkeit gegenüber jenen, die damals, im Jahr 1915, das Leben von Armeniern retteten. Wie das von Vardanyans Großvater.
"Praktisch seine ganze Familie ist umgekommen, mein Großvater war gerade mal sieben Jahre alt, als das passierte. Ein türkischer Kutscher brachte sie auf dem Fahrgestell unter dem Boden in Sicherheit."
Vardanyan möchte, dass die Armenier aus der Geschichte Kraft schöpfen, anderen zu helfen. Armenier dürften sich nicht nur als Opfer sehen.
"Es ist sehr wichtig, nicht nur der Toten zu gedenken, sondern auch über die zu reden, die überlebt haben. Wir haben der Welt viele berühmte Persönlichkeiten gegeben: Gelehrte, Ärzte, Unternehmer, Sportler, Künstler. Man kann nicht ewig in dem Gedanken leben, dass man uns vernichten wollte. Und die beste Antwort an diejenigen, die uns das angetan haben, liegt darin, sehr erfolgreich und sehr weltoffen zu sein."
Zurückhaltender politischer Appell
Armenien ist aber nicht nur vom Trauma der Vergangenheit gefangen. Die Entwicklung des Landes wird auch gehemmt durch Oligarchen-Clans, die sich die Reichtümer des Landes angeeignet haben, und von der scheinbar bodenlosen Korruption. Auch dagegen richteten sich die Demonstrationen der vergangenen Tage in Eriwan.
Ruben Vardanyan hält sich aus der Politik in Armenien weitgehend heraus. Nach dem Rücktritt von Premierminister Sersch Sargsjan veröffentlichte er eine Erklärung. Darin appelliert er, den politischen Konflikt "würdevoll" und "im Dialog" zu lösen.